Rückrufpflichten des Schuldners aufgrund abgedrucktem Werbeverbot
Leitsatz
Rückrufpflichten des Schuldners aufgrund abgedrucktem Werbeverbot
Entscheidungsgründe
I.
Die Gläubigerin begehrt die Festsetzung eines Ordnungsmittels gegen die Schuldnerin wegen des Verstoßes gegen eine Verpflichtung aus einem Unterlassungstitel.
Das Landgericht Hamburg hat der Schuldnerin mit Urteilsverfügung vom 16.6.2016, der Schuldnerin am 20.6.2016 durch die Gläubigerin zugestellt, unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel verboten, im Rahmen geschäftlicher Handlungen für das Sonnenschutzmittel „Garnier Ambre Solair Sensitive expert+“ in näher konkretisierter Weise zu werben und/oder werben zu lassen. Die vom Landgericht untersagten Werbeangaben sind auf der Verpackung der Produkte aufgedruckt.
Die selbständigen Handelsunternehmen, die Drogeriemärkte …. und ….., boten noch im Juli 2016 in ihren Online-Shops unter Abbildung des Produktes mit den untersagten Angaben zum Kauf an (Anlage OM 4). Die Gläubigerin erwarb ebenfalls im Juli 2016 die Produkte mit den streitgegenständlichen Aufdrucken der Schuldnerin in den Filialen der beiden Drogeriemärkte (Anlage OM 5). Von dem Handelsunternehmen (...) wurden sie auch mit einem Flyer beworben (Anlage OM 6). Zusätzlich waren die Produkte in zahlreichen weiteren Einkaufmärkten in Deutschland käuflich zu erwerben (Anlage OM 7) und wurden in einer …..-Filiale in Herford, mit einem Werbeständer, auf der untersagte Angaben abgebildet war, beworben (Anlage OM 8).
Unstreitig hat die Schuldnerin bisher in keiner Weise gegenüber selbständigen Handelsunternehmen darauf hingewirkt, dass die streitgegenständlichen Produkte aus dem Handel genommen werden und nicht mehr beworben werden.
Die Gläubigerin hat die Ansicht vertreten, dass die Schuldnerin gegen die einstweilige Verfügung des Landgerichts vom 16.6.2016 verstoßen habe. Die Verpflichtung zur Unterlassung einer Bewerbung erschöpfe sich nicht im bloßen Nichtstun. Die Unterlassungsverpflichtung umfasse in diesem konkreten Fall auch die Verpflichtung, dass die Schuldnerin Maßnahmen ergreife, durch die sichergestellt werde, dass die mit unzulässigen Werbeaussagen versehenen Produkte nicht mehr im geschäftlichen Verkehr angeboten bzw. beworben werden. Dagegen verstoße die Schuldnerin vorsätzlich. Die Gläubigerin hat die Verhängung eines Ordnungsgeldes in Höhe von 100.000 € angeregt.
Die Schuldnerin hat die Ansicht vertreten, dass eine solche Verpflichtung nicht bestehe. Sie müsse nicht auf rechtlich und tatsächlich nicht verbundene Dritte derart einwirken, dass sie bereits ausgelieferte Produkte, deren Gestaltung dem Unterlassungstenor entspricht, nicht mehr vertreiben. Dies entspreche der Rechtsprechung des Senats (vgl. Senat, PharmaR 2003, 171). Die Gläubigerin verkenne den konkreten Inhalt des Unterlassungstenors und die Reichweite von Unterlassungsverpflichtungen aufgrund irreführender Werbung. Diese beziehe sich ausschließlich auf eigenes Verhalten und auf das Verhalten in ihrem Auftrag. Rechtlich selbständige Handelsunternehmen fielen nicht darunter. Die Gläubigerin habe sich dazu entschlossen, einen Unterlassungsanspruch und keinen Beseitigungsanspruch geltend zu machen. Ein auf Unterlassen gerichtetes Verbot könne nicht in ein auf Handeln abzielendes Gebot umgedeutet werden. Ein Rückruf hätte vom Gericht ausdrücklich tenoriert werden müssen. Die Gläubigerin hätte über einen Beseitigungsanspruch einen Rückruf erstreiten müssen. Eine Rückrufaktion könne vom Schuldner nur dann verlangt werden, wenn sich die streitgegenständlichen Produkte noch in seinem Einflussbereich befänden und der Schuldner für einen Rückruf eine rechtliche Handhabe habe. Eine Anerkennung einer solchen Handlungsverpflichtung verkenne auch das zivilprozessuale Konzept der Zwangsvollstreckung. Die Zwangsvollstreckung unvertretbarer Handlungen gemäß § 888 ZPO werde ausgehöhlt und dieses Verhalten der Vollstreckung gemäß § 890 ZPO unterworfen. Eine Parallele zum Markengesetz zeige, dass dem Unterlassungsanspruch gemäß § 8 Abs. 1 UWG nicht das von der Gläubigerin nun geforderte Verhalten zukomme. Dort sei der Rückrufanspruch des Gläubigers ausdrücklich nachträglich als eigenständiger Anspruch gemäß § 18 Abs. 2 MarkenG normiert worden. Vergleichbares gelte auch beim urheberrechtlichen Unterlassungsanspruch gemäß § 92 Abs. 2 UrhG.
