Online-Portal für Flugentschädigungen bedarf einer Inkassoerlaubnis

Landgericht Hamburg

Urteil v. 21.08.2018 - Az.: 312 O 89/18

Leitsatz

Online-Portal für Flugentschädigungen bedarf einer Inkassoerlaubnis

Tenor

1. Die einstweilige Verfügung der Kammer vom 14.3.2018 wird mit der Maßgabe bestätigt, dass hinter die Worte „in der Bundesrepublik Deutschland für“ die Worte „dort ansässige“ eingefügt werden.

2. Die Antragsgegnerin hat die weiteren Kosten des Verfahrens zu tragen.

Sachverhalt

Die Parteien streiten um die Erbringung von Inkassodienstleistungen im Zusammenhang mit der Einziehung von Entschädigungszahlungen deutscher Fluggäste nach der EU-Fluggastrechteverordnung.

Der Antragsteller ist Rechtsanwalt und berät seine Mandanten in Deutschland unter anderem bei der Durchsetzung von Ansprüchen aus der EU-Fluggastrechteverordnung (Verordnung (EG) Nr. 261/2004).

Die Antragsgegnerin ist ein Unternehmen mit Sitz in Hong Kong, das auf seiner Internetseite www….a..de u.a. deutschen Fluggästen die Einziehung von Ansprüchen aus der EU-Fluggastrechteverordnung anbietet. Dies geschieht entweder in der Form, dass sie sich eine Vollmacht zur Rechtsdurchsetzung erteilen lässt oder sie sich die Forderung zur Durchsetzung im eigenen Namen abtreten lässt. Im Falle einer erfolgreichen Durchsetzung der Ansprüche zahlt die Antragsgegnerin die Entschädigungssumme abzüglich einer Erfolgsprovision an die Geschädigten aus. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage AST 1 sowie die Anlagen AST 3 bis 6 Bezug genommen. Über eine Registrierung gemäß § 10 RDG verfügt die Antragsgegnerin nicht.

Der Antragsteller ist der Meinung, dass ihm gegen die Antragsgegnerin ein Unterlassungsanspruch nach §§ 8, 3, 3a UWG i.V.m. §§ 3, 10 Abs. 1 Nr. 1 RDG zustehe, da die Antragsgegnerin Inkassodienstleistungen nach deutschem Recht in Deutschland ohne die dafür notwendige Registrierung erbringe. Die Registrierungspflicht nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 RDG erfasse auch die Antragsgegnerin, da es sich bei der EU-Fluggastrechteverordnung um deutsches Recht im Sinne von § 1 Abs. 2 RDG handele.

Der Antragsteller mahnte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 14.2.2018 erfolglos ab (Anlagen AST 8 und AST 9). Daraufhin hat die Kammer der Antragsgegnerin mit einstweiliger Verfügung vom 14.3.2018 unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel verboten, in der Bundesrepublik Deutschland für Fluggäste Forderungen gegenüber Luftfahrtunternehmen wegen Nichtbeförderung, Annullierung oder Verspätung nach deutschem Recht einzuziehen, wenn sie

a) sich diese Forderungen der Fluggäste abtreten lässt oder
b) sich von den Fluggästen zur Einziehung der Forderungen bevollmächtigen lässt,

ohne über eine Registrierung für Inkassodienstleistungen nach § 10 Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) zu verfügen.

Hiergegen richtet sich der Widerspruch der Antragsgegnerin.

Der Antragsteller beantragt, wie erkannt.

Die Antragsgegnerin beantragt, die einstweilige Verfügung vom 14.03.2018 aufzuheben und die auf ihren Erlass gerichteten Anträge auch in der jetzigen Form zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin ist der Meinung, dass dem Antragsteller der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht zustehe. Das RDG sei auf den vorliegenden Sachverhalt nämlich nicht anwendbar. Es werde insoweit durch das Herkunftslandprinzip nach § 3 Abs. 2 TMG verdrängt, da die Antragsgegnerin ihre Dienstleistungen ausschließlich über das Internet anbiete. In diesem Zusammenhang behauptet die Antragsgegnerin, dass sie in Polen ihre größte Niederlassung mit ca. 600 Mitarbeitern habe, mit der Folge, dass die Zulässigkeit der streitgegenständlichen Leistungen nach polnischem Recht zu beurteilen sei. Eine Registrierungspflicht, wie es das RDG für Inkassodienstleistungen vorsehe, kenne das polnische Recht jedoch nicht. Die Antragsgegnerin habe auch eine Inkassoerlaubnis in Dänemark beantragt, deren Erteilung unmittelbar bevorstehe. 

