Keine Prüfpflichten für Kreditkarten-Anbieter bei illegalem Online-Glücksspiel

Landgericht Hamburg

Urteil v. 03.01.2020 - Az.: 330 O 111/19

Leitsatz

Keine Prüfpflichten für Kreditkarten-Anbieter bei illegalem Online-Glücksspiel

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung der Beklagten in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Sachverhalt

Die Parteien streiten mit der vorliegenden Klage um Erstattungs- und Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit der Zahlungsabwicklung für die Teilnahme an Online-Glücksspielen.

Zwischen dem Kläger und der Beklagten bestand ein Kreditkartenvertrag über eine B.-Mastercard mit der Kontonummer (...). Dem Vertrag lagen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen gemäß Anlage B 2 zugrunde.

Im Zeitraum vom 30.12.2017 bis zum 16.12.2018 leistete der Kläger unter Mitwirkung der Beklagten an Online-Glücksspielanbieter wie (...) nach seiner Behauptung Zahlungen in Höhe von insgesamt € 105.735,--.

Der Kläger trägt vor:

Die Zahlungsvorgänge seien für illegales Glücksspiel gemäß § 4 GlüStV vorgenommen worden. Dies sei der Beklagten auch erkennbar gewesen, insbesondere durch den sog. MCC-Code. Hierdurch habe die Beklagte ihre Sorgfaltspflicht verletzt. Es habe demgemäß auch kein Aufwendungsersatzanspruch der Beklagten bestanden, sodass die Klage auch gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB begründet sei. Darüber hinaus sei auch ein Schadensersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 2 i.V.m. § 4 GlüStV gegeben.

Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, das bei ihr geführte Kreditkartenkonto des Klägers (Konto-Nr. …) zu berichtigen, d. h. den Betrag in Höhe von 105.735,-- € gutzuschreiben.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte macht geltend:

Bei den Transaktionen des Klägers habe es sich nicht um illegales Glücksspiel gehandelt. Ein Vertrag zwischen der Beklagten und den Anbietern habe nicht bestanden. Der Kläger könne auch nicht mit liquiden Beweismitteln nachweisen, dass offensichtliche Mängel im Valutaverhältnis vorlägen. Auch dem MCC-Code 7995 könne nicht hinreichend klar entnommen werden, dass es sich um illegale Glücksspielumsätze gehandelt habe.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, jedoch der Sache nach nicht begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf Erstattung seiner Verluste aus Einsätzen bei den streitgegenständlichen Online-Glücksspielen.

Zur Begründung nimmt die Kammer Bezug auf die ausführliche und in sich schlüssige Begründung im Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 10.10.2019 (8 O 398/18), wo es zu einem vergleichbaren Fall wie folgt heißt:

"I.

Der Kläger kann seine Ansprüche nicht aus § 280 BGB wegen Verletzung einer Nebenpflicht aus dem Kreditkartenvertrag herleiten.

1. Wenn das Vertragsunternehmen ordnungsgemäße Belastungsbelege einreicht, darf das Kreditkartenunternehmen die Zahlung an das Vertragsunternehmen grundsätzlich für erforderlich halten, ohne zu prüfen, ob dem Vertragsunternehmen eine wirksame Forderung gegen den Karteninhaber zusteht (BGH, Urteil vom 24.09.2002 - XI ZR 420/01 - juris Rn. 18).

Soweit der Bundesgerichtshof in einem Fall Kontrollpflichten des Kreditkartenunternehmens angenommen hat, betraf dies zum einen das Verhältnis zwischen Acquirer und Vertragsunternehmen, zum anderen lag der Entscheidung ein besonderer Fall zugrunde, in dem ein Besteller unter Ausnutzung des besonders für Missbrauch anfälligen Mailorderverfahrens mit anderen Kreditkarten zahlte (BGH, Urteil vom 13.01.2004 - XI ZR 479/02). Diese Konstellation lässt sich nicht ohne Weiteres auf den vorliegenden Fall übertragen. Demgegenüber hat der Bundesgerichtshof nachfolgend nochmals bekräftigt, dass nur in Ausnahmefällen Warn- und Hinweispflichten der Kreditinstitute zum Schutz ihrer Kunden vor drohenden Schäden bestehen können (BGH, Urteil vom 06.05.2008 - XI ZR 56/07 - juris, Rn. 14). Danach hat ein Kreditinstitut, dass aufgrund massiver Anhaltspunkte den Verdacht hegt, dass ein Kunde bei der Teilnahme am bargeldlosen Zahlungsverkehr durch eine Straftat einen anderen schädigen will, diesem gegenüber eine Warnpflicht (BGH, Urteil vom 06.05.2008 - XI ZR 56/07 - juris, Rn. 15).

