Werbung "Mild gesalzen" für Kinder-Tütensuppen von Maggi rechtswidrig
Leitsatz
Werbung "Mild gesalzen" für Kinder-Tütensuppen von Maggi rechtswidrig
Tenor
In dem Rechtsstreit (...) hat das Oberlandesgericht Karlsruhe - 4. Zivilsenat - durch (...) auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 17.03.2016 für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, diese zu vollstrecken am Geschäftsführer, zu unterlassen, im Rahmen geschäftlicher Handlungen im Zusammenhang mit der Werbung für Suppen mit dem Hinweis „Mild gesalzen" wie nachfolgend abgebildet zu werben oder werben zu lassen. (...)
2. Die Beklagte wird veruteilt, an den Kläger 214,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 2.4.2015 zu zahlen.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000 € abwenden, wenn nicht der Kläger vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
5. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Entscheidungsgründe
I.
Die Klägerin wendet sich gegen eine Werbung für Suppen mit dem Zusatz "mild gesalzen". Wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen und der die Entscheidung tragenden Gründe wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein in erster Instanz abgewiesenes Klagbegehren auch in zweiter Instanz. Er rügt Rechtsfehler des Landgerichts. Die Werbung mit der Angabe „mild gesalzen" sei nicht als Reduktionsclaim („REDUZIERTER [NAME DES NÄHRSTOFFS]-ANTEIL") im Sinne des Anhangs der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006, "Health Claims Verordnung" (im folgenden HCVO) zu werten. Wenn die Beklagte einen solchen hätte verwenden wollen, hätte sie die Suppen als „milder gesalzen" bewerben müssen. Von ihr werde nicht der Eindruck erweckt, die Suppen seien „weniger gesalzen" als andere vergleichbare. Sie bringe vielmehr zum Ausdruck, die beworbenen Suppen seien „wenig gesalzen". Etwas anderes ergebe sich nicht aus der Zusammenschau mit dem Zusatz „voller Geschmack". Dieser relativiere nicht die Aussage „mild gesalzen", sondern bringe lediglich zum Ausdruck, dass die Suppen gleichwohl nicht fad schmecken. Außerdem seien die beworbenen „Kindersuppen" nicht mit Tütensuppen für Erwachsene, sondern mit „Kindersuppen" der Mitbewerber zu vergleichen. Selbst wenn die Angabe als Reduktionsclaim zu verstehen sei, hätte der Unterschied in der Menge des Nährstoffes gemäß Art. 9 Abs. 1 HCVO angegeben werden müssen.
Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung und verteidigt das landgerichtliche Urteil. Bei der Beurteilung der Frage, welches Verständnis der Angabe beizumessen ist, sei auf den durchschnittlich informierten und in vernünftigem Umfang aufmerksamen und verständigen Verbraucher abzustellen. Dieser verstehe bei lebensnaher Betrachtung die Angabe als „nährstoffreduziert". Die drei gegenständlichen Suppen seien Teil des Suppenprogramms „Guten Appetit!"-Suppen. Als solche seien sie Teil des Produktsortiments „klare Tütensuppe".
Im Übrigen würden die drei gegenständlichen Suppen auch von Erwachsenen konsumiert. Ein Produktsegment „Kindersuppen" gebe es nicht. Art. 9 HCVO (nach dem bei einem Vergleich zwischen Lebensmitteln u. a. der Unterschied in der Menge eines Nährstoffes anzugeben ist) sei nicht anwendbar. Art. 9 HCVO beziehe sich auf Vergleiche. Ein Vergleich liege aber nur vor, wenn die Angabe unmittelbar oder mittelbar einen Mitbewerber oder die von einem Mitbewerber angebotenen Waren oder Dienstleistungen erkennbar mache. Das ergebe sich aus der Bezugnahme auf die Richtlinie 84/450/EWG. Die Beklagte habe einen solchen Vergleich nicht angestellt.
Für die weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg. Dem Kläger steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß §§ 3, 8 Abs. 1 UWG, 3 Abs. 1 Nr. 1 UKIaG zu.
