Klarnamenpflicht bei Facebook

Oberlandesgericht München

Urteil v. 08.12.2020 - Az.: 18 U 5493/19 Pre

Leitsatz

Klarnamenpflicht bei Facebook

Tenor

In dem Rechtsstreit (...)

wegen Freischaltung u.a. -

erlässt das Oberlandesgericht München - 18. Zivilsenat - durch (...) aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 01.09.2020 folgendes Endurteil

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts Ingolstadt vom 13.09.2019, Az. 31 O 227/18, dahin abgeändert, dass die Klage insgesamt abgewiesen wird.

2. Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

3. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

5. Die Revision wird zugelassen, soweit der Senat die Klage hinsichtlich des Klageantrages zu 1) (Freischaltung des Benutzerkontos der Klägerin) abgewiesen hat.
 

Entscheidungsgründe

I.

Die Klägerin macht gegen die Beklagte Ansprüche auf Freischaltung ihres unter dem Pseudonym „... angelegten Nutzerkontos auf der von der Beklagten betriebenen Plattform „Facebook“ sowie Ansprüche auf Schadensersatz und vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten geltend. Das Nutzerkonto der Klägerin wurde von der Beklagten am 19.01.2018 gesperrt, nachdem die Klägerin der Aufforderung der Beklagten, ihren Profilnamen zu ändern, nicht nachgekommen war.

Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes und der Anträge in erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Endurteils des Landgerichts Ingolstadt vom 13.09.2019 (Bl. 117/119 d.A.) Bezug genommen.

Das Landgericht hat der Klage nur im Hinblick auf die Freischaltung des klägerischen Nutzerkontos nebst anteiliger vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten stattgegeben und im Übrigen die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Der Klägerin stehe ein Anspruch auf Freischaltung ihres Nutzerkontos und Gewährung des unbeschränkten Zugriffs auf alle Kontofunktionen zu. Ziffer 4 der Geschäftsbedingungen der Beklagten, wonach Facebook-Nutzer ihre wahren Namen und Daten angäben, sei unwirksam (§ 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB), da diese Regelung gegen § 13 Abs. 6 Telemediengesetz (TMG) verstoße. Die Bereitstellung einer Anonymisierungs- bzw. Pseudonymisierungsmöglichkeit für ihre Nutzer sei der Beklagten nicht unzumutbar. Dies ergebe sich aus einer Abwägung der widerstreitenden Interesssen der Parteien. Zwar sei die Verwendung von Pseudonymen möglicherweise geeignet, „Cyber-Mobbing“ und „Hassrede“ zu fördern und zu einem „Radikalisierungseffekt“ beizutragen. Auch könne davon ausgegangen werden, dass die von der Beklagten verfolgte „Wahre-Namen-Politik“ derartigen Gefahren entgegenwirken könne. Dem stehe jedoch das Interesse der Nutzer und hier der Klägerin gegenüber, ihre Meinung nach außen hin auch anonym zu äußern und persönlich für andere Nutzer nicht ohne Weiteres identifizierbar zu sein. Dass die zuletzt genannten Interessen die der Beklagten überwögen, beruhe insbesondere darauf, dass es der Beklagten angesichts der unstreitigen und allgemein bekannten Verpflichtung jedes Nutzers, sich bei der Beklagten unter seinem wahren Namen anzumelden, ohne Weiteres möglich sei, die Identität des jeweiligen Nutzers zu ermitteln. Damit bestehe jedoch eine hinreichende Einflussmöglichkeit der Beklagten auf ihre Nutzer im Sinne der von ihr verfolgten Politik. Wegen der Unwirksamkeit von Ziffer 4 der Geschäftsbedingungen der Beklagten sei die Beklagte aus dem zwischen den Parteien bestehenden Vertragsverhältnis verpflichtet, der Klägerin die Nutzung von Facebook unter dem von der Klägerin gewählten Namen „...“ zu ermöglichen.

Ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von täglich ... € seit dem 19.01.2018 bestehe nicht. Ein vermögensrechtlicher Schaden der Klägerin durch die Sperrung ihres Nutzerkontos sei weder vorgetragen noch nachgewiesen. Zwar könne auch in Ausnahmefällen ein nicht vermögensrechtlicher Schaden einen Schadensersatzanspruch nach sich ziehen. Dies setze jedoch einen erheblichen Eingriff in Rechte des Verletzten voraus und erfordere eine Interessenabwägung. Hier fehle es an einem schweren Eingriff in Rechte der Klägerin. Ihr könne zugemutet werden, bis zur (ggf. vorläufigen) Vollstreckung eines Urteils auf die Nutzung von Facebook zu verzichten. Eine Kommunikation mit Dritten auf anderem Wege sei nicht ausgeschlossen.

Ergänzend wird auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils (Bl. 120/123 d.A.) verwiesen.

Gegen dieses Urteil haben beide Parteien form- und fristgerecht Berufung eingelegt.

Die Klägerin verfolgt mit ihrer Berufung zuletzt den vom Landgericht abgewiesenen Antrag auf Schadensersatz weiter. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus:
Das Landgericht habe die immense Bedeutung der Plattform der Beklagten und deren Marktstellung nicht berücksichtigt. Ein vorübergehender Ausschluss von der möglichen Kommunikation über dieses soziale Netzwerk sei für eine Privatperson gleichzusetzen mit dem Verlust des Internetzugangs bzw. des Telefonanschlusses. Das Landgericht habe ferner die vertraglichen Hauptleistungspflichten aus dem Nutzungsverhältnis verkannt. Der Vertrag zwischen der Beklagten und dem einzelnen Nutzer habe Entgeltcharakter.

Die Klägerin habe einen Anspruch auf Geldentschädigung wegen Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Von einem schwerwiegenden Eingriff sei angesichts der 30-tägigen (richtig wohl: monatelangen) Versetzung in den Nur-Lese-Modus auszugehen. Bei der Sperrung von Nutzerkonten handele es sich um einen unverhältnismäßigen und erheblichen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Nutzer. Die Klägerin habe im Rahmen ihrer Anhörung vorgetragen, dass sie vor der Sperre jeden Tag online gewesen sei und weltweit Freunde und Bekannte habe, mit denen sie täglich über Facebook kommuniziere. Durch die unerwartete Sperre ohne Ankündigung sei es der Klägerin nicht mehr möglich gewesen, einen alternativen Zugriff auf ihre höchstpersönlichen Daten und Inhalte bzw. einen anderen Kommunikationsweg, insbesondere auch zu ihrer Familie einzurichten. Zudem bestehe keine Möglichkeit, die Verletzung des Persönlichkeitsrechts auf andere Weise auszugleichen.

Die Beklagte schulde Schadensersatz auch als fiktive Lizenzgebühr, da sie die vom Nutzer erteilte Lizenz trotz mangelnder Gegenleistung während des Sperrzeitraums weiter nutze. Insbesondere nutze sie die vom Nutzer bereitgestellten Inhalte für Werbezwecke. Dies stelle eine nicht genehmigte kommerzielle Verwertung der persönlichen Inhalte des Nutzers dar, die die Zahlung eines Schadensersatzes rechtfertige.

Zudem stehe der Klägerin ein Schadensersatzanspruch nach Art. 82 Abs. 2 Satz 1 Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) zu. Eine Verarbeitung habe hier in Form der Sperrung des Nutzerkontos, mithin einer Einschränkung der Verarbeitung, stattgefunden. Die vom Nutzer erteilte Einwilligung in die Datenverarbeitung sei auf Grundlage der Nutzungsbedingungen und damit unter der Bedingung erfolgt, dass die Beklagte ihrerseits ihre vertraglichen Verpflichtungen erfülle.

