Unzulässige Werbung in einem Online-Shop mit einem "Bisher"-Preis

Landgericht Bochum

Urteil v. 24.03.2016 - Az.: I-14 O 3/16

Leitsatz

Unzulässige Werbung in einem Online-Shop mit einem "Bisher"-Preis

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt,

bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ersatzordnungshaft oder Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten, die Haft zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer, es zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr zu gewerblichen Zwecken im Bereich des Handels mit Sportartikeln und Zubehörwaren alternativ oder kumulativ

a) kennzeichnungspflichtige Textilien für den Vertrieb an Verbraucher zu bewerben, wenn hierbei nicht vor Abgabe der Vertragserklärung des Verbrauchers den Anforderungen der Verordnung (EU) Nr. 1007/2011 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 27. September 2011 über die Bezeichnungen von Textilfasern und die damit zusammenhängende Etikettierung und Kennzeichnung der Faserzusammensetzung von Textilerzeugnissen und zur Aufhebung der Richtlinie 73/44/EWG des Rates und der Richtlinien 96/73/EG und 2008/121/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates genügende Informationen gegeben werden,

wie am 23.10.2015 in dem Webshop (...) bei Artikel-Nr. (...) G PIQUE SHIRT GRAU“ und aus der Anlage HKMW 1 ersichtlich geschehen,

b) mit herabgesetzten Preisen unter Hinweis und einen „bisher“ verlangten Preis zu werben, wenn der Zeitpunkt, zu dem der höhere Preis zuletzt verlangt worden ist, nicht in der jüngsten Vergangenheit liegt,

wie am 23.10.2015 bei Artikel Fahrradhelm (...) und aus Anlage HKMW 2 ersichtlich, geschehen,

an die Klägerin 1.801,50 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.02.2016 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, im Hinblick auf die Untersagungsansprüche jeweils gegen Sicherheitsleistung von 15.000,00 Euro, im Übrigen gegen Sicherheitsleistung von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Sachverhalt

Die Parteien handeln u. a. im Internet mit Sportartikeln sowie Sport- und Freizeitbekleidung. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 23.10.2015 mahnte die Klägerin die Beklagte ab und forderte die Abgabe einer strafbewehrten Unterwerfungserklärung. Dabei rügte sie, dass Textilien –wie im Fall eines Shirts geschehen- nicht hinreichend gekennzeichnet seien und dass bei einem Fahrradhelm mit einem herabgesetzten Preis unter Hinweis auf einen „bisher“ verlangen Preis geworben würde, obwohl dieser Preis bereits Monate zuvor verlangt worden sei. Da die Beklagte keine Unterwerfungserklärung abgab, machte die Klägerin ihre Ansprüche zunächst im Rahmen einer einstweiligen Verfügung geltend -14 O 207/15, Landgericht Bochum-, in diesem Verfahren wurde antragsgemäß die einstweilige Verfügung erlassen. Da auf Verlangen keine Abschlusserklärung abgegeben wurde, macht die Klägerin nunmehr ihre Ansprüche auch im Hauptsacheverfahren geltend.

Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte habe sich wettbewerbswidrig verhalten. So habe sie ein G Shirt in ihrem Webshop am 23.10.2015 angeboten, ohne dass gemäß den gesetzlichen Vorgaben die Faserzusammensetzung des Textilerzeugnisses gekennzeichnet gewesen sei. Außerdem habe sie einen Fahrradhelm (...) mit einem herabgesetzten Preis beworben unter Hinweis auf einen „bisher“ verlangen Preis, allerdings ergebe sich aus den Archiven, dass dieser reduzierte Preis unter Hinweis auf einen „bisher“-Preis bereits seit dem 02.03.2015 beworben worden sei. Von daher verhalte sich die Beklagte in beiden Fällen wettbewerbswidrig.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, es unter Androhung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis 250.000,-- €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, die Ordnungshaft an ihrem Geschäftsführer zu vollziehen, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken im Bereich des Handels mit Sportartikeln und Zubehörwaren alternativ oder kumulativ