Jedenfalls damit sei nachgewiesen, dass die Antragsgegnerin keine unqualifizierte Rechtsberatung betreibe. Darüber hinaus meint die Antragsgegnerin, dass der Anwendungsbereich des RDG auch deshalb nicht eröffnet sei, weil die Normen aus der EU-Fluggastrechteverordnung ausschließlich europäisches Recht und kein deutsches Recht seien. Außerdem sei der Tenor der einstweiligen Verfügung zu weit gefasst, da er auch Fälle erfasse, in denen die Antragsgegnerin von einem im Ausland ansässigen Kunden den Auftrag erhalten habe, Forderungen nach der Fluggastrechteverordnung in Deutschland einzuziehen. In solchen Fällen sei das RDG jedoch nicht anwendbar, da keine Beratung im deutschen Recht erfolge.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 13.6.2017 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die einstweilige Verfügung war mit der tenorierten Klarstellung zu bestätigen, da sie sich auch unter Berücksichtigung des Widerspruchsvorbringens als zu Recht ergangen erweist.

I.

Ein Verfügungsgrund ist gegeben, da die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG nicht widerlegt wurde.

II.

Dem Antragsteller steht ein Unterlassungsanspruch gegen die Antragsgegnerin nach §§ 8, 3, 3a UWG i.V.m. §§ 3, 10 Abs. 1 Nr. 1 RDG zu.

1.
Der Antragsteller berät deutsche Mandanten unter anderem bei der Durchsetzung von Ansprüchen aus der EU-Fluggastrechteverordnung und ist damit als Mitbewerber nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG berechtigt, wettbewerbsrechtliche Ansprüche gegen die Antragsgegnerin geltend zu machen.

2.
Durch die Einziehung von Forderungen nach der EU-Fluggastrechteverordnung in Deutschland für dort ansässige Verbraucher verstößt die Antragsgegnerin gegen § 3a UWG i.V.m. §§ 3, 10 Abs. 1 Nr. 1 RDG.

a) Bei § 10 RDG handelt es sich um eine das Marktverhalten regelnde Norm im Sinne von § 3a UWG (Köhler/Bornkamm, UWG, 36. Aufl. 2018, § 3a, Rn. 1.118 m.w.N.).

b) Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin ist der Anwendungsbereich des RDG vorliegend eröffnet und wird nicht durch § 3 Abs. 2 TMG verdrängt. Die grundsätzliche Frage, ob durch § 3 Abs. 2 TMG die Anwendbarkeit des RDG ausgeschlossen wird, kann vorliegend offen bleiben. Denn die Antragsgegnerin hat ihre Behauptung, sie habe in Polen ihre größte Niederlassung mit ca. 600 Mitarbeitern, nicht glaubhaft gemacht. Auch aufgrund der Nutzungsbedingungen der Antragsgegnerin auf ihrer Webseite (Anlage AST 1), welche als Sitz Hong Kong angeben, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Antragsgegnerin in einem EU-Mitgliedsstaat niedergelassen ist. Infolgedessen ist § 3 Abs. 2 TMG nicht anwendbar.

c) Auch der territoriale Anwendungsbereich des RDG ist eröffnet. § 1 Abs. 1 RDG setzt voraus, dass die außergerichtliche Rechtsdienstleistung in der Bundesrepublik Deutschland erbracht werden muss. Dies ist jedenfalls dann gegeben, wenn die Rechtsdienstleistung sich - wie vorliegend - an einen in Deutschland ansässigen Verbraucher richtet (Krenzler, RDG, 2. Aufl. 2017, § 1 Rn. 50 f., m.w.N.).

d) Der Anwendung des RDG steht auch nicht entgegen, dass die Antragsgegnerin ihre Dienstleistungen ausschließlich aus dem Ausland heraus erbringt und diese sich auf die EU-Fluggastrechteverordnung beziehen. Gemäß § 1 Abs. 2 RDG gilt das RDG, wenn eine Rechtsdienstleistung ausschließlich aus einem anderen Staat heraus erbracht wird, nur, wenn ihr Gegenstand deutsches Recht ist.

