Unerlaubte Werbeanrufe bei Ex-Kunden

Landgericht Köln

Urteil v. 02.10.2018 - Az.: 33 O 88/18

Leitsatz

Unerlaubte Werbeanrufe bei Ex-Kunden

Tenor

1. Die einstweilige Verfügung des Landgerichts Köln vom 27.06.2018 (33 O 88/18) wird bestätigt.

2. Die weiteren Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.

Sachverhalt

Die Parteien sind Konkurrenten beim Vertrieb von Medizinprodukten. Insbesondere bieten beide Parteien die ambulante Versorgung von tracheotomierten und laryngektomierten Patienten an.

Anfang 2018 übernahm der Mutterkonzern der Antragstellerin das Unternehmen K GmbH & Co. KG (nachfolgend: K). Bei diesem Unternehmen war Herr B als Medizinproduktebetreuer im Außendienst angestellt. Unter anderem betreute Herr B seit ca. fünf Jahren auch eine Patientin namens C. Er kündigte das Arbeitsverhältnis bei K zu Ende Februar 2018 und nahm ab März 2018 seine Tätigkeit für die Antragsgegnerin auf.

Ende März oder Anfang April 2018 rief Herr B bei Frau C an, um einen Besuchstermin zu vereinbaren. Eine Einwilligung der Frau C oder ihres Ehemanns gegenüber der Antragsgegnerin, sie zu Werbezwecken anrufen zu dürfen, existiert nicht. Die Eheleute willigten in den Besuch ein, der dann am 10.04.2018 stattfand. Im Verlauf des Gesprächs unterzeichneten die Eheleute die von Herrn B vor Ort vorbereiteten Unterlagen bezüglich des Versorgerwechsels von der Firma K hin zur Antragsgegnerin.

Die Antragstellerin erblickte in dem geschilderten Sachverhalt einen Wettbewerbsverstoß und mahnte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 06.06.2018 (erfolglos) ab.

Am 27.06.2018 erwirkte die Antragstellerin eine im Beschlussweg erlassene einstweilige Verfügung der erkennenden Kammer, mit der der Antragsgegnerin unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt worden ist,

geschäftlich im Wettbewerb handelnd, Telefonwerbung für medizinischtechnische Geräte und Waren, insbesondere Hilfsmittel für Laryngektomierte und Tracheotomierte und/oder die logopädische Behandlung von Laryngektomierten und/oder Tracheotomierten gegenüber Verbrauchern und/oder Verbraucherinnen zu betreiben und/oder betreiben zu lassen, ohne dass ein vorheriges ausdrückliches Einverständnis des Adressaten vorliegt.

Die Antragstellerin behauptet, in dem Telefonat habe Herr B zwar nicht ausdrücklich den Beweggrund seines beabsichtigten Besuches genannt, für die Eheleute C sei es jedoch erkennbar um die Versorgung mit medizinischen Hilfsmitteln gegangen. Während des Besuchs habe Herr B dann mitgeteilt, dass er nicht mehr für die Firma K, sondern nunmehr für die Antragsgegnerin arbeite und seine Kunden nicht verlieren möchte. Aus diesem Grund habe er von sich aus den Eheleuten einen Versorgungswechsel angeboten. Die Eheleute C hätten sich durch den Besuch unter Druck gesetzt gefühlt, weshalb sie schließlich in den Versorgerwechsel eingewilligt hätten.

Nachdem die Antragsgegnerin gegen die Beschlussverfügung der Kammer Widerspruch eingelegt hat, beantragt die Antragstellerin nunmehr

wie erkannt.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die einstweilige Verfügung vom 27.06.2018 aufzuheben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin behauptet, Herr B habe sich lediglich von den Eheleuten C verabschieden wollen. Nur aus diesem Grund habe er telefonisch Kontakt mit den Eheleuten aufgenommen, um einen Termin für eine persönliche Verabschiedung zu vereinbaren. Ein Beratungsgespräch sei nicht beabsichtigt gewesen. Erst im Verlauf des Gesprächs vom 10.04.2018 habe sich herausgestellt, dass die Eheleute C mit der Versorgung durch die Firma K nicht mehr zufrieden gewesen seien. Daher habe Herr B erläutert, dass er nunmehr für die Antragsgegnerin tätig sei und diese Frau C künftig versorgen könne. Dies hätten die Eheleute C gewünscht. Erst daraufhin seien die Unterlagen für den Versorgerwechsel vorbereitet worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen, das Protokoll der Sitzung sowie den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die einstweilige Verfügung vom 27.06.2018 ist zu bestätigen, weil ihr Erlass auch nach dem weiteren Vorbringen der Parteien gerechtfertigt war.

