Nichteinhaltung der handelsrechtlichen Publizitätspflicht kann Wettbewerbsverstoß sein
Leitsatz
Nichteinhaltung der handelsrechtlichen Publizitätspflicht kann Wettbewerbsverstoß sein
Tenor
Im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens wird der Verfügungsbeklagten bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgelds bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an einem ihrer Geschäftsführer, aufgegeben, es zu unterlassen, ihrer Publizitätspflicht im elektronischen Bundesanzeiger nicht dadurch zu genügen, dass sie dort die gesetzlich vorgesehenen Informationen im Sinne des § 325 Abs. 1 HGB veröffentlicht bzw., sofern die gesetzlichen Voraussetzungen für sie zutreffen, siehe § 326 Abs. 2 HGB, dort hinterlegt.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Verfügungsbeklagte.
Sachverhalt
Die Verfügungsklägerin mit Sitz in G in der Nähe von T vertreibt national sowie international ein Vakuum- und Dampfreinigungssystem für Luft und Raum. Die im Jahr 2014 gegründete Verfügungsbeklagte mit Sitz in T, deren einer Geschäftsführer früher bei der Verfügungsklägerin angestellt war, vertreibt weltweit Haushaltsprodukte (Marke "H"), darunter einen Wasserfilter mit Reverse-Osmosis-Technologie, ein Dampfreinigungsgerät sowie einen Wasserstaubsauger; ein Vertrieb in Deutschland findet nicht statt.
Mit Anwaltsschreiben vom 06.06.2016 mahnte die Verfügungsklägerin die Verfügungsbeklagte im Hinblick darauf ab, dass diese ihrer Publizitätspflicht nach §§ 325 ff. HGB für das Jahr 2014 nicht nachgekommen war, und forderte sie zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung bis zum 09.06.2016 und Ersatz außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten bis zum 13.06.2016 auf. Eine Reaktion der Verfügungsbeklagten hierauf gegenüber der Verfügungsklägerin erfolgte nicht.
Die Verfügungsklägerin beantragt, der Verfügungsbeklagten bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgelds bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten aufzugeben, es zu unterlassen, ihrer Publizitätspflicht im elektronischen Bundesanzeiger nicht dadurch zu genügen, dass sie dort die gesetzlich vorgesehenen Informationen im Sinne des § 325 Abs. 1 HGB veröffentlicht bzw., sofern die gesetzlichen Voraussetzungen für sie zutreffen, siehe § 326 Abs. 2 HGB, dort hinterlegt.
Die Verfügungsbeklagte beantragt, den Verfügungsantrag zurückzuweisen.
Sie macht geltend, die Gerichtswahl durch die Verfügungsklägerin mit Anrufung des Landgerichts Bonn sei im vorliegenden Fall rechtsmissbräuchlich. Der Antrag sei ferner unbegründet. § 325 HGB weise keine wettbewerbsrechtliche Schutzfunktion auf. Es handele sich um eine wertneutrale Ordnungsvorschrift, die nicht dem Schutz des Wettbewerbs diene und somit keine Vorschrift im Sinne des UWG darstelle. Zudem fehle es am Verfügungsgrund. Die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG sei widerlegt. Die Verfügungsklägerin beobachte die Verfügungsbeklagte bereits seit deren Gründung im Jahr 2014 sehr intensiv und ihr sei die fehlende Veröffentlichung bereits weit vor dem 06.06.2016 im Januar 2016 bekannt gewesen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll vom 27.07.2016 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Antrag ist zulässig, insbesondere ist das angerufene Landgericht Bonn gemäß §§ 13 Abs. 1, 14 Abs. 2 Satz 1 UWG sachlich und örtlich zuständig. Die Gerichtswahl durch die Verfügungsklägerin ist entgegen dem Vorbringen der Verfügungsbeklagten auch nicht rechtsmissbräuchlich. Zwar mag angesichts dessen, dass beide Parteien ihren Sitz in bzw. bei T haben, grundsätzlich eine Antragstellung beim dortigen Landgericht nahegelegen haben. Angesichts dessen, dass beim Landgericht Bonn eine bundesweite Spezialzuständigkeit für die Beschwerdeverfahren gemäß § 335a HGB gegen die vom Bundesamt für Justiz wegen Verstößen gegen die Publizitätspflicht festgesetzten Ordnungsgelder besteht und die Verfügungsklägerin geltend macht, das Landgericht Bonn habe zu Verstößen gegen die Bilanzierungspflicht in der Vergangenheit bereits richtungsweisende Urteile gefällt, so dass sie davon ausgehe, dass dieses Gericht über besondere Sachkompetenz verfüge, stellt sich die Gerichtswahl allerdings nicht als missbräuchlich dar.