EU-Verordnungen wie die EU-Fluggastrechteverordnung, welche nach Art. 288 Abs. 2 AEUV unmittelbare Geltung in Deutschland beanspruchen, sind zwar dem Wortlaut nach kein deutsches Recht. Stellt man jedoch auf den Sinn und Zweck der Norm ab, so müssen auch EU-Verordnungen als deutsches Recht gelten. Denn durch die Harmonisierungsbestrebungen sind das nationale Recht und das Unionsrecht so stark miteinander verzahnt, dass es ansonsten zu willkürlichen Ergebnissen kommen würde. 

Auch kann ein Mandant bei der Beratung in deutscher Sprache häufig nicht erkennen, ob er im deutschen oder europäischen Recht beraten wird (Krenzler a.a.O. § 1 Rn. 97). Zudem ist aus der Gesetzesbegründung ersichtlich, dass die Beratung im ausländischen Recht durch einen im Ausland ansässigen Rechtsdienstleister deshalb vom Anwendungsbereich ausgenommen werden sollte, weil dann dem Mandanten allein aufgrund des Gegenstands der Rechtsberatung deutlich werde, dass er die Leistung eines ausländischen Anbieters in Anspruch nehme, auf welche das ausländische Berufsrecht Anwendung finde (BT-Drs. 18/11468 S. 13f). Dies ist bei den von der Antragsgegnerin in deutscher Sprache angebotenen Dienstleistungen zur EU-Fluggastrechteverordnung, die nach ihren AGB (Ziffer 8.2., Anlage AST 1) deutschem Recht unterliegen, jedoch nicht der Fall, was ebenfalls dafür spricht, im Rahmen des § 1 Abs. 2 RDG Unionsrecht als deutsches Recht zu behandeln.

Unabhängig von der Einordnung der EU-Fluggastrechteverordnung als deutsches Recht berät die Antragsgegnerin ihre in Deutschland ansässigen Kunden bei der Einziehung von Forderungen nach der EU-Fluggastrechteverordnung auch zu den damit zusammen hängenden prozessualen und materiell-rechtlichen Rechtsfragen, u.a. Verjährungsregeln (vgl. Anlage AST 3), welche sich nach deutschem Recht beurteilen (vgl. EuGH NJW 2013, 365). Auch aus diesem Grunde sind die Voraussetzungen von § 1 Abs. 2 RDG gegeben.

e) Die Antragsgegnerin verstößt gegen §§ 3, 10 Abs. 1 Nr.1 RDG, indem sie Inkassodienstleistungen für in Deutschland ansässige Fluggäste erbringt, ohne die hierfür erforderliche Registrierung zu besitzen. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass sowohl das Abtretungs- als auch das Vollmachtsmodell der Antragsgegnerin Inkassodienstleistungen im Sinne von § 10 Abs. 1 Nr. 1 RDG darstellen und damit einer Registrierung bedürfen. Für die Registrierung ist eine Reihe von Voraussetzungen zu erfüllen, die in § 12 RDG genannt sind. Angesichts des Zwecks des RDG, die Rechtsuchenden, den Rechtsverkehr und die Rechtsordnung vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen zu schützen, beeinträchtigt der Verstoß die Interessen von Verbrauchern und Mitbewerbern auch spürbar.

3.
Die einstweilige Verfügung ist auch nicht zu weit gefasst. Den Bedenken der Antragsgegnerin wurde durch die Ergänzung des Tenors Rechnung getragen. Die Kammer sieht darin keine kostenpflichtige Teilrücknahme, da sich aus der Antragsschrift, welche bei der Auslegung des Antrages herangezogen werden kann, ergibt, dass von Anfang an nur ein Verbot bezüglich in Deutschland ansässiger Fluggäste begehrt wurde.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.