Die Beklagte verstößt mit der Angabe „mild gesalzen" für die drei aus dem Tenor ersichtlichen Suppen gegen Artt. 8 Abs. 1, 9 Abs. 1 S. 2 der HCVO Bei den genannten Vorschriften handelt es sich um Marktverhaltensregeln i.S.v. § 4 Nr. 11 UWG a.F. bzw. § 3 a UWG.
1. Der Begriff „mild gesalzen" ist nährwertbezogen i.S.v. Art. 2 Abs. 2 Ziff. 4 HCV. Gemäß Art. 8 Abs. 1 HCV dürfen nährwertbezogene Angaben nur gemacht werden, wenn sie im Anhang aufgeführt sind und den in dieser Verordnung festgelegten Bedingungen entsprechen.
Die Angabe, ein Lebensmittel sei natrium-/kochsalzarm sowie jegliche Angabe, die für den Verbraucher voraussichtlich dieselbe Bedeutung hat, ist nach dem Anhang der HCV nur zulässig, wenn das Produkt nicht mehr als 0,12 g Natrium oder den gleichwertigen Gehalt an Salz pro 100 g bzw. 100 ml enthält. Die mit dem Begriff „mild gesalzen" beworbenen Suppen erfüllen unstreitig den genannten Grenzwert nicht.
Die Beklagte beruft sich indes darauf, ihre Werbung habe nicht die vorstehend genannte Bedeutung, sondern betreffe einen unbenannten Unterfall der Angabe „REDUZIERTER [NAME DES NÄHRSTOFFS]-ANTEIL" des Anhangs, nämlich reduzierter Natrium-/Kochsalz-Anteil. Deshalb sei ihre Angabe, der Gehalt an diesem Nährstoff sei reduziert worden, zulässig. Die tatsächlich gegebene Reduzierung des Anteils erfülle die Anforderung dieses Unterfalls. Der Unterschied des Gehalts an Natrium bzw. eines entsprechenden Gehalts an Salz mache gegenüber einem vergleichbaren Produkt nämlich mindestens 25 % weniger aus.
Der Senat muss vorliegend nicht entscheiden, ob der Durchschnittsverbraucher die Angabe „mild gesalzen" mit natriunv/kochsalzarm gleichsetzt oder, wie die Beklagte meint, ihr die Bedeutung „weniger" gesalzen beimisst. Darüber hinaus kann auch dahin stehen, gegenüber welchen vergleichbaren Produkten die Einhaltung eines 25 %-igen Unterschiedes zu bestimmen ist.
2. Denn selbst wenn die beanstandeten Suppen die Grenzwerte des Unterfalls der Angabe „REDUZIERTER [NAME DES NÄHRSTOFFS]-ANTEIL" einhalten, weil als Vergleichsprodukte aile klaren Tütensuppen anzusehen sind, führt dies nicht zur Zulässigkeit der streitgegenständiichen Werbung i.S.d. HCVO. Dem steht Art. 9 Abs. 1 S. 2 HCVO entgegen. Die Beklagte hat die Anforderungen dieser Vorschrift zu beachten.
a. Der Anhang der nährwertbezogenen Angaben und ihrer Bedingungen für die Verwendung enthält eine Reihe von vergleichenden Angaben, nämlich „ENERGiEREDUZIERT", „ERHÖHTER [NAME DES NÄHRSTOFFS]-ANTEIL", „REDUZIERTER [NAME DES NÄHRSTOFFSJ-ANTEIL". Diese Angaben nehmen Bezug auf eine Reduzierung oder Erhöhung des jeweiligen Nährstoffs bzw. der Energie um eine bestimmte Prozentzahl. Damit wird jeweils eine Reduzierung/Erhöhung gegenüber vergleichbaren Lebensmitteln im Sinne des Art. 9 HCVO angesprochen. Denn ein Vergleich nach Art. 9 HCVO liegt immer dann vor, wenn Unterschiede im Brennwert und/oder Gehalt von Nährstoffen oder anderen Substanzen angegeben werden. Die Vorschrift bezweckt nicht, dass das Lebensmittel, mit dem verglichen wird, konkret benannt und identifiziert wird (vgl. Meisterernst/Haber, Praxiskommentar Health & Nutrition Claims, 26. Aktualisierung Dezember 2015, Art. 9 Rn. 22). Bei der Verwendung der vorstehend genannten Angaben ist deshalb Art. 9 HCVO zu berücksichtigen (vgl. Meisterernst/Haber aaO., Art. 9 Rn. 15).