Nachdem die Klägerin mit ihrer Berufung zunächst wie in erster Instanz Schadensersatz in Höhe von ... € pro Tag ab dem 19.01.2018 bis zur Wiederherstellung des Kontos sowie weitere vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten begehrt hat, hat sie die Berufung mit Schriftsatz vom 24.07.2020 (Bl    d.A.) teilweise zurückgenommen. 

Die Klägerin beantragt zuletzt:
1.    Das Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom 13.09.2019, Az. 31 O 227/18, wird teilweise abgeändert.
2.    Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Schadensersatz in Höhe von ... € zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.09.2019 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt:
1.    Das Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom 13.09.2019 (Az. 31 O 227/18) wird in Ziffer 1 und 2 des Tenors aufgehoben und die Klage insoweit abgewiesen.
2.    Die Berufung der Klägerin vom 02.10.2019 wird abgewiesen und das Urteil des Landgerichts Ingolstadt insoweit aufrechterhalten.

Die Klägerin beantragt:
Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Hilfsweise: Der Tenor des Urteils des Landgerichts Ingolstadt vom 13.09.2019, Az. 31 O 227/18, wird wie folgt neu gefasst:
Der Beklagten wird aufgegeben, das über die E-Mail-Adresse ... angelegte Benutzerkonto der Klägerin auf der Plattform www.facebook.com für die Klägerin freizuschalten und ihr unbeschränkten Zugriff auf die Funktionen des Kontos zu gewähren, namentlich:
-    Verwendung des Nachrichtensystems (“Messenger“)
-    Einstellen von Beiträgen (Texte, Videos und Bilder) auf der eigenen Seite
-    Beitritt zu Gruppen, sofern die Gruppe dies gestattet
-    Markieren von anderen Nutzern oder Seiten oder einzelnen Beiträgen, sofern diese anderen Nutzer dies gestatten
-    Kommentieren bei anderen Nutzern, sofern diese anderen Nutzer dies gestatten.

Die Beklagte verfolgt mit ihrer Berufung ihr erstinstanzliches Ziel der (vollständigen) Klageabweisung weiter. Zur Begründung ihres Rechtsmittels führt sie im Wesentlichen aus:

Die Klägerin habe der sog. Klarnamen-Richtlinie bei Facebook ausdrücklich zugestimmt. Die Klarnamen-Richtlinie spiegele die Absicht der Beklagten wider, die Privatsphäre der Nutzer zu fördern und Sicherheit zu schaffen. Sie sei ein substantielles Merkmal des Facebook-Dienstes seit seiner Gründung, das Schutz vor Cyberbullying, Belästigung, Hassrede und anderen verletzenden Verhaltensweisen ermögliche. Nutzer könnten dadurch für das, was sie online tun 
und sagen, stärker in die Verantwortung genommen werden. Die Hemmschwelle in Bezug auf unangemessene, beleidigende und strafbare Äußerungen gegenüber Dritten sei bei der Verwendung des wahren Namens höher als bei Verwendung eines Pseudonyms.

§ 13 Abs. 6 TMG sei mit den Grundsätzen des europäischen Datenschutzrechts - der früheren Datenschutzrichtlinie 95/46/EG und nunmehr der aktuellen Datenschutzgrundverordnung - nicht vereinbar. Aus der Zielsetzung der DSGVO, insbesondere aus Erwägungsgrund Nr. 9 und 10 ergebe sich ein klares Verbot nationaler Rechtsvorschriften, die dem Ziel entgegenstünden, ein einheitliches Datenschutzniveau zu schaffen und Hindernisse für den freien Verkehr personenbezogener Daten innerhalb der Union zu beseitigen. § 13 Abs. 6 TMG, der keine Grundlage in der DSGVO oder einer anderen europäischen Gesetzgebung finde, behindere gerade den freien Datenfluss und erhöhe das Datenschutzniveau über das nach der DSGVO zulässige Maß hinaus. Literatur und Datenschutzbehörden seien sich daher einig, dass § 13 Abs. 6 TMG mit Einführung der DSGVO erloschen sei. Selbst wenn man hiervon nicht ausgehe, so dürfe § 13 Abs. 6 TMG im Hinblick auf das Herkunftslandprinzip nach § 3 TMG im konkreten Fall nicht angewendet werden.

Im Übrigen sei die Klarnamen-Richtlinie Teil der Leistungsbeschreibung und damit von der Inhaltskontrolle für allgemeine Geschäftsbedingungen ausgeschlossen. Ungeachtet dessen sei sie hinreichend transparent im Sinne von § 307 BGB. Selbst wenn § 13 Abs. 6 TMG aber noch anwendbar sein sollte, werde dieser durch die Klarnamen-Richtlinie nicht verletzt. Es sei der Beklagten angesichts des damit bezweckten Schutzes nicht zumutbar, die anonyme Nutzung des Facebook-Dienstes zu ermöglichen.

In Erwiderung auf die klägerische Berufung verteidigt die Beklagte im Hinblick auf den abgewiesenen Schadensersatzanspruch im Wesentlichen das erstinstanzliche Urteil und führt ergänzend aus, dass der Schadensersatzanspruch bereits inhaltlich nicht hinreichend bestimmt sei, da die Klägerin fünf unterschiedliche Anspruchsgrundlagen mit unterschiedlichen Lebenssachverhalten gleichzeitig und gleichrangig benenne. Im Übrigen sei der Klägerin kein Vermögensschaden entstanden. Auch eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts liege nicht vor. Angesichts der erteilten Zustimmung der Klägerin scheide ein Anspruch auf Ersatz einer fiktiven Lizenzgebühr aus. Die klägerische Schadensersatzforderung falle ferner nicht in den Anwendungsbereich des Art. 82 DSGVO. Eine Monopol- oder marktbeherrschende Stellung im Hinblick auf die Verbreitung von Meinungen habe Facebook entgegen der Auffassung der Klägerin nicht. Ihr stehe es frei, ihre Meinung an anderer Stelle zu äußern.

Die Klägerin stellt in Erwiderung auf die Berufung der Beklagten insbesondere in Abrede, dass die Klarnamenpflicht ein wichtiges Mittel sei, das Schutz vor Cyberbullying, Belästigung und Hassrede ermögliche. Der „Hemmungseffekt“ im Hinblick auf verletzendes Handeln trete bereits dadurch ein, dass jedem Nutzer bekannt sei, dass er sich mit einer ihm zuordenbaren E-Mail-Adresse oder Telefonnummer auf der Plattform der Beklagten anmelde und somit 
sämtliche Verstöße zu ihm zurückverfolgt werden könnten. Die DSGVO spreche in ihren Erwägungsgründen auch den Schutz der Grundrechte und Grundfreiheiten an. Die Anonymität im Internet betreffe zumindest das Grundrecht auf Meinungsfreiheit und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung als besondere Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts.