Der Antrag ist auch begründet.
Die Verfügungsklägerin hat gegen die Verfügungsbeklagte hinsichtlich der Nichtoffenlegung für das Jahr 2014 einen wettbewerbsrechtlichen Abwehranspruch aus §§ 8 Abs. 1, 3 Abs. 1, 3a UWG.
Die Verfügungsklägerin ist nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG anspruchsberechtigt. Die Parteien sind Mitbewerber im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG. Sie vertreiben beide auf dem Weltmarkt Waren aus der gleichen Produktklasse, nämlich Vakuum- und Dampfreinigungssysteme bzw. Dampfreinigungsgeräte und Wasserstaubsauger. Sie sind damit auf demselben sachlich und räumlich relevanten Markt tätig und stehen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis (vgl. m.w.N. Köhler/Bornkamm, UWG, 34. Aufl. 2016, § 2 Rn. 91 ff., 96 ff., 108 ff.).
Die Nichterfüllung der Publizitätspflicht stellt einen Wettbewerbsverstoß gemäß § 3a UWG dar.
Die Vorschriften der §§ 325 ff. HGB sind Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 3a UWG.
Ob eine Norm eine Marktverhaltensregelung enthält, ist durch Auslegung zu ermitteln (Köhler/Bornkamm, UWG, 34. Aufl. 2016, § 3a Rn. 1.61). Eine Vorschrift wird nur dann von § 3a UWG erfasst, wenn sie zumindest auch den Schutz der Interessen der Marktteilnehmer bezweckt, mag sie auch in erster Linie die Interessen der Allgemeinheit im Auge haben (a.a.O. Rn. 1.64 f.). Es reicht dagegen nicht aus, dass sich die Vorschrift lediglich reflexartig zu Gunsten der Marktteilnehmer auswirkt (OLG Köln v. 20.02.2015, 6 U 118/14, WRP 2015, 616, zit. nach juris [Rn. 64]).Dem Interesse der Mitbewerber dient eine Norm dann, wenn sie die Freiheit ihrer wettbewerblichen Entfaltung schützt (BGH v. 02.12.2009, I ZR 152/07, GRUR 2010, 654, zit. nach juris [Rn. 18]). Das Interesse der Mitbewerber an der Einhaltung einer Vorschrift durch alle auf dem betreffenden Markt tätigen Unternehmen ist für sich allein dagegen nicht ausreichend, da die Schaffung gleicher Voraussetzungen für alle Mitbewerber in der Regel nicht der Zweck, sondern die Folge einer gesetzlichen Regelung ist, weshalb im Einzelfall zu prüfen ist, ob die Herstellung gleicher Wettbewerbsbedingungen Zweck oder nur Folge der jeweiligen Vorschrift ist (Köhler/Bornkamm, UWG, 34. Aufl. 2016, § 3a Rn. 1.66).