Der gegenteiligen Auffassung des Landgerichts ist nicht zu folgen. Zu den in Art. 8 HCVO angesprochenen „in dieser Verordnung festgelegten Bedingungen" gehören auch die Anforderungen des Art. 9 HCVO. Dass auf Art. 9 HCVO gesondert im Anhang hingewiesen wird, ist systematisch nicht geboten.
b. Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung der Beklagten im vorliegenden Fall auch nicht aus der Richtlinie 2006/114/EG, welche die in Art. 9 Abs. 1 S. 1 HCVO genannte Richtlinie
84/450/EWG ersetzt hat. Art 9 HCVO ist insgesamt unbeschadet der Regelungen der vorstehend genannten Richtlinie anwendbar. Die Richtlinie geht dabei Art. 9 HCVO nur vor, soweit sie ein
greift (vgl. Meisterernst/Haber aaO., Art. 9 Rn. 17).
Die betreffenden Vorschriften in der Richtlinie über vergleichende Werbung sind in § 6 UWG umgesetzt. § 6 UWG kommt zur Anwendung, wenn es sich um Werbung handelt, die unmittelbar oder mittelbar einen Mitbewerber oder die von einem Mitbewerber angebotenen Waren oder Dienstleistungen erkennbar macht. Da die Beklagte auf der Umverpackung der beanstandeten Suppen keine Wettbewerber benennt und auch nicht die von einem Wettbewerber angebotenen Waren erkennbar macht, sind die Vorschriften der Richtlinie somit nicht anwendbar.
c. Die Beklagte hatte die Anforderungen von Art. 9 HCVO einzuhalten. Indem sie für sich reklamiert, die beanstandeten Suppen hielten den für den Gehalt an Natrium bzw. einen entsprechen
den Gehalt an Salz genannten Grenzwert des Unterfalls der Angabe „REDUZIERTER [NAME DES NÄHRSTOFFS]-ANTEIL" gegenüber allen (Erwachsenen-)Suppen ein, bewegt sie sich im Anwendungsbereich des Art. 9 HCVO. Ein solcher Vergleich ist gemäß Art. 9 HCVO nur zulässig, wenn er zwischen Lebensmitteln derselben Kategorie und unter Berücksichtigung einer Reihe von Lebensmitteln dieser Kategorie erfolgt, was vorliegend nach der Behauptung der Beklagten unproblematisch gegeben ist.
aa. Die Werbung mit „mild gesalzen" ist zudem aber nur dann zulässig, wenn die Pflichtangaben nach Art. 9 Abs. 1 HCVO eingehalten werden (vgl. Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 24. April 2014 - 3 W 27/14 -, GRUR-RR 2014,468 - Rn. 11; Meisterernst/Haber, aaO, Art. 9 Rn. 34ff.; Meyer/Streinz, LGFG, Basis-VO, HCVO, 2. Aufl. 2012, HCVO Rn. 36). Nach Satz 2 ist bei vergleichenden Angaben der Unterschied in der Menge eines Nährstoffes und/oder im Brennwert anzugeben. Dabei soll sich der Vergleich auf dieselbe Menge des Lebensmittels beziehen.
Die Pflichtangabe hat im Zusammenhang mit dem nährwertbezogenen Vergleich zu erfolgen (vgl. hierzu: Meisterernst/Haber, aaO., Art. 9 Rn. 37). Dies ergibt sich aus dem Regelungszusammenhang.