Derartige massive und offensichtliche Anhaltspunkte lagen hier nicht vor.

Das Landgericht München hat dazu in einem vergleichbaren Fall ausgeführt, das Kreditkartenunternehmen sei nicht verpflichtet gewesen, die genutzten Glücksspielangebote mit der „WHITE-LIST“ der deutschen Bundesländer abzugleichen, um eine eventuelle Illegalität zu erkennen. Ein solcher Prüfungsaufwand gehe über die normale Bearbeitung der Zahlungsvorgänge hinaus und oblag dem Kreditkartenunternehmen gerade nicht. Dieses habe vielmehr von einem rechtstreuen Verhalten des Beklagten ausgehen können und habe nicht mit einem eventuellen Verstoß gegen § 285 StGB rechnen müssen. Überdies erscheine eine Überprüfung auch kaum möglich, da zunächst nicht erkennbar ist, von wo aus der Kreditkarteninhaber die Glücksspielangebote angenommen hat und welche Spiele er tatsächlich gespielt hat. Im Ausland ist nämlich eine Vielzahl von Glücksspielangeboten legal. Ebenso wenig sei erkennbar, ob jedes einzelne vom Beklagten wahrgenommene Spiel tatsächlich unerlaubtes Glücksspiel darstellt (LG München I, Urteil vom 28.02.2018 - 27 O 11716/17 -, Rn. 30-32, juris; bestätigt durch OLG München, Verfügung vom 06.02.2019 - 19 O 793/18).

Die Kammer schließt sich dieser Argumentation an. Insbesondere wird die WHITE-LIST (Anlage B7) ständig aktualisiert und ist zudem unstreitig nicht immer vollständig. Ferner ergaben sich für die Beklagte auch nicht aus dem für die Transaktion verwandten Merchant Category Code (MCC) zwingende Anhaltspunkte dafür, dass es sich um illegales Glücksspiel handelte (so aber AG Leverkusen, Urteil vom 19.02.2019, 26 C 26/18, Anlage L9). Der MCC-Code mit der Nummer: 7995 erfasst nämlich auch legale Glücksspielangebote wie Sportwetten und staatliche Lotterien (vgl. Liste der MCC, Anlage B5). Diese Problematik ergibt sich im Übrigen auch aus dem vom Kläger auszugsweise vorgelegtem Ergebnisprotokoll zur Konferenz der Chefs der Staats- und Senatskanzleien der Länder vom 21.02.2019 (Protokoll Seite 6, Anlage L8), wo hervorgehoben wird, dass gerade die Vermischung von legalen und illegalen Angeboten unter derselben Dachmarke die Trennbarkeit in der Praxis erschwert. Anders mag der Fall zu beurteilen sein, wenn ein Zahlungsdienstleister ein Online-Bezahlsystem speziell für Glücksspiel- und Wettanbieter zur Verfügung stellt und auf seiner Internetseite zudem noch auf solche Anbieter verlinkt (so auch AG Wiesbaden, Urteil vom 16.06.2017, 92 C 4323/17, Anlage L10).

II.

Der Kläger hat gegen die Beklagte auch keine Konditionsansprüche aus § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB.

1. Der Kläger beruft sich ohne Erfolg darauf, die Beklagte habe sein Konto nicht mit den für illegales Online-Glücksspiel aufgewandten Kartenumsätzen belasten dürfen, da ihr insoweit wegen rechtsmissbräuchlicher Inanspruchnahme des Klägers kein Aufwendungsersatzanspruch zugestanden habe.