Auf den Hinweis der Berichterstatterin vom 17.07.2020 (Bl. ... d.A.), auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, hat die Beklagte ihr Vorbringen zu § 13 Abs. 6 TMG im Wesentlichen wie folgt ergänzt:

§ 13 Abs. 6 TMG sei als ausschließlich datenschutzrechtliche Vorschrift zu qualifizieren und falle in den Anwendungsbereich der DSGVO. Die DSGVO harmonisiere das Datenschutzrecht in den EU-Mitgliedstaaten vollständig und umfassend und lasse außerhalb der in ihr enthaltenen Öffnungsklauseln keinen Raum für abweichendes nationales Recht. Insbesondere habe der EU-Gesetzgeber keine dem § 13 Abs. 6 TMG vergleichbare Verpflichtung (oder auch nur eine klare Präferenz für eine pseudonymisierte Nutzung von Diensten) in die DSGVO aufgenommen, obwohl es im Gesetzgebungsverfahren entsprechende nachdrückliche Anregungen von deutscher Seite gegeben habe. Dies habe zur Folge, dass § 13 Abs. 6 TMG nicht mehr anzuwenden sei, selbst wenn der deutsche Gesetzgeber dem Normaufhebungsgebot nach Inkrafttreten der Datenschutzgrundverordnung nicht nachgekommen sei. Im Übrigen fehle es aber auch inhaltlich an einem Verstoß gegen § 13 Abs. 6 TMG, da die Verwendung wahrer Identitäten ein zentraler Baustein des Facebook-Dienstes und einer der Hauptgründe seines weltweiten Erfolges sei. Die Beklagte habe diese Entscheidung ganz bewusst getroffen, anders sei es zum Beispiel in Bezug auf den Dienst Instagram der Facebook-Unternehmensgruppe, der es erlaube, Profile mit Aliasnamen zu erstellen, sowie in Bezug auf die meisten anderen Telemedien, wie Bewertungsplattformen, Streaming- Dienste, politische Blogs, Suchmaschinen, Webmail-Dienste, Podcasts, etc..

Dem ist die Klägerin unter Verweis darauf entgegen getreten, dass es sich bei § 13 Abs. 6 TMG keineswegs nur um eine datenschutzrechtliche Regelung, sondern um eine Norm zur Sicherung der Meinungsäußerungsfreiheit handele. Selbst wenn man aber unterstelle, dass § 13 Abs. 6 TMG nicht anwendbar wäre, läge jedenfalls im Hinblick auf die Vorgaben der DSGVO keine wirksame Einwilligung vor.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die Schriftsätze der Klägerin vom 06.12.2019 (Bl. ... d.A.), 30.01.2020 (Bl. ... d.A.), 24.07.2020 (Bl. ... d.A) und 28.09.2020 (Bl. ... d.A.), die Schriftsätze der Beklagten vom 20.12.2019 (Bl. ... d.A.) und 17.08.2020 (Bl. ... d.A.) sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 01.09.2020 (Bl. ... d.A.), jeweils mit den zugehörigen Anlagen, verwiesen. 

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und in vollem Umfang begründet.

II.

1.
Die internationale Zuständigkeit des Landgerichts Ingolstadt, die auch im Berufungsverfahren von Amts wegen zu prüfen ist (vgl. BGH, Urteil vom 28.11.2002 - III ZR 102/02, NJW 2003, 426 m.w.N.), ist zu bejahen.

Maßgeblich ist die Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO), weil die Beklagte ihren Sitz in Irland und damit in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union hat. Im Rahmen der Zuständigkeitsprüfung kann dahinstehen, ob es sich bei den streitgegenständlichen Ansprüchen um vertragliche Ansprüche oder um Ansprüche aus unerlaubter Handlung handelt, denn in beiden Fällen wäre das Landgericht Ingolstadt örtlich und damit auch international zuständig.

Eine Vertragspflicht der Beklagten im Sinne von Art. 7 Nr. 1 lit. a EuGVVO auf Bereitstellung von „Facebook-Diensten“ wäre mangels einer abweichenden Vereinbarung der Vertragsparteien kraft Natur der Sache am Wohnsitz der Klägerin zu erfüllen.

Falls die Sperrung des klägerischen Nutzerkontos ein „schädigendes Ereignis“ im Sinne von Art. 7 Nr. 2 EuGVVO darstellen sollte, träte auch dieses primär am Wohnsitz der Klägerin ein. Denn dort käme es zur Kollision der widerstreitenden Interessen der Parteien, der Klägerin auf Meinungsfreiheit und Schutz ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts und der Beklagten auf Wahrung ihrer Gemeinschaftsstandards (vgl. zur Bedeutung dieses Gesichtspunkts für die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte im Falle einer Klage wegen einer Persönlichkeitsverletzung durch eine im Internet abrufbare Veröffentlichung BGH, Urteil vom 2.3.2010 - VI ZR 23/09, BGHZ 184, 313, juris Rn. 20 ff.).

2.
Entgegen der Ansicht des Landgerichts steht der Klägerin kein Anspruch auf
Freischaltung ihres unter dem Pseudonym „...“ angelegten Nutzerkontos aus § 280 Abs. 1, § 249 Abs. 1 BGB zu. Die in Ziffer 4 der maßgeblichen Nutzungsbedingungen der Beklagten (Anlage KTB 1, Stand:    30.01.2015) statuierte Verpflichtung der
Facebook-Nutzer, ihre wahren Namen und Daten anzugeben, hält der rechtlichen Überprüfung stand.

1) Als Grundlage für den Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Freischaltung ihres Nutzerkontos kommt allein der Erfüllungsanspruch aus dem Vertrag, durch den sich die Beklagte als Plattformbetreiberin verpflichtet hat, der Klägerin die Nutzung der von ihr angebotenen Dienste zu ermöglichen, und den die Beklagte durch eine rechtswidrige Sperrung verletzt hätte, in Betracht.

1)    Die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche sind nach deutschem  Recht zu beurteilen. Dies ergibt sich aus Art. 3 Abs. 1 Rom-I-VO in Verbindung mit der Rechtswahl    in Ziffer 5 der besonderen Nutzungsbedingungen der Beklagten für Nutzer mit Wohnsitz in Deutschland (Anlage KTB 2).

1) Zwischen den Parteien besteht unstreitig ein Vertragsverhältnis. Die Beklagte bietet ihren Nutzern unter der Bezeichnung „Facebook-Dienste“ Funktionen und Dienstleistungen an, die sie unter anderem über ihre Webseite unter www.facebook.com bereitstellt (vgl. Ziffer 17.1 der Anlage KTB 1). Insbesondere eröffnet sie ihren Nutzern die Möglichkeit, innerhalb ihres eigenen Profils Beiträge zu posten und die Beiträge anderer Nutzer zu kommentieren, soweit diese eine Kommentierung zulassen, oder mit verschiedenen Symbolen zu bewerten.

Für die von ihr angebotenen Dienste beansprucht die Beklagte kein Entgelt, weshalb der Nutzungsvertrag nicht als Dienstvertrag im Sinne von § 611 BGB eingeordnet werden kann. Es dürfte sich vielmehr um einen Vertrag sui generis handeln. Das ausführliche Regelwerk der Beklagten (Anlagen KTB 1 bis KTB 3) lässt jedenfalls erkennen, dass die Beklagte ihre Dienste mit Rechtsbindungswillen anbietet.

1)    Bei der im Streit stehenden Klausel unter Ziffer 4 der Nutzungsbedingungen handelt es sich auch nicht um einen Teil der Leistungsbeschreibung, die gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB der Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB entzogen wäre.

Nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB gelten die Absätze 1 und 2 der Vorschrift sowie die §§    308 und 309 BGB nur für Bestimmungen in Allgemeinen
Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Klauseln, die Art, Umfang und Güte der vertraglichen Hauptleistung und der hierfür zu bezahlenden Vergütung unmittelbar bestimmen (Leistungsbeschreibungen und Preisvereinbarungen) sind dagegen von der Inhaltskontrolle ausgenommen. Es ist nach dem im Bürgerlichen Recht geltenden Grundsatz der Privatautonomie den Vertragsparteien im Allgemeinen freigestellt, Leistung und Gegenleistung zu bestimmen; mangels gesetzlicher Vorgaben fehlt es insoweit regelmäßig auch an einem Kontrollmaßstab. Die Freistellung von der Inhaltskontrolle gilt jedoch nur für Abreden über den unmittelbaren Leistungsgegenstand, während Regelungen, die die Leistungspflicht des Verwenders einschränken, verändern, ausgestalten oder modifizieren, inhaltlich zu kontrollieren sind. Damit bleibt für die der Überprüfung entzogene Leistungsbeschreibung nur der enge Bereich von Regelungen, ohne deren Vorliegen mangels Bestimmtheit des wesentlichen Vertragsinhalts ein wirksamer Vertrag nicht mehr angenommen werden kann (BGH, Urteil vom
05.10.2017    - III ZR 56/17, NJW 2018,    535, juris Rn. 15    m.w.N.; Palandt-Grüneberg, BGB, 79. Aufl. 2020, § 307 Rn. 44).

Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs stellt allein die jeweilige Umschreibung der von der Beklagten angebotenen „Facebook-Dienste“ entsprechend den Definitionen unter Ziffer 17 der Nutzungsbedingungen (Anlage KTB 1) eine der Inhaltskontrolle entzogene Leistungsbeschreibung dar. Mit der unter Ziffer 3 der Nutzungsbedingungen geregelten Verpflichtung zur Verwendung des auch im täglichen    Leben    verwendeten    Namens    wird    dagegen    das Hauptleistungsversprechen der Beklagten gegenüber ihren Nutzern, die angebotenen Dienste nutzen zu können, inhaltlich ausgestaltet und hinsichtlich der Verwendung von Pseudonymen eingeschränkt. Diese Klausel unterfällt nicht dem Ausnahmetatbestand des § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB.

1)    Entgegen der Ansicht des Landgerichts hält die Klausel der Inhaltskontrolle stand.

Die in Ziffer 4 vorgesehene Verpflichtung des Nutzers zur Angabe seines wahren Namens benachteiligt diesen nicht entgegen den Geboten von Treu und Glauben in unangemessener Weise (§ 307 Abs. 1 und 2 BGB).

1)    Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) ist
nicht ersichtlich. Die unter Ziffer 3 der Nutzungsbedingungen geregelte Verpflichtung, auf „Facebook“ denselben Namen zu verwenden, den der Nutzer auch im täglichen Leben verwendet, ist klar und verständlich formuliert.

1)    Die Klausel ist auch nicht im Sinne von § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Bestimmung des § 13 Abs. 6 Satz 1 TMG unvereinbar.

(1)    Die Entbehrlichkeit einer Prüfung am Maßstab § 13 Abs. 6 Satz 1 TMG ergibt sich zwar nicht bereits aus dem in § 3 Abs. 2 Satz 1 TMG anerkannten Herkunftslandprinzip in Verbindung mit dem Umstand, dass das irische Recht keine § 13 Abs. 6 TMG entsprechende Verpflichtung des Diensteanbieters kennt, die Nutzung von Telemedien unter einem Pseudonym zu ermöglichen. Denn die Beklagte hat unter Ziffer 5 der besonderen Nutzungsbedingungen der Beklagten für Nutzer mit Wohnsitz in Deutschland (Anlage KTB 2) ausdrücklich die Geltung deutschen Rechts vereinbart (§ 3 Abs. 3 Nr. 1 TMG). Auf das Vertragsverhältnis der Parteien findet deshalb grundsätzlich auch § 13 Abs. 6 Satz 1 TMG Anwendung, soweit diese Bestimmung nicht durch den Anwendungsvorrang höherrangigen Rechts, insbesondere der seit dem 25.05.2018 in jedem Mitgliedstaat geltenden Datenschutzgrundverordnung, verdrängt wird.

Entgegen der Ansicht der Beklagten kann im Rahmen der getroffenen Rechtswahl nicht zwischen „vertraglichen“ und „datenschutzrechtlichen“ Gesetzesbestimmungen differenziert werden. Dem Wortlaut von Ziffer 5 der besonderen Nutzungsbedingungen für Nutzer mit Wohnsitz in Deutschland gemäß Anlage KTB 2 lässt sich eine solche Unterscheidung nicht entnehmen. Dies gilt umso mehr, als Ziffer 5 die in den allgemeinen Nutzungsbedingungen der Beklagten gemäß Anlage KTB 1 enthaltene Ziffer 15.1 vollständig ersetzen soll, so dass auch der Inhalt dieser Ziffer in die Auslegung miteinzubeziehen ist. Darin kommt insbesondere zum Ausdruck, dass die Gesetze der vereinbarten Rechtsordnung umfassend für alle Ansprüche, die möglicherweise zwischen dem Nutzer und der Beklagten entstehen, gelten sollen.

Unabhängig davon verpflichtet §    13 Abs. 6 Satz 1 TMG den Diensteanbieter dazu, die Nutzung von Telemedien anonym oder unter einem Pseudonym zu ermöglichen, soweit dies technisch möglich und ihm zumutbar ist. Dieser Verpflichtung korrespondiert ein entsprechender Anspruch des Nutzers gegen den Diensteanbieter, weshalb die Bestimmung nach der Terminologie der Beklagten zumindest auch „vertraglichen“ Charakter trägt.

(2)    Die Vorschrift des § 13 Abs. 6 Satz 1 TMG wird entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht durch den Anwendungsvorrang der Datenschutzgrundverordnung verdrängt. Das liegt aber nur daran, dass ein Widerspruch zwischen den vorrangigen Bestimmungen der Datenschutzgrundverordnung und §    13
Abs. 6 Satz 1 TMG jedenfalls durch die gebotene unionsrechtskonforme Auslegung dieser Vorschrift vermieden werden kann. Im Hinblick auf die zwingenden Vorgaben des europäischen Datenschutzrechts hat das Landgericht zu Unrecht festgestellt, dass es der Beklagten zumutbar sei, ihren Nutzern eine Anonymisierungs- bzw. Pseudonymisierungsmöglichkeit bereitzustellen.

(i)    Seit dem 25. Mai 2018 ist die Datenschutzgrundverordnung in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat der Europäischen Union (Art. 99 Abs. 2 DSGVO). Nationale Datenschutzgesetze können lediglich nationale Ausführungs-, Durchführungs- und Spezialbestimmungen enthalten und gelten nur subsidiär (§    1 Abs. 3 BDSG). Daraus folgt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung aber nicht, dass die nationalen Datenschutzvorschriften von vornherein keine Anwendung mehr fänden (vgl. hierzu und im Folgenden: BGH, Urteil vom 24.09.2019 - VI ZB 39/18, BGHZ 223,    168, juris Rn. 31 f. m.w.N.). 

Ein Anwendungsvorrang der
Datenschutzgrundverordnung kommt vielmehr nur in Betracht, soweit zwischen dem unmittelbar anwendbaren Recht der Europäischen Union und dem nationalen deutschen Recht ein Widerspruch auftritt (BGH, Urteil vom 05.07.2007 - IX ZR 256/06, BGHZ 173, 129, juris Rn. 22 m.w.N.). Das supranational begründete Recht der Europäischen Union entfaltet gegenüber dem mitgliedstaatlichen Recht keine rechtsvernichtende (derogierende) Wirkung, sondern drängt nur dessen Anwendung soweit zurück, wie es die Verträge erfordern und es die durch das Zustimmungsgesetz erteilten Rechtsanwendungsbefehle erlauben (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.07.2011 - 1 BvR 1916/09, BVerfGE 129, 78, Rn. 81). Dabei ist es Sache der innerstaatlichen Gerichte, die Vorschriften des nationalen Rechts soweit wie möglich derart auszulegen, dass sie in einer zur Verwirklichung des Unionsrechts beitragenden Art und Weise angewandt werden können (BGH, Urteil vom 24.09.2019 - VI ZB 39/18, BGHZ 223, 168, juris Rn. 32; EuGH, Urteil vom 11.11.2015 - C-505/14, ZfIR 2016, 164, Rn. 31 ff.).