Das Ziel der HCVO ist nach Erwägungsgrund 1 u.a., dem Verbraucher ein hohes Schutzniveau zu gewährleisten und ihm dabei die Wahl des Lebensmittels durch eine angemessene Kennzeichnung zu erleichtern. Erwägungsgrund 16 unterstreicht, es sei wichtig, dass Angaben über Lebensmittel verstanden werden können, und es sei angezeigt, alle Verbraucher vor irreführenden Angaben zu schützen. Hierfür legt die Verordnung den normal informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher zugrunde. Für die Beurteilung der Frage, wie ein Durchschnittsverbraucher in einem gegebenen Fall reagieren würde, haben die nationalen Gerichte ihre eigene Urteilsfähigkeit unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs zugrunde zu legen. Art. 1 Abs. 1 HCVO betont das in Erwägungsgrund 1 bereits angesprochene hohe Verbraucherschutzniveau als Ziel der Verordnung. Nach Art. 5 Abs. 2 HCVO ist die Verwendung nährwertbezogener Angaben nur zulässig, wenn vom durchschnittlichen Verbraucher erwartet werden kann, dass er die in der Angabe dargestellte positive Wirkung versteht.
Einem dergestalt geforderten hohen Verbraucherschutzniveau wird eine Werbung mit nährwertbezogenen Angaben nur dann gerecht, wenn der Verbraucher bereits im Zusammenhang mit der Angabe den Unterschied in der Menge eines Nährstoffs und/oder im Brennwert erkennen kann.
Art. 2 RL 90/496/EWG steht dem nicht entgegen. Abs. 2 der Vorschrift schreibt die Nährwertkennzeichnung zwingend vor, wenn auf dem Etikett, in der Aufmachung oder in der Werbung mit Ausnahme produktübergreifender Werbekampagnen eine nährwertbezogene Angabe gemacht wird. Hierbei handelt es sich indes um eine allgemeine Kennzeichnungsbestimmung (vgl. Erwägungsgrund 20 der HCVO), welche die Frage, an weichem Ort die Pflichtangabe gemäß Art. 9 Abs. 1 S. 2 HCVO zu erfolgen hat, nicht berührt.
bb. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, der Verbraucher muss die Pflichtangabe gemäß Art. 9 Abs. 1 S. 2 HCVO klar und eindeutig erkennen können. Eine entsprechende Angabe auf der Rückseite der Umverpackung wird dieser Anforderung nicht gerecht, zumal wenn kein Hinweis auf eine solche Verlagerung der Pflichtangabe auf die Rückseite im Zusammenhang mit der nährwertbezogenen Angabe erfolgt.
Die Beklagte hat die nährwertbezogene Angabe „mild gesalzen" auf der Vorderseite der Verpackung blickfangmäßig herausgestellt. Gerade im weiten Feld der allgemeinen Publikumswerbung für Waren und Dienstleistungen eher geringen Werts („Waren des täglichen Gebrauchs") bestimmt der Blickfang bzw. das Schlagwort den Gesamteindruck der zu beurteilenden Werbung. Deshalb ist jedenfalls bei Waren des täglichen Gebrauchs mit geringen Wert, wie hier, legitimerweise auf den nur flüchtig aufmerksamen Durchschnittsverbraucher abzustellen.
Dieser registriert regelmäßig die Hervorhebung (vgl. hierzu: BGH 25.1.2007 - I ZR 133/04 - Testfoto III -GRUR 2007, 802 Tz. 21 f. Lindacher in: Teplitzky/Peifer/Leistner, UWG, 2. Auflage 2013 § 5 Rn. 104). Erläuterungen auf der Rückseite der Verpackung, auf die er nicht im Zusammenhang mit der nährwertbezogene Angabe hingewiesen wird, übersieht er leicht.
Die Beklagte hat die zusätzliche Angabe im Zusammenhang mit der nährwertbezogene Angabe unterlassen. Über den Unterschied in der Menge des Nährstoffs im Vergleich zu Lebensmitteln derselben Kategorie und in Bezug auf dieselbe Menge wird nicht, wie es erforderlich wäre, informiert.
3. Durch den Verstoß werden die Interessen von Verbrauchern spürbar beeinträchtigt. Da die Beklagte eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ablehnt, ist Wiederholungsgefahr gegeben.
4. Der Anspruch auf die der Höhe nach unstreitigen Abmahnkosten ergibt sich aus § 5 UKIaG i.V.m. §12 Abs. 1 S. 2 UWG.
III.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Nr. 1, 2 ZPO vorliegen, hat der Senat die Revision zugelassen.