a) kennzeichenpflichtige Textilien für den Vertrieb an Verbraucher zu bewerben, wenn hierbei nicht vor Abgabe der Vertragserklärung des Verbrauchers den Anforderungen der Verordnung (EU) Nr. 1007/2011 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 27. September 2011 über die Bezeichnung von Textilfasern und die damit zusammenhängende Etikettierung und Kennzeichnung der Faserzusammensetzung von Textilerzeugnissen und zur Aufhebung der Richtlinie 73/44/EWG des  Rates und der Richtlinie 96/73/EG und 2008/121/ EG des Europäischen Parlaments und des Rates genügende Informationen gegeben werden, wie am 23.10.2015 in dem Webshop (...) bei Artikel-Nr. (...) G PIQUE SHIRT GRAU“ und aus der Anlage HKMW 1 ersichtlich geschehen,

b) mit herabgesetzten Preisen unter Hinweis auf einen „bisher“ verlangten Preis zu werben, wenn der Zeitpunkt, zu dem der höhere Preis zuletzt verlangt worden ist, nicht in der jüngsten Vergangenheit liegt, wie am 23.10.2015 bei Artikel Fahrradhelm (...) und aus der Anlage HKMW 2 ersichtlich geschehen,

an die Klägerin 1.801,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, unter dem Reiter „Spezifikation“ sei im Angebot das Material gemäß Textilkennzeichnungsgesetz bezeichnet gewesen. Die Klägerin möge vortragen, mit welchem Browser bzw. welcher Betriebssystemversion der streitgegenständliche Artikel aufgerufen worden sei. Da sie in ihrem Shop eine Vielzahl von Textilprodukten anbiete, sei es nicht naheliegend, dass sie bewusst bei einem Artikel die Textilkennzeichnung unterlassen hätte, so dass selbst bei Vorliegen eines Verstoßes keine Erheblichkeit gegeben wäre. Im Hinblick auf den Fahrradhelm sei der streitgegenständliche Verkaufspreis erst am 07.07.2015 abgeändert worden, der gegenteilige Vortrag der Klägerin sei nicht zutreffend. Sie bestreitet, dass die in b.org aufgefundenen Screenshots der tatsächlichen Produktdarstellung zum genannten Zeitpunkt entsprochen hätten.

Eine Irreführung des Verbrauchers sei nicht gegeben und damit auch kein wettbewerbswidriges Verhalten. Die Beklagte rügt Rechtsmissbrauch. Von daher seien die Kosten der Abmahnung von ihr nicht zu tragen, ebenso wenig die Kosten für die Aufforderung zur Abgabe einer Abschlusserklärung. Die Beklagte habe nach Zustellung der einstweiligen Verfügung am 19.11.2015 Akteneinsicht bei Gericht beantragt. Mit Email vom 08.12.2015 habe ihr Prozessbevollmächtigter den Prozessbevollmächtigten der Klägerin mitgeteilt, dass er in den nächsten Tagen operiert werde und deshalb eine Besprechung mit der Mandantschaft erst in der nächsten Woche erfolgen könne, es sei gebeten worden, bis dahin von weiteren Schritten abzusehen. Die Klägerin habe diese Frist allerdings nicht abgewartet, sondern mit Fax vom 17.12.2015 die Abgabe einer Abschlusserklärung gefordert. Zu diesem Zeitpunkt wäre die Monatsfrist seit Zustellung der einstweiligen Verfügung noch nicht abgelaufen gewesen. Deshalb werde auch insoweit Rechtsmissbrauch gerügt.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Unterlassung des Angebots von Textilien, ohne dass diese hinreichend gemäß Textilkennzeichnungsgesetz gekennzeichnet sind. Unstreitig bot die Beklagte am 23.10.2015 in ihrem Webshop ein G PIQUE SHIRT in grau an, das ausweislich der Anlage HKMW 1 (Bl. 9 f. der Akten) weder auf der Startseite selbst noch in den Reitern, insbesondere nicht unter „Spezifikation“ einen Hinweis auf die Textilzusammensetzung des angebotenen Shirts enthielt.