Der zwischen den Parteien geschlossene Kreditkartenvertrag ist als Zahlungsdienstrahmenvertrag im Sinne des § 675 f. I BGB zu qualifizieren (BGH, Urteil vom 23.10.2014, VIIII ZR 219/13). Dadurch wird der Kreditkartenunternehmer verpflichtet, die Verbindlichkeiten des Karteninhabers bei Vertragsunternehmen zu tilgen. Kommt er dieser Verpflichtung nach, so steht ihm ein Aufwendungsersatzanspruch gegen den Karteninhaber nach §§ 675 c. Abs. 1, 670 BGB zu (BGH, Urteil vom 24.09.2002 - VIIII ZR 420/01 - juris Rn. 10).

Damit ist zunächst einmal unerheblich, dass die Transaktionen dem legalen Glücksspiel dienten. Dies hat für die Wirksamkeit des Kreditkartenvertrags und des damit einhergehenden Anspruchs der Klägerin keine Auswirkungen. Etwaige Einwendungen aus dem Valutaverhältnis kann der Karteninhaber grundsätzlich nur dem Vertragsunternehmen entgegenhalten.

Die Zahlung des Kreditkartenunternehmens an das Vertragsunternehmen ist allerdings ausnahmsweise dann keine Aufwendung, die das Kreditkartenunternehmen für erforderlich halten darf, wenn das Vertragsunternehmen das Kreditkartenunternehmen rechtsmissbräuchlich in Anspruch nimmt (vgl. BGH, Urteil vom 16.04.2002 - XI ZR 375/00). Dann ist das Kreditkartenunternehmen zur Zahlungsverweigerung nicht nur berechtigt, sondern aufgrund des Geschäftsbesorgungsvertrages mit dem Karteninhaber auch verpflichtet. Da das Vertragsunternehmen mit der Unterzeichnung des Belastungsbelegs durch den Karteninhaber einen abstrakten Zahlungsanspruch aus § 780 BGB gegen das Kreditkartenunternehmen erwirkt mit der Folge, dass diesem Anspruch - ähnlich wie beim Akkreditiv - Einwendungen aus dem Valutaverhältnis, vorbehaltlich abweichender vertraglicher Vereinbarungen, nicht entgegen gehalten werden können, liegt eine rechtsmissbräuchliche Inanspruchnahme des Kreditkartenunternehmens nur vor, wenn das Vertragsunternehmen seine formale Rechtsposition ersichtlich treuwidrig ausnutzt. Das ist nur dann der Fall, wenn offensichtlich oder liquide beweisbar ist, dass dem Vertragsunternehmen eine Forderung aus dem Valutaverhältnis gegen den Karteninhaber nicht zustehe (BGH, Urteil vom 24.09.2002 - XI ZR 420/01 -, BGHZ 152, 75 - 83, juris Rn. 19).

Ein solcher evidenter Mangel im Valutaverhältnis war für die Beklagte hier gerade nicht erkennbar. Die vorstehenden Ausführungen zu etwaigen Kontrollpflichten für Kreditkartenunternehmen gelten insoweit entsprechend.

2. Ein Aufwendungsersatzanspruch der Beklagten scheitert auch nicht an der Nichtigkeit der Zahlungsautorisierung durch den Kläger. Die Autorisierungen sind daher nicht nichtig gemäß § 134 BGB i.V.m. § 4 Abs. 1 S. 2, Abs. 5 GlüStV.