I.

Ein Verfügungsgrund ist gegeben. Dieser wird gem. § 12 Abs. 2 UWG vermutet. Umstände, die diese Vermutung widerlegen könnten, sind von den Antragsgegnern nicht dargetan.

II.

Ein Verfügungsanspruch liegt ebenfalls vor.

Die Antragstellerin kann von der Antragsgegnerin gemäß §§ 3, 7 Abs. 2 Nr. 2, 8, 12, 14 UWG Unterlassung im Hinblick auf die streitgegenständliche Telefonwerbung verlangen.

Die Parteien sind unproblematisch Mitbewerber. Es liegt auch eine geschäftliche Handlung seitens des Herrn B vor. Denn sogar nach dem Vortrag der Antragsgegnerin hat Herr B das Telefonat im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit geführt. Dies gilt selbst dann, wenn man entsprechend des Vortrags der Antragsgegnerin unterstellt, dass Herr B sich nur von den Eheleuten C verabschieden wollte, weil selbst in diesem Fall ein enger Bezug zu seiner beruflichen Tätigkeit bestehen würde.

Nach § 7 Abs. 1 S. 1 UWG ist eine geschäftliche Handlung, durch die ein Marktteilnehmer in unzumutbarer Weise belästigt wird, unzulässig. Nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG ist eine unzumutbare Belästigung stets anzunehmen bei Werbung mit einem Telefonanruf gegenüber einem Verbraucher ohne dessen vorherige ausdrückliche Einwilligung.

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass Herr B zu einem Zeitpunkt, zu dem er bereits für die Antragsgegnerin tätig war, bei den Eheleuten C, also Verbrauchern, angerufen hat. Ferner ist unstreitig, dass keine vorherige Einwilligung seitens der Eheleute C vorgelegen hat.

Umstritten ist daher allein, ob der Anruf Werbezwecken gedient hat. Erforderlich ist dafür eine Äußerung mit dem Ziel, den Absatz von Waren und Dienstleistungen zu fördern (Köhler/Bornkamm, UWG, 36. Aufl., § 7 Rn. 129). Nach der Rechtsprechung liegt ein Werbezweck nicht nur dann vor, wenn der Angerufene unmittelbar zu einem Geschäftsabschluss bestimmt werden soll, sondern auch dann, wenn der Anruf mittelbar das Ziel verfolgt, den Absatz oder Bezug von Waren oder Dienstleistungen zu fördern (Köhler/Bornkamm, UWG, 36. Aufl., § 7 Rn. 131). Dazu gehört auch die telefonische Ankündigung oder Vereinbarung eines Termins für einen Vertreterbesuch (BGH GRUR 1989,753 - Telefonwerbung II; BGH GRUR 2000, 818, 819 - Telefonwerbung VI).

Vorliegend hat Herr B nach dem Vortrag der Antragstellerin den Beweggrund seines beabsichtigten Besuches nicht ausdrücklich genannt; nach dem Vortrag der Antragsgegnerin hat Herr B den Eheleuten C mitgeteilt, er rufe sie an, um sich in seiner Eigenschaft als ehemaliger Mitarbeiter der Firm K von ihnen zu verabschieden.