Soweit die Beklagte darauf hinweist und einen entsprechenden Screenshot vorlegt, dass unter Spezifikation und Material die Faserzusammensetzung mit 100 % Polyester angegeben worden war, ist dies im Ergebnis unerheblich. Auf die Nachfrage der Beklagten hat die Klägerin bzw. ihr Prozessbevollmächtigter angegeben, mit welchem System die Angebote angesehen worden sind, dabei handelt es sich unstreitig nicht um seltene Sondersysteme. Angebote müssen so gestaltet sein, dass sie mit allen gängigen Browsern mit allen gängigen Systemen angesehen werden können. Wenn daher mit derartig gängigen Systemen Informationen nicht angezeigt werden, ist dies fehlerhaft. Entgegen der Auffassung der Beklagten liegt insoweit auch kein Bagatellverstoß vor, selbst wenn man nicht von einem gezielten Auslassen dieser Information bei diesem Angebot ausgehen würde. Denn ist im Rahmen der allgemeinen Sorgfalt eines Verkäufers ist dafür Sorge zu tragen, dass die erforderlichen Angaben stets aufgerufen werden können.

Weiter hat die Klägerin einen Anspruch gegen die Beklagte auf Unterlassung der Bewerbung von Produkten mit einem Bisher-Preis, wenn zwischen der Bewerbung und dem Angebot eine erhebliche Zeitspanne liegt. Das ist vorliegend unstreitig der Fall. Insoweit kann dahinstehen, ob gemäß den Angaben der Klägerin und aus dem Archiv ersichtlich die Werbung mit dem reduzierten Preis unter Gegenüberstellung eines „Bisher-Preises“ bereits seit dem 02.03.2015 vorhanden war. Denn auch wenn erst am 07.07.2015 die Werbung, wie von der Beklagten behauptet, umgestellt wurde, war eine Bewerbung in dieser Form am 23.10.2015 unzulässig. Der Verkehr verbindet mit einem „Bisher“-Preis einen Preis, der bis vor kurzem gefordert wurde für diesen Artikel. Eine genauere Eingrenzung dieser Zeitspanne ist vorliegend nicht nötig, jedenfalls ist eine Zeitspanne von mehr als drei Monaten zu lang. Von daher ist insoweit eine Irreführung des Verkehrs gegeben, der aufgrund dieser Gestaltung davon ausgeht, dass vor kurzem eine derartige Preisreduzierung stattgefunden hat.

Rechtsmissbräuchlichkeit ist zu verneinen, denn es ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin bei Abmahnung eines anderen Vorfalls am 27.07.2015 den hier streitgegenständlichen Verstoß überhaupt erkannt hat.

Gemäß § 12 UWG stehen der Klägerin daher auch die Kosten der Abmahnung zu. Unter Berücksichtigung der Anrechnung im einstweiligen Verfügungsverfahren verbleibt es bei dem geltend gemachten Betrag von 659,60 €. Darüber hinaus kann die Klägerin auch die Kosten für die Aufforderung zur Abgabe eines Abschlussschreibens geltend machen. Die Auffassung der Beklagten, da die Berufungsfrist noch nicht abgelaufen sei, sei die Aufforderung zur Abgabe einer Abschlusserklärung verfrüht, ist unzutreffend. Zudem zeigt das weitere Verhalten der Beklagten, dass ein weiteres Zuwarten um einen Tag zu keinem anderen Ergebnis geführt hätte, da die Beklagte unter dem 21.12.2015 Fristsetzung zur Erhebung der Hauptsacheklage beantragte, also nicht gewillt war, das Ergebnis der einstweiligen Verfügung als rechtsverbindlich zu akzeptieren. Der Höhe nach ist die Forderung begründet und auch nicht angegriffen. Der Zinsanspruch folgt aus § 286, 288 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.