Eine Rückrufverpflichtung ergebe sich auch nicht aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH GRUR 2016, 720 – Hot Sox; BGH GRUR 2016, 406 – Piadina Rückruf; BGH GRUR 2015, 258 – CT-Paradies; BGH GRUR 2014, 595 – Vertragsstrafenklausel). In den Entscheidungen werde zwar ausdrücklich von der auch einem Unterlassen innewohnenden Pflicht „mögliche und zumutbare Handlungen zur Beseitigung des Störungszustands“ zu treffen gesprochen. Eine daraus folgende Verpflichtung, das Handeln Dritter zu beeinflussen, mache der BGH jedoch ausdrücklich von den rechtlichen Einflussmöglichkeiten auf sie abhängig. Die Entscheidung Hot Sox des Bundesgerichtshofs sei auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anwendbar. Der Entscheidung habe nicht nur ein Werbeverbot, sondern ein umfassendes Vertriebs- und Importverbot zu Grunde gelegen. Das Verbot gründe sich in § 4 Nr. 3 UWG 2015, dessen Schutzbereich weiter zu fassen sei als bei anderen wettbewerbsrechtlichen Verstößen. Diese Rechtsansicht werde durch die aktuelle Entscheidung des OLG Frankfurt (GRUR 2016, 1319 – Quarantäne-Buchung) bestätigt.
Das Landgericht hat die Schuldnerin zur Zahlung eines Ordnungsgeldes in Höhe von 22.500 €, ersatzweise ein Tag Ordnungshaft je 2.250 €, verpflichtet. Die Schuldnerin sei verpflichtet, ihr mögliche und zumutbare Handlungen zur Beseitigung des Störungszustandes vorzunehmen. Zu diesen zähle bereits an den Groß- und Einzelhandel verkaufte Waren zurückzurufen. Die Kammer habe in Bezug auf die – wie verboten – verpackte Ware in der Sache zugleich ein Vertriebsverbot ausgesprochen. Bei der Bemessung der Höhe des Ordnungsmittels sei einerseits berücksichtigt worden, dass es sich um das erste Ordnungsmittelverfahren handele, andererseits aber bis zur Ordnungsmittelantragstellung zahlreiche mit den verbotenen Werbeaussagen versehene Waren sowohl in Internet-Shops als auch im stationären Einzelhandel erhältlich gewesen seien.
Gegen den Ordnungsmittelbeschluss des Landgerichts wendet sich die Schuldnerin mit ihrer sofortigen Beschwerde. Darin vertieft sie ihre Ansicht, dass sie nicht verpflichtet sei, die streitgegenständlichen Produkte zurückzurufen.
II.
Die gemäß §§ 793, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Schuldnerin gegen den Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 9.11.2016 ist nicht begründet. Das Landgericht hat zutreffend gegen die Schuldnerin ein Ordnungsgeld in Höhe von 22.500 € festgesetzt.