Die Kammer geht aufgrund der Gesamtumstände davon aus, dass der Anruf von Herrn B nicht nur dem Zweck diente, einen Termin zur Verabschiedung mit den Eheleuten C auszumachen, sondern dass der telefonisch vereinbarte Termin auch dem Zweck dienen sollte, den Versuch zu unternehmen, Frau C zu einem Versorgerwechsel hin zur Antragsgegnerin zu bewegen. Hierfür spricht erstens der Zeitpunkt des Anrufs und des Gesprächs. Denn zu diesem Zeitpunkt arbeitete Herr B bereits für die Antragsgegnerin und dürfte deren Kunden zu betreuen gehabt haben. Hätte Herr B sich tatsächlich nur verabschieden wollen, so hätte es wesentlich näher gelegen, noch zu einem Zeitpunkt bei den Eheleuten C anzurufen, bei dem er noch bei der Firma K beschäftigt war. Denn diese hatte einen Versorgungsvertrag mit Frau C, so dass ein Telefonanruf unproblematisch möglich gewesen wäre. Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund, dass Herr B seiner eigenen eidesstattlichen Versicherung zufolge sein Arbeitsverhältnis mit der Firma K selbst gekündigt hat. Er hatte demnach eine Kündigungsfrist zu beachten und wusste insofern frühzeitig, dass die Beziehung zu seinen bisherigen Kunden bald enden würde.

Zudem ist der Ablauf des Gesprächs vom 10.04.2018 ein sehr deutliches Indiz dafür, dass Herr B schon mit dem Anruf einen Versorgerwechsel von Frau C einleiten wollte. Seine Einlassung, er habe sich lediglich von den Eheleuten C verabschieden wollen und diese hätten ihm dann von sich aus offenbart, dass sie mit der Versorgung durch die Firma K nicht mehr zufrieden seien, ist kaum glaubhaft. Bezeichnend ist, dass Herr B offenbar sämtliche notwendigen Unterlagen zur Durchführung eines Versorgerwechsels sofort zur Hand hatte. Wäre der Zweck seines Besuchs lediglich eine Verabschiedung, also ein Höflichkeitsbesuch gewesen, so erschließt sich in keiner Weise, wieso er geschäftliche Unterlagen mit zu diesem Termin nahm. Er wusste, dass Frau C einen Versorgungsvertrag mit der Firma K hatte. Auf die Unterlagen der Firma K hatte Herr B nach seinem Ausscheiden bei dieser naturgemäß keinen Zugriff mehr. Eine wie auch immer geartete Beratung der Frau C schied damit von vornherein aus (und war der eidesstattlichen Versicherung des Herrn B zufolge ja gerade auch nicht intendiert). Vor diesem Hintergrund erklärt sich aus dem Vortrag der Antragsgegnerin und der eidesstattlichen Versicherung des Herrn B nicht, wieso dieser sämtliche Unterlagen für einen Versorgerwechsel zu dem angeblichen Höflichkeitsbesuch mitbrachte.

Gegen den Vortrag der Antragsgegnerin und für den Vortrag der Antragstellerin spricht weiter die eidesstattliche Versicherung des Herrn Steffens vom 20.06.2018. Er führt aus, die Eheleute C hätten ihm gegenüber mitgeteilt, Herr B habe von sich aus - ohne dass die Eheleute C ihn darauf angesprochen hätten - einen Wechsel in die Versorgung der Antragsgegnerin angeboten. Auch diese Erklärung, welche die Kammer für glaubhaft hält, belegt deutlich, dass Herr B von vornherein - also auch zum Zeitpunkt des Telefonats - beabsichtigte, die Kundin C zu einem Versorgerwechsel zu bewegen.

Nach alledem hat Herr B auf Grundlage der vorgenannten Rechtsprechung mit dem Anruf jedenfalls mittelbar das Ziel verfolgt, den Warenabsatz seines neuen Arbeitgebers zu fördern. Er hat damit § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG zuwidergehandelt. Dieses wettbewerbswidrige Verhalten ist der Antragsgegnerin gemäß § 8 Abs. 2 UWG zuzurechnen.

Ein Unterlassungsanspruch der Antragstellerin ist damit gegeben und die einstweilige Verfügung ist zu bestätigen.

Vor diesem Hintergrund kann die Frage, ob sich ein Unterlassungsanspruch auch aus § 7 Abs. 1 UWG ergibt, dahinstehen.

III.

Die Nebenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.