(ii)    §    13 Abs. 6 TMG ist als datenschutzrechtliche Regelung zu qualifizieren. Die im Hinweis der Berichterstatterin vom 17.07.2020 geäußerten Bedenken (a.a.O., S. 3) hält der Senat - wie bereits im Berufungstermin mitgeteilt - angesichts der zutreffenden Ausführungen der Beklagten zur Entstehungsgeschichte der Norm nicht aufrecht.

Eine Bestimmung mit entsprechendem Regelungsgehalt wurde erstmals im Jahre 1997 mit § 4 Abs. 1 des früheren Teledienstdatenschutzgesetzes (TDDSG) eingeführt. Ausweislich der Gesetzesbegründung verfolgte der Gesetzgeber mit dieser Bestimmung das Ziel der Datenminimierung bzw. -vermeidung (BT-Drucks. 13/7385, S. 7, 23). Bei der Verabschiedung des Telemediengesetzes im Jahre 2006 wurden die Datenschutzvorschriften des Teledienstdatenschutzgesetzes unverändert in das neue Gesetz übernommen (BT-Drucks. 16/3078, S. 9, 12, 15). Der datenschutzrechtliche Charakter von § 13 Abs. 6 Satz 1 TMG ergibt sich auch aus der systematischen Stellung der Vorschrift im Abschnitt 4 - Datenschutz des Gesetzes.

Der Senat hält auch nicht an der im Hinweis vom 17.07.2020 geäußerten vorläufigen Auffassung fest, dass die Frage, ob der Nutzer einer Social-Media-Plattform die ihm angebotenen Dienste anonym oder unter einem Pseudonym nutzen könne, im Vorfeld der Datenverarbeitung angesiedelt sei. Denn mit der anonymen oder pseudonymen Nutzung von Telemedien verfolgt der Nutzer jedenfalls auch das Ziel, die Preisgabe seiner persönlichen Daten zu vermeiden bzw. zu minimieren. Damit unterfällt der Regelungsgehalt des § 13 Abs. 6 Satz 1 TMG dem Anwendungsbereich der Datenschutzgrundverordnung.

Der Bundesgerichtshof hat zwar in seinem Urteil vom 23.06.2009 (Az.: VI ZR 196/08, BGHZ 181, 328, „spickmich“) seine Auffassung bestätigt, dass dem Internet eine anonyme Nutzung immanent sei. Eine Beschränkung der Meinungsäußerungsfreiheit auf Äußerungen, die einem bestimmten Individuum zugeordnet werden könnten, sei mit Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht vereinbar (BGH a.a.O., Rn. 38). Hieraus kann jedoch nicht abgeleitet werden, dass § 13 Abs. 6 Satz 1 TMG vorrangig dem Schutz der Meinungsäußerungsfreiheit dienen soll. Der Bundesgerichtshof führt vielmehr aus, dass die Vorschriften der §§ 12 ff. TMG dem Schutz der Nutzerdaten gegenüber dem Diensteanbieter dienen (BGH a.a.O.).

(iii)    Die durch §    13 Abs. 6 Satz 1 TMG statuierte Verpflichtung des Diensteanbieters, grundsätzlich eine anonyme oder pseudonyme Nutzung von Telemedien zu ermöglichen, steht im Konflikt mit den Bestimmungen der Datenschutzgrundverordnung.

Die Datenschutzgrundverordnung enthält keine dem § 13 Abs. 6 Satz 1 TMG entsprechende Bestimmung. Es bedarf keiner näheren Erörterung, ob dieser Umstand für sich genommen ausreichen würde, um einen Widerspruch zwischen der nationalen Gesetzesbestimmung und dem europäischen Datenschutzrecht zu begründen. Denn der von der Beklagten referierten Entstehungsgeschichte der Datenschutzgrundverordnung lässt sich entnehmen, dass der europäische Normgeber bewusst davon abgesehen hat, dem Anbieter von Telemedien die Verpflichtung aufzuerlegen, die Nutzung von Telemedien anonym oder unter einem Pseudonym zu ermöglichen.

Wie die Beklagte zutreffend ausführt, wurde im Rahmen des europäischen Normsetzungsverfahrens von deutscher Seite versucht, ein Recht auf pseudonyme Nutzung in die Verordnung aufzunehmen. Ein Arbeitspapier der deutschen Delegation vom 24.10.2014 zum Thema Pseudonymisierung in der Arbeitsgruppe „Informationsaustausch und Datenschutz“ des Rates der Europäischen Union (Dok. 14705/14) enthielt den Vorschlag für einen Art. 7a, der ausdrücklich ein „Right to use aliases in information society services“ vorsah. Des Weiteren sprach sich die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder am 14.10.2015 dafür aus, zum Schutz der Privatsphäre der Telemediennutzer eine Bestimmung aufzunehmen, die zumindest bei zu privaten Zwecken genutzten Telemedien innerhalb der Europäischen Union ein Recht auf pseudonyme Nutzung verbindlich statuiert (vgl. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder vom 14.08.2015, Datenschutzrechtliche Kernpunkte für die Trilogverhandlungen zur Datenschutz-Grundverordnung, S. 15 Ziff. 14).

Die deutschen Vorschläge haben in die Datenschutzgrundverordnung allerdings keinen Eingang gefunden. Vielmehr wird die Pseudonymisierung in Art. 25 Abs. 1 und Art. 32 Abs. 1 DSGVO nur als eine mögliche geeignete (technische und organisatorische) Maßnahme zur Datenminimierung oder für eine sichere Datenverarbeitung genannt, wobei die Entscheidung dem für die Datenverarbeitung Verantwortlichen übertragen und gerade keine diesbezügliche Verpflichtung begründet wird.
Im Hinblick auf den Gang des Normsetzungsverfahrens kann das Schweigen der Datenschutzgrundverordnung in Bezug auf ein Recht des Nutzers auf eine pseudonyme Nutzung von Telemedien mithin als „beredt“ angesehen werden. Dies hat zur Folge, dass auch insoweit von einer abschließenden    Regelung    der    Materie    durch    die
Datenschutzgrundverordnung auszugehen ist, welche grundsätzlich einer abweichenden nationalen Regelung entgegensteht.

(iv) Der Widerspruch zwischen der Regelung des § 13 Abs. 6 Satz 1 TMG und den Bestimmungen der Datenschutzgrundverordnung    kann    jedoch    durch    eine
unionsrechtskonforme Auslegung der erstgenannten Vorschrift aufgelöst werden.

§13 Abs. 6 Satz 1 TMG verpflichtet den Anbieter von Telemedien nur insoweit dazu, deren Nutzung anonym oder unter einem Pseudonym zu ermöglichen, als ihm dies zumutbar ist. Die Zumutbarkeit ist im Rahmen einer auf den konkreten Fall bezogenen Verhältnismäßigkeitsprüfung zu ermitteln, bei der das Interesse des Anbieters mit dem Recht des Nutzers auf informationelle Selbstbestimmung abzuwägen ist (Hullen/Roggenkamp in: Plath, DSGVO/BDSG, 3. Aufl., 2018, § 13 TMG Rn. 41 m.w.N.).
Diese Abwägung fällt entgegen der Ansicht des Landgerichts zugunsten der Beklagten aus:

Das von der Beklagten mit der Verpflichtung der Nutzer zur Verwendung ihres wahren Namens verfolgte Interesse erschöpft sich nicht darin, Nutzer bei Verstößen gegen ihre Nutzungsbedingungen leichter identifizieren zu können. Angesichts eines mittlerweile weitverbreiteten sozialschädlichen Verhaltens im Internet - Cyber-Mobbing, Belästigungen, Beleidigungen und Hassrede - hat die Beklagte ein legitimes Interesse daran, bereits präventiv auf ihre Nutzer einzuwirken. 