1. Die Schuldnerin hat dadurch, dass sie die selbständigen Handelsunternehmen als ihre Abnehmer nicht aufgefordert hat, die Produkte, auf denen sich die untersagten Aufdrucke befinden, aus dem Handel zu nehmen und nicht mehr unter Abbildung der verbotenen Produktverpackung zu bewerben, gegen das Verbot verstoßen, im geschäftlichen Verkehr für das Sonnenschutzmittel „Garnier Ambre Solair Sensitive expert+“ in der im Urteil des Landgerichts vom 16.6.2016 näher konkretisierten Weise zu werben und/oder werben zu lassen.
2. Mangels abweichender Anhaltspunkte ist der Tenor des Urteils des Landgerichts vorliegend dahin auszulegen, dass er nicht nur die Unterlassung derartiger Handlungen, sondern auch die Vornahme möglicher und zumutbarer Handlungen zur Beseitigung des Störungszustandes erfasst.
a) Der Bundesgerichtshof hat jüngst ausdrücklich klargestellt, dass sich eine Unterlassungsverpflichtung nicht im bloßen Nichtstun erschöpfe, sondern die Vornahme von Handlungen zur Beseitigung eines zuvor geschaffenen Störungszustandes umfasse, wenn alleine dadurch dem Unterlassungsgebot entsprochen werden könne (vgl. BGH, WM 2017,145, Rn. 24; BGH, GRUR 2016, 720, Rn. 34 – Hot Sox). So verhalte es sich, wenn die Nichtbeseitigung des Verletzungszustands gleichbedeutend mit der Fortsetzung der Verletzungshandlung sei. Danach habe ein Schuldner, dem gerichtlich untersagt worden sei, ein Produkt mit einer bestimmten Aufmachung zu vertreiben oder für ein Produkt mit bestimmten Angaben zu werben, grundsätzlich durch einen Rückruf des Produktes dafür zu sorgen, dass bereits ausgelieferte Produkte von seinen Abnehmern nicht weiter vertrieben werden (vgl. BGH, WM 2017,145, Rn. 30).
b) Der Bundesgerichtshof hat mit dieser Entscheidung ausdrücklich klargestellt, dass sich eine Rückrufverpflichtung auch aus einem Werbeverbot ergeben kann. Vorliegend befindet sich der untersagte Aufdruck auf den Produkten. Durch die Auslieferung der Produkte mit dem untersagten Aufdruck hat die Schuldnerin die Gefahr begründet, dass der Einzelhandel die Produkte in ihrem Sortiment ausstellt und damit über die Produktverpackung gegenüber Kunden bewirbt. Sie hat auch die Gefahr begründet, dass diese unter Abbildung der streitgegenständlichen Produktverpackung im Internet und im Einzelhandel über Verkaufsständer beworben wird.
Deswegen war die Schuldnerin gehalten, durch einen Rückruf oder andere geeignete Maßnahmen darauf hinzuwirken, dass die Produkte in dieser Weise nicht mehr vertrieben werden. Ein Ersuchen an die Einzelhändler war vorliegend auch möglich und zumutbar. Zu einer eventuellen Unzumutbarkeit hat die Schuldnerin nicht vorgetragen.
c) Zwar beruft sie sich unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Senats (PharmaR 2003, 171) darauf, dass sie nicht verpflichtet sei, gegenüber ihren rechtlich selbständigen Abnehmern auf eine Rücklieferung der mit der beanstandeten Werbung versehenen Ware hinzuwirken. Dem ist jedoch nicht zu folgen. Der Senat hält mit Blick auf die bereits angeführte jüngste Entscheidung des Bundesgerichtshofes nicht an der zitierten Senatsrechtsprechung fest. Der Bundesgerichtshof hat dort entscheiden, dass die Unterlassungsverpflichtung auch dann, wenn keine rechtliche Handhabe dazu bestehe, die Verpflichtung einschließe, den Abnehmer um die Rückgabe der noch vorhandenen Produkte zu ersuchen, wenn dies möglich und zumutbar sei (vgl. BGH, WM 2017,145, Rn. 33). Letzteres ist im Streitfall nicht geschehen. Auch kann nicht festgestellt werden, dass ein entsprechendes Bemühen offensichtlich keine Erfolgsaussicht gehabt hätte.
3. Die Bemessung der Höhe des durch das Landgericht festgesetzten Ordnungsmittels wird durch die Schuldnerin nicht angegriffen. Diese ist im Ergebnis auch nicht zu beanstanden.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.