Der Zweck der Offenlegung nach §§ 325 ff. HGB ist zum einen der Funktionsschutz des Marktes und zum anderen der Individualschutz der Marktteilnehmer; Offenlegung bzw. Publizität bildet das Korrelat der Marktteilnahme (Merkt, in: Baumbach/Hopt, HGB, 36. Aufl. 2014, § 325 Rn. 1). Die Publizitätspflichten dienen insbesondere dem Schutz der Gläubiger und der übrigen Teilnehmer am Wirtschaftsleben, die so einen Einblick in die wirtschaftlichen Verhältnisse erhalten (OLG Köln v. 08.03.1991, 2 Wx 1/91, NJW-RR 1992, 486). Den Regelungen in §§ 325 ff. HGB kommt damit (auch) eine wettbewerbsrechtliche Schutzfunktion zu. Diese Auslegung findet Bestätigung in den von der Verfügungsklägerin in ihrem Schriftsatz vom 09.08.2016 zitierten Gesetzesmaterialien zum Kapitalgesellschaften- und Co-Richtlinie-Gesetz (KapCoRiLiG) aus dem Jahr 1999. So wird in dem Schreiben des BMJ vom 30.03.1999 (3507/20 - 320546/99, abrufbar unter http:// www.gmbhr.de/frueher/09_99/rechnung.htm) davon ausgegangen, dass bei einer Verletzung der Offenlegungspflicht eine Klage nach dem UWG möglich ist (siehe auch die Begründung zu dem diesem Schreiben beigefügten Gesetzentwurf, dort zu Art. 1, Nr. 12 - § 335 HGB, abrufbar unter http:// www.gmbhr.de/frueher/09_99/entwurf.htm). Nicht zuletzt ist diese Auslegung auch unionsrechtlich vorgegeben (siehe die sog. Daihatsu-Entscheidung des EuGH v. 04.12.1997, C-97/96, Slg. 1997, I-6843, zit. nach juris [Ls. 1, Rn. 18 ff.], sowie die vierte Begründungserwägung der Ersten Richtlinie 68/151/EWG v. 09.03.1968, ABl. Nr. L 65, 8, und die dritte Begründungserwägung der Vierten Richtlinie 78/660/EWG v. 25.07.1978, ABl. Nr. L 222, 11).
Vor dem Hintergrund des Vorstehenden hält die Kammer an der in der mündlichen Verhandlung am 27.07.2016 geäußerten abweichenden Rechtsauffassung nicht fest, sondern bejaht die Eigenschaft der §§ 325 ff. HGB als Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 3a UWG.
Die Eignung zur spürbaren Beeinträchtigung der Interessen der Marktteilnehmer ist durch den in der Nichterfüllung der Publizitätspflicht liegenden Verstoß gegen die Marktverhaltensregelungen indiziert (Köhler/Bornkamm, UWG, 34. Aufl. 2016, § 3a Rn. 1.112).
Der Verfügungsgrund wird gemäß § 12 Abs. 2 UWG vermutet. Entgegen dem Vorbringen der Verfügungsbeklagten ist diese Dringlichkeitsvermutung nicht widerlegt. Insbesondere sind keine hinreichend konkreten und belastbaren Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Verfügungsklägerin mehr als einen Monat zwischen der Kenntniserlangung von der Nichtoffenlegung und der Antragstellung ohne zwingende Gründe untätig hat verstreichen lassen (vgl. OLG Köln v. 14.03.2012, 6 W 42/12, GRUR-RR 2012, 480, zit. nach juris [Rn. 4 ff.]). Das Vorbringen der Verfügungsbeklagten reicht zur Glaubhaftmachung ihrer Behauptung, wonach die Nichtoffenlegung der Verfügungsbeklagten bereits im Januar 2016 bekannt gewesen sei, nicht aus. Letztlich vermutet die Verfügungsbeklagte diese frühe Kenntniserlangung auf Seiten der Verfügungsklägerin bloß. Allein daraus, dass zwischen den Parteien bzw. zwischen der Verfügungsklägerin und ihrem früheren Geschäftsführer und jetzigen Geschäftsführer der Verfügungsbeklagten Herrn M zahlreiche Rechtsstreitigkeiten geführt wurden bzw. werden und dass die Verfügungsklägerin die Verfügungsbeklagte seit deren Gründung intensiv beobachtet, lässt sich noch nicht mit der erforderlichen Belastbarkeit folgern, dass der Verfügungsbeklagten die Nichtoffenlegung schon im Januar und nicht etwa erst im Mai 2016 bekannt geworden ist, zumal auch die von der Verfügungsbeklagten vorgelegte E-Mail des Prozessbevollmächtigten der Verfügungsklägerin vom 03.07.2015 (Anl. AG 1, Bl. ## GA) im Zusammenhang mit anderen, bereits im Mai 2015 geltend gemachten vermeintlichen Wettbewerbsverstößen stand.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.