Der Senat teilt die Ansicht der Beklagten, dass die Verpflichtung zur Verwendung des wahren Namens grundsätzlich geeignet ist, Nutzer von einem rechtswidrigen Verhalten im Internet abzuhalten. Bei der Verwendung eines Pseudonyms liegt die Hemmschwelle nach allgemeiner Lebenserfahrung deutlich niedriger. Hiergegen kann die Klägerin nicht einwenden, dass die Verpflichtung zur Verwendung des wahren Namens keine hemmende Wirkung entfaltet habe, weil das beschriebene negative Verhalten im Internet in den letzten Jahren trotz bestehender Klarnamenpflicht massiv zugenommen habe. Der Umstand, dass einzelne Nutzer auch unter Verwendung ihres eigenen Namens Verstöße gegen die Nutzungsbedingungen begehen, rechtfertigt nicht den von der Klägerin gezogenen Schluss, dass die von der Beklagten verfolgte Klarnamenpflicht zur Verwirklichung der angestrebten Ziele von vornherein ungeeignet wäre.

Die Klägerin verweist zu Recht darauf, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs auch anonyme oder unter einem Pseudonym abgegebene Äußerungen vom Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) umfasst werden und dem Internet eine anonyme Nutzung immanent ist (vgl. BGH, Urteil vom 23.06.2009 - VI ZR 196/08, BGHZ 181, 328, juris Rn. 38). Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist allerdings zu berücksichtigen, dass es neben der Beklagten noch andere soziale Netzwerke gibt, die ein anderes Grundprinzip verfolgen und keine offene Kommunikation mit realen Namen und Daten verlangen, etwa Instagram, das ebenfalls von der „Facebook“- Unternehmensgruppe betrieben wird, oder YouTube.

In der Kommentarliteratur wird zum Teil die Auffassung vertreten, dass bei sozialen Netzwerken mit vornehmlich privatem Charakter - „Facebook“ wird in diesem Zusammenhang ausdrücklich genannt - eine Verpflichtung des Nutzers zur Verwendung seines Klarnamens nicht ohne weiteres mit der vermeintlichen Unzumutbarkeit einer anonymen oder pseudonymen Nutzung gerechtfertigt werden könne (vgl. Hullen/Roggenkamp in: Plath, DSGVO/BDSG, 3. Aufl. 2018, § 13 TMG Rn. 42 unter Verweis auf Hoeren/Sieber/Holznagel/Schmitz, Teil 16.2 Rn. 205; Spindler/Schuster, Elektron. Medien/Spindler/Nink, 3. Aufl. 2015, TMG, § 13 Rn. 22). Gerade im Social Web bestehe mitunter das legitime Bedürfnis, Äußerungen zumindest unter einem Pseudonym zu veröffentlichen. Ein Konflikt zwischen dem von § 13 Abs. 6 Satz 1 TMG grundsätzlich gewährten Anspruch auf pseudonyme Nutzung von Telemedien und den Bestimmungen der Datenschutzgrundverordnung wird von Vertretern der letztgenannten Auffassung mit dem Argument verneint, dass gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. c DSGVO die Verarbeitung personenbezogener Daten auf das für den Zweck der Verarbeitung notwendige Maß beschränkt sein müsse und gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. e DSGVO personenbezogene Daten in einer Form gespeichert werden müssten, welche die Identifizierung der betroffenen Personen nur so lange ermögliche, wie es für die Zwecke, für die sie verarbeitet würden, erforderlich sei. Hieraus wird abgeleitet, dass auch nach der Datenschutzgrundverordnung eine anonyme oder zumindest pseudonyme Nutzung von Telemedien zu ermöglichen sei, wenn eine solche dem Diensteanbieter zumutbar sei (so Hullen/Roggenkamp a.a.O., Rn. 43 m.w.N.).

Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden. Sie ignoriert den Gang des Normsetzungsverfahrens der Datenschutzgrundverordnung, dem sich entnehmen lässt, dass der europäische Normgeber entgegen den deutschen Vorschlägen den Nutzern sozialer Netzwerke bewusst keinen Anspruch auf die Verwendung eines Pseudonyms eingeräumt hat, und setzt sich nicht mit dem Umstand auseinander, dass die Pseudonymisierung in Art. 25 Abs. 1 und Art. 32 Abs. 1 DSGVO nur als mögliche Maßnahme zur Datenminimierung bzw. für eine sichere Datenverarbeitung genannt, aber keine entsprechende Verpflichtung des Verantwortlichen begründet wird. 

Jedenfalls    unter    Berücksichtigung    der    Vorgaben    der Datenschutzgrundverordnung ist der Beklagten ein größerer Spielraum im Hinblick auf das in § 13 Abs. 6 Satz 1 TMG enthaltene Kriterium der Zumutbarkeit zuzubilligen. Sie kann sich deshalb darauf berufen, dass es für sie unzumutbar ist, die Nutzung der von ihr angebotenen „Facebook“-Dienste im Widerspruch zu dem mit der Schaffung dieser Plattform verfolgten Kommunikationskonzept unter einem Pseudonym zu ermöglichen.

(3)    Die streitgegenständliche Klausel schränkt schließlich auch keine wesentlichen Rechte und Pflichten, die sich aus der Natur des zwischen den Parteien bestehenden Nutzungsvertrages ergeben, so ein, dass eine Erreichung des Vertragszwecks gefährdet wäre (§ 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB).

Die Natur eines Vertrages wird durch den Zweck und den Inhalt des Vertrages bestimmt. Bei nicht normierten Verträgen ist von dem durch die Verkehrsauffassung geprägten Leitbild des Vertrages auszugehen. Die verkehrsübliche Gestaltung ist aber nur insoweit maßgebend, als sie mit den Grundwerten der Rechtsordnung übereinstimmt. Soweit einschlägige Normen fehlen, muss der Richter auf die vertragstypischen Gerechtigkeitserwartungen des redlichen Geschäftsverkehrs abstellen und für den Vertragstyp ein normatives Leitbild herausarbeiten (Palandt-Grüneberg, BGB, 79. Aufl. 2020, § 307 Rn. 34 m.w.N.).

Bei dem zwischen den Parteien bestehenden Nutzungsvertrag handelt es sich - wie oben dargelegt - um einen nicht normierten Vertrag sui generis. Für die von ihr angebotenen Dienste beansprucht die Beklagte keine Vergütung. Der Nutzer räumt der Beklagten aber eine nicht-exklusive, übertragbare, unterlizenzierbare und weltweite Lizenz für die Nutzung jedweder IP-Inhalte ein, die er auf Facebook postet (vgl. Ziff. 1 der Nutzungsbedingungen für Nutzer mit Wohnsitz in Deutschland, Anlage KTB 2).
Dem Internet ist zwar nach der bereits mehrfach zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung eine anonyme Nutzung grundsätzlich immanent (BGH, Urteil vom 23.06.2009 - VI ZR 196/08, BGHZ 181, 328, juris Rn. 38). Aufgrund der dominierenden Stellung der Beklagten als Betreiberin von „Facebook“, der mit Abstand größten Social-Media-Plattform, wird die verkehrsübliche Gestaltung solcher Plattformen allerdings auch durch die von der Beklagten auf dieser Plattform verfolgte Klarnamenpolitik geprägt. Die Inanspruchnahme der von der Beklagten angebotenen spezifischen „Facebook“-Dienste ist auch nicht nur unter Verwendung eines Pseudonyms sinnvoll möglich.