Das Oberlandesgericht München (Verfügung vom 06.02.2019 - 19 U 793/18 - Rn. 6, juris) hat dazu Folgendes ausgeführt: „Zwar stellt die Erweiterung in § 4 Abs. 1 S. 2 des Glücksspielstaatsvertrages klar, dass auch die Mitwirkungen an Zahlungen im Zusammenhang mit unerlaubtem Glücksspiel verboten ist. Allerdings ist nach den Erläuterungen zum Glücksspielstaatsvertrag die Regelung des § 4 Abs. 1 S. 2 im Zusammenhang mit den Überwachungsbefugnissen der Glücksspielaufsicht in § 9 zu sehen und erweitert die Möglichkeiten der Inanspruchnahme Dritter als verantwortliche Störer, soweit sie zuvor auf die unerlaubte Mitwirkung an verbotenem Glücksspiel hingewiesen wurden (Erläuterungen zum GlüStV, Stand: 07.12.2011, Seite 17). Die Regelung in § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 dient - so die Motive - der Klarstellung und Konkretisierung von § 4 Abs. 1 S. 2. Danach können die an Zahlungsverkehr beteiligten, insbesondere die Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute einschließlich der E-Geld-Institute (Nr. 4) im Wege einer dynamischen Rechtsverweisung als verantwortliche Störer herangezogen werden, sofern ihnen zuvor die Mitwirkung an unerlaubten Glücksspielangeboten von der Glücksspielaufsichtsbehörde mitgeteilt wurde. Dies setzt voraus, dass der Veranstalter oder Vermittler des unerlaubten Glücksspielangebotes zuvor vergeblich - insbesondere wegen eines Auslandsbezuges - in Anspruch genommen wurde (Erläuterungen zum GlüStV, Stand: 07.12.2011, S. 32).“

Dem schließt sich die Kammer vorbehaltlos an.

Aus den Erläuterungen aus zu § 4 Abs. 1 GlüStV (Anlage B12, dort S. 17) folgt, dass die Regelungen in § 4 und § 9 im Zusammenhang zu sehen sind (ebenso LG Berlin, Urteil vom 16.04.2019, 37 O 367/18, Anlage B16; Bolay/Pfütze in Streinz/Liesching/Hambach, Kommentar zum Glücks- und Gewinnspielrecht in den Medien, § 4 Rn. 50, Anlage B6). Wie in dem vom Oberlandesgericht München entschiedenem Fall ist auch hier nicht ersichtlich, dass das Kreditkartenunternehmen vor Begleichung der entstandenen Forderungen einen derartigen Hinweis durch die Glücksspielaufsicht erhalten hätte oder, dass die Beklagte positiv wusste, dass diese Forderungen auf Einsätzen beim Glücksspiel beruhen.

Ergänzend nimmt die Kammer dabei auch auf die dem Urteil des Oberlandesgerichts München zugrunde liegende Entscheidung des Landgerichts München I Bezug, in der es ausführt: „Überdies ist der Schutzzweck gemäß § 1 des GlüStV, das Entstehen von Glücksspielsucht und Wettsucht zu verhindern und den natürlichen Spieltrieb der Bevölkerung in geordnete und überwachte Bahnen zu lenken und sicherzustellen, dass u.a. die mit Glücksspielen verbundene Folge- und Begleitkriminalität abgewehrt wird. Dieses Ziel werde geradezu torpediert, wenn davon auszugehen wäre, dass eine Nichtigkeit der Autorisierung von Zahlungsvorgängen vorläge.

Dann würde das in der Regel gutgläubige Kreditinstitut auf den Aufwendungen sitzen bleiben und dem Spieler sozusagen ein Freibrief erteilt, weil der verspielte Einsatz sogleich von der Bank erstattet würde und der Spieler keine finanziellen Einbußen oder Risiken eingehen würde. Der Spieler könnte unter diesen Umständen Glücksspiel ohne jegliches finanzielle Risiko ausführen. Es könnte vielmehr ein bösgläubiger Teilnehmer am Glücksspiel, der sich letztendlich nach § 285 StGB strafbar macht, gutgläubige Zahlungsinstitute für rechtswidrige Aktivitäten einspannen“ (LG München I, Urteil vom 28.02.2018 - 27 O 11716/17 -, Rn. 27, juris).“

Aus den vorstehenden Ausführungen folgt, dass dem Kläger auch kein Schadensersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 4 Abs. 1 S. 2 GlüStV zusteht.

Nach alledem ist die Klage mit der Kostenfolge aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO abzuweisen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat seine Grundlage in § 709 S. 2 ZPO.