Bei der Prüfung der Frage, ob die verkehrsübliche Gestaltung mit den Grundwerten der Rechtsordnung im Einklang steht, sind wiederum die Vorgaben der unmittelbar geltenden Datenschutzgrundverordnung zu berücksichtigen, die gerade keine Verpflichtung des Diensteanbieters zur Ermöglichung der pseudonymen Nutzung von Telemedien kennt. Hinsichtlich der Einzelheiten wird insoweit auf die obigen Ausführungen unter lit. bb) verwiesen. Aus der Natur des mit der Beklagten abgeschlossenen Nutzungsvertrages kann der Kläger deshalb keinen Anspruch auf Verwendung eines Pseudonyms im Rahmen seines eigenen Profils ableiten.

1)    Soweit die Klägerin in Bezug auf die Klarnamenpflicht das Fehlen einer wirksamen Einwilligung nach Art. 7, 4 Nr. 11 DSGVO in Abrede stellt, kann sie damit nicht gehört werden. 

Das Erfordernis einer spezifischen Einwilligung in Bezug auf die streitgegenständliche Klausel vermag der Senat nicht zu erkennen. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass Art. 6 DSGVO außer der Einwilligung des Betroffenen noch weitere Zulässigkeitstatbestände für die Datenverarbeitung enthält, von denen angesichts der vorstehenden Erwägungen aufgrund der berechtigten Interessen der Beklagten jedenfalls Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO als einschlägig anzusehen wäre.

1)    Inwiefern die von der Beklagten verfolgte Klarnamenpolitik gegen die guten Sitten verstoßen soll (§ 138 Abs. 1 BGB), hat der Kläger nicht nachvollziehbar dargelegt. Ein Sittenverstoß ist auch nicht ersichtlich.

1)    Entgegen den im Hinweis vom 17.07.2020 geäußerten Bedenken können aus dem Urteil des Landgerichts Berlin vom 16.01.2018, Az. 16 O 341/15, für den vorliegenden Rechtsstreit keine Rechtswirkungen, insbesondere keine Rechtskrafterstreckung nach § 11 UKlaG, abgeleitet werden.

Das Landgericht Berlin hatte seine Entscheidung in erster Linie auf das Erfordernis einer wirksamen Einwilligung nach §§ 4, 4a BDSG a.F. gestützt, welche seit Geltung der Datenschutzgrundverordnung nicht mehr in Kraft sind. Die Vorschrift des § 4 BDSG a.F. (Zulässigkeit der Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung) wurde durch Art. 6 DSGVO und die Vorschrift des Art. 4a BDSG a.F. (Einwilligung) durch Art. 4 Nr. 11, Art. 7 DSGVO ersetzt. Die neue Regelung in Art. 6 DSGVO sieht wie bereits erwähnt außer der Einwilligung des Betroffenen nunmehr weitere Zulässigkeitstatbestände für die Datenverarbeitung vor, von denen im vorliegenden Fall jedenfalls Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO in Betracht kommt. 

Soweit die Rechtskraft Wirkungen für die Zukunft entfaltet, ist eine Rechtsänderung zu berücksichtigen (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 33. Aufl. 2020, Vor § 322 Rn. 53), so dass eine Bindungswirkung an das Urteil des Landgerichts Berlin nicht mehr angenommen werden kann.

1)    Die Befugnis der Beklagten zur Verhängung von Sperren gegen einen Nutzer, der
gegen seine Vertragspflichten verstoßen hat, ergibt sich aus Ziffer 4.3 und Ziffer 14 der Nutzungsbedingungen (Anlage KTB 1). Zwar ist die Klausel in Ziffer 14 mit „Beendigung“ überschrieben. Entscheidend ist jedoch, dass die Beklagte sich in dieser Klausel die Befugnis vorbehält, auf einen Verstoß des Nutzers gegen den Inhalt dieser Erklärung hin „die Bereitstellung von Facebook [...] ganz oder teilweise ein(zu)stellen“. Unabhängig davon wäre die temporäre Sperrung auch als milderes Mittel gegenüber einer Beendigung des Vertrags aus wichtigem Grund zulässig.

3.
Da ein Anspruch der Klägerin auf Freischaltung ihres Nutzerkontos nicht besteht, hat auch die vom Landgericht ausgesprochene Verurteilung der Beklagten zur Zahlung anteiliger vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten keinen Bestand.

III.

Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg.

1.
Ein Anspruch der Klägerin auf Schadensersatz in Höhe von insgesamt ... € besteht bereits deshalb nicht, weil die Beklagte mit der Sperre des klägerischen Nutzerkontos ihre vertraglichen Pflichten gegenüber der Klägerin nicht verletzt hat. Auf die vorstehenden Ausführungen unter Ziffer II wird Bezug genommen.

2.
Im Übrigen wäre ein Anspruch aber auch dann nicht gegeben, wenn die Sperre rechtswidrig erfolgt wäre:

2)    Ein Schadensersatzanspruch, sei es aus § 280 Abs. 1 oder §§ 823 ff. in Verbindung mit §    249 ff. BGB, scheitert - ungeachtet aller übrigen
Voraussetzungen - daran, dass die Klägerin nicht nachvollziehbar dargelegt hat, dass ihr ein materieller Schaden in Höhe des geltend gemachten Betrages entstanden ist. Die Darlegungs- und Beweislast für die Entstehung des Schadens und dessen Höhe trifft bei sämtlichen Haftungstatbeständen den Geschädigten (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 79. Aufl. 2020, 280 Rn. 34; Palandt/Sprau, § 823 Rn. 80 f.).

Die Klägerin hat bei ihrer Anhörung im Termin vom 07.11.2018 (Bl.. d.A.) selbst eingeräumt, dass sie keine unmittelbaren materiellen Schäden durch die Sperrung habe.    Allein    der    zeitweiligen    Einschränkung    ihrer    privaten Kommunikationsmöglichkeiten auf „Facebook“ und dem Verlust der Kontrolle über ihre personenbezogenen Daten kommt - auch wenn ein solcher Verlust eingetreten sein sollte - für sich genommen kein Vermögenswert zu. Die Einschränkung des „Kontakts nach außen“ kann allenfalls im Rahmen des von § 823 Abs. 1 BGB als „sonstiges Recht“ geschützten Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (vgl. hierzu Palandt/Sprau a.a.O. § 823 Rn. 133 ff.) einen Vermögensschaden begründen. Wegen eines immateriellen Schadens kann gemäß § 253 Abs. 1 BGB Entschädigung in Geld nur in den gesetzlich bestimmten Fällen gefordert werden.

2)    Die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Schmerzensgeldanspruchs aus § 253 Abs. 2 BGB liegen offensichtlich nicht vor. Die Klägerin ist nicht in einem der in dieser Vorschrift genannten Rechtsgüter verletzt worden. Auf andere Rechtsgüter und absolute Rechte ist die Vorschrift nicht entsprechend anwendbar (Palandt/Grüneberg a.a.O. § 253 Rn. 11).

2)    Der Klägerin steht auch kein Anspruch auf Geldentschädigung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG) zu.

Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung begründet die schuldhafte Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bei der Kollision mit der Meinungs- bzw. Pressefreiheit einen Anspruch auf Geldentschädigung, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann. Ob eine so schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, dass die Zahlung einer Geldentschädigung erforderlich ist, kann nur aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalls    beurteilt werden.    Hierbei    sind    insbesondere die
Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, die Nachhaltigkeit und Fortdauer der Interessenschädigung des    Verletzten, ferner    Anlass    und    Beweggrund    des
Handelnden sowie der Grad seines Verschuldens zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteil vom 17.12.2013 - VI ZR 211/12, NJW 2014, 2029, juris Rn. 38).

2) Auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass das zwischen den Parteien bestehende Schuldverhältnis über § 241 Abs. 2 BGB durch die mittelbare Drittwirkung der Grundrechte der Parteien geprägt wird, kann diese Rechtsprechung nicht ohne Weiteres auf Pflichtverletzungen im Rahmen eines bestehenden Vertragsverhältnisses übertragen werden. Denn eine pflichtwidrige Einschränkung von Kommunikationsmöglichkeiten, die der Klägerin ohnehin nur aufgrund des mit der Beklagten geschlossenen Nutzungsvertrages zur Verfügung stehen, beeinträchtigt sie bereits nicht in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht.

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts den engeren persönlichen Lebensbereich und die Entfaltung seiner Grundbedingungen (BVerfGE 121, 69,    90). Es bietet Schutz gegen eine umfassende Einschränkung der
personalen Entfaltung bzw. der Privatautonomie (BVerfGE 72, 115, 170). Insoweit geht es um die Grundbedingungen freier Selbstbestimmung und Entfaltung, während für einzelne Beeinträchtigungen der Privatautonomie die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) einschlägig ist (vgl. Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 13. Aufl., Art. 2 Rn. 50 m.w.N.).

Die Klägerin kann das Recht, sich auf „Facebook“ zu äußern, ausschließlich aus dem mit der Beklagten geschlossenen Nutzungsvertrag ableiten. Die Sperrung des Profils der Klägerin stellt insoweit nur eine einzelne Beeinträchtigung ihrer Privatautonomie dar, die ihre allgemeine Handlungsfreiheit berührt. Mit einer umfassenden Einschränkung ihrer personalen Entfaltung im vorgenannten Sinne ist die Sperrung hingegen nicht verbunden, ein Anspruch auf Nutzung bestimmter Kommunikationsmittel für den Kontakt zu Dritten oder für das Äußern von Meinungen besteht nicht.

2)    Unabhängig davon würde es auch an den weiteren Voraussetzungen für die Zubilligung einer Geldentschädigung, dass es sich um eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann, fehlen. Wenn die Beklagte mit der Sperrung eines Nutzers schuldhaft ihre Vertragspflichten gegenüber dem Nutzer verletzt, stehen diesem Ansprüche auf Unterlassung, Folgenbeseitigung und Schadensersatz im Wege der Naturalrestitution zu, die gerichtlich - bei Vorliegen der prozessualen Voraussetzungen auch im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes - durchgesetzt werden können.

2)    Ansprüche der Klägerin auf eine fiktive Lizenzgebühr kommen ebenfalls nicht in
Betracht.

Die Klägerin hat mit Abschluss des Nutzungsvertrages die Einwilligung zur umfassenden Nutzung ihrer Beiträge und Daten erteilt, ohne einen Vorbehalt für den Fall vorübergehender Sperrung ihres Nutzerprofils zu erklären.

Die der Beklagten von ihren Nutzern gemäß Ziffer 2 der Nutzungsbedingungen (Anlage KTB 1) eingeräumte Lizenz an den eingestellten Inhalten stellt zwar die „Gegenleistung“ für die Inanspruchnahme der Facebook-Dienste dar. Daraus folgt aber noch nicht, dass es sich bei dem Nutzungsvertrag um einen gegenseitigen Vertrag im Sinne von §§ 320 ff. BGB handelt. Dagegen spricht insbesondere, dass dem Nutzer gemäß Ziffer 2 der Nutzungsbedingungen bzw. gemäß Ziffer 1 der Nutzungsbedingungen für Nutzer mit Wohnsitz in Deutschland (Anlage KTB 2) die von ihm eingestellten Inhalte „gehören“ und er die Lizenz jederzeit durch Löschen der Inhalte oder des Kontos beenden kann. Darüber hinaus lässt sich den vertraglichen Vereinbarungen nicht entnehmen, dass die Beklagte während einer Sperrung des Nutzers an der Nutzung der ihr eingeräumten Lizenz gehindert wäre. Die Lizenz lässt sich nämlich auch als Gegenleistung für die vor der Sperrung erfolgte Zurverfügungstellung der Facebook-Dienste begreifen, zumal neue Inhalte während der Sperre nicht hinzukommen können. Im Übrigen erscheint eine Quantifizierung von Leistung und Gegenleistung wegen der Natur des unentgeltlichen Nutzungsvertrages gar nicht möglich.

2)    Schließlich scheidet auch ein Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO aus.

Nach dieser Vorschrift hat jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, Anspruch auf Schadensersatz gegen den Verantwortlichen. Die Verarbeitung der Daten der Klägerin durch die Beklagte verstieß aber nicht gegen die DSGVO, denn sie beruhte auf der vorab erteilten Zustimmung zu den Nutzungsbedingungen der Beklagten im Sinne des Art. 6 Abs. 1 lit. a) DSGVO und auf Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO.

Im Übrigen gilt auch hier, dass ersatzfähig als Schaden alle Nachteile sind, die der Geschädigte an seinem Vermögen oder an sonst rechtlich geschützten Gütern erleidet (vgl. Kühling/Buchner/Bergt, DS-GVO, 2. Aufl. 2018, Art. 82 Rn. 19). Ein solch immaterieller Schaden, der hier allenfalls an eine - ggf. auch weniger schwerwiegende - Verletzung des Persönlichkeitsrechts anknüpfen könnte (vgl. hierzu Becker in: Plath, DSGVO/BDSG, 3. Aufl. 2018, Art. 82 DSGVO Rn. 4c; Wybitul, Immaterieller Schadensersatz wegen Datenschutzverstößen, NJW 2019, 3265,    3267), liegt jedoch wie dargelegt nicht vor. Die bloße Sperrung des
klägerischen Nutzerprofils begründet einen solchen Schaden nicht.

IV.

1.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 und § 97 Abs. 1, § 516 Abs. 3 ZPO.

2.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1 und 2 ZPO.

Das Berufungsverfahren hat auch eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit zum Gegenstand. Vollstreckbar ist allein der Kostenausspruch, dessen Wert allerdings den in § 708 Nr. 11 ZPO genannten Betrag von 1.500 € übersteigt.

3.
Der Senat lässt die Revision im Hinblick auf den abgewiesenen Antrag auf Freischaltung des klägerischen Benutzerkontos wegen grundsätzlicher Bedeutung zu (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

Die streitentscheidende Frage, ob eine in den Nutzungsbedingungen einer Social-Media-Plattform vorgesehene Pflicht zur Verwendung des Klarnamens wirksam ist und § 13 Abs. 6 Satz 1 TMG dieser Pflicht - ggf. auch infolge Verdrängung oder Auslegung im Lichte der Datenschutzgrundverordnung - nicht entgegen steht, ist - soweit ersichtlich - höchstrichterlich noch nicht entschieden. In der einschlägigen Kommentarliteratur werden hierzu unterschiedliche Auffassungen vertreten. Angesichts der Bedeutung und Reichweite der von der Beklagten betriebenen Plattform „Facebook“ erscheint die Frage klärungsbedürftig, weil sie sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann.

Im Übrigen - hinsichtlich des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs - ist die Revision dagegen nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.