Irreführende Beschriftung eines Fruchtsaftgetränks

Landgericht Amberg

Urteil v. 02.08.2016 - Az.: 41 HK O 397/16

Leitsatz

Irreführende Beschriftung eines Fruchtsaftgetränks

Tenor

In dem Rechtsstreit (...) erlässt das Landgericht Amberg - Kammer für Handelssachen - durch (...) auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 11.07.2016 folgendes Endurteil:

I. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, diese zu vollstrecken am Geschäftsführer, zu unterlassen, im Rahmen geschäftlicher Handfungen für das Getränk „Himbeer-Rhabarber" wie nachfolgend abgebildet zu werben bzw. werben zu lassen (...).

II.    Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 214,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basizinssatz seit 07.06.2016 zu zahlen.

III.  Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

IV.  Das Urteil ist in Ziffer I. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 25.000,00 € vorläufig vollstreckbar.

In Ziffer II. und III. ist das Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags abwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Sachverhalt

Die Parteien streiten um einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch sowie die Erstattung vorgerichtlicher Abmahnkosten.

Die Beklagte vertreibt als bundesweit mit über 4.000 Filialen tätiger Discounter u.a. das Getränk „Active Fruits, Himbeer-Rhabarber". Dabei ist „Himbeer-Rhabarber" auf dem Etikett an gegenüberliegenden Seiten drucktechnisch hervorgehoben. Unter der hervorgehobenen Bezeichnung „Himbeer-Rhabarber"  findet  sich   der Zusatz „Mehrfrucht-Rhabarbergetränk  mit Himbeergeschmack", wiederum darunter findet sich die Passage „30 % Saftgehalt aus Frucht- und Gemüsesaftkonzentraten".

Auf dem Etikett befinden sich, teilweise von der Beschriftung überlagert, die Abbildungen einiger Stangen Rhabarber, einiger Himbeeren und eines Apfels. Seitlich auf dem Etikett findet sich in deutlich kleinerer Schrift als die oben näher beschriebenen Bezeichnungen „Himbeer-Rhabarber" auch die Passage „Mehrfrucht-Rhabarbergetränk mit Himbeergeschmack, aus Frucht- und Gemüsesaftkonzentraten". Darunter sind die Zutaten aufgeführt, aus denen sich ergibt, dass das Getränk aus natürlichem Mineralwasser, 28,5 % Apfelsaft aus Apfelsaftkonzentrat, Fruktosesirup, 1,3 % Holunderbeersaft aus Holunderbeersaftkonzentrat, Kohlensäure, natürlichem Aroma, Säuerungsmittel: Citronensäure; 0,1 % Himbeersaft aus Himbeersaftkonzentrat und 0,1 % Rhabarbersaft aus Rhabarbersaftkonzentrat enthält.

Wegen der Einzelheiten der Gestaltung des Etiketts und der Flasche wird auf die Abbildung im Tenor sowie die im Termin übergebene und bei der Akte befindliche Originalflasche Bezug genommen.

Mit Abmahnschreiben vom 22.04.2016 forderte der Kläger die Beklagte zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungerklärung und zur Zahlung von 214,00 € Auslagen auf.

Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte verstoße mit diesen Informationen gegen Artikel 7 LMIV i.V.m. § 3 a UWG sowie gegen § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG. Beim Anblick der Verpackung erwarte der Verbraucher ein Getränk, das einen bedeutenden Anteil an Himbeer- und Rhabarbersaft enthalte. Dies sei bei einem Anteil von jeweils 0,1 % Himbeer- und Rhabarbersaft nicht der Fall. Der tatsächliche Inhalt stimme nicht mit den angepriesenen Zutaten überein.

Der Kläger beantragt,

I. die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, diese zu vollstrecken am Geschäftsführer, zu unterlassen, im Rahmen geschäftlicher Handlungen für das Getränk „Himbeer-Rhabarber" wie nachfolgend abgebildet zu werben bzw. werben zu lassen (...)

II. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 214,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Klageerhebung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen und hält die vom Kläger kritisierte Kennzeichnung des streitgegenständlichen Getränks nicht für irreführend.

Der maßgebliche normal informierte, angemessen aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher werde bei Betrachtung des vorliegenden Layouts nicht über die Zusammensetzung des Produkts in die Irre geführt. Bei ihm entstünde nicht die Erwartung, dass in dem streitgegenständlichen Getränk Rhabarber- und Himbeersaft in einem bedeutenden Anteil enthalten seien.

Aus der Bezeichnung „Mehrfrucht-Rhabarbergetränk" ergebe sich, dass darin neben Himbeersaft auch noch andere Fruchtsäfte, nämlich hier vorliegend Apfelsaft und Holunderbeerensaft sowie Saft des Gemüses Rhabarber enthalten seien. Durch die Aufschrift „30 % Saftgehalt aus Frucht-und Gemüsesaftkonzentraten" ergebe sich, dass der Artikel zu lediglich 30 % aus Säften bestehe, wobei durch die deutliche Abbildung eines Apfels sowie die auf der Schauseite befindliche Auslobung „Mehrfrucht" dem Durchschnittsverbraucher klar sei, dass der Saftgehalt von 30 % nicht allein von dem enthaltenen Himbeer- und Rhabarbersaft herrühre.

Aus der Konsistenz des Produkts ergebe sich auf den ersten Blick, dass der Artikel zum weit überwiegenden Teil aus Wasser bestünde und mit einem reinen Fruchtsaft, dessen Konsistenz viel dicker sei, nicht zu vergleichen sei.

Der maßgebliche Durchschnittsverbraucher verstünde die Auslobung „Himbeer-Rhabarber" lediglich als einen Hinweis auf die Geschmacksrichtung des Getränks.

Wegen der Einzelheiten des gegenseitigen Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Eine Beweisaufnahme hat nicht stattgefunden.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist in vollem Umfang begründet.

Dem Kläger steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gem. § 8 Abs. 1 UWG i.V.m. §§ 5 Abs. 1 Nr. 1, 3 a UWG i.V.m. Art. 7 Abs. 1 LMIV zu.

Die Bezeichnung des streitgegenständlichen Getränks als „Himbeer-Rhabarber" ist sowohl i. S. d. Art. 7 Abs. 1 LMIV als auch i. S. d. § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG irreführend.
Durch die Bezeichnung „Himbeer-Rhabarber" erwartet der angesprochene durchschnittliche Verbraucher einen erheblichen Anteil von Himbeer- und Rhabarbersaft in dem Getränk, der aber bei einem Anteil von jeweils 1 Promille tatsächlich nicht enthalten ist.

Diese Erwartung des durchschnittlichen Verbrauchers wird noch durch die gut erkennbare Abbildung von mehreren Himbeeren und Rhabarberstangen auf der Schauseite des Etiketts verstärkt. Ein nicht unerheblicher Anteil der angesprochenen Endverbraucher wird angesichts der prominent hervorgehobenen Bezeichnung Himbeer-Rhabarber und der bildlichen Wiedergabe von Himbeeren und Rhabarberstangen annehmen, dass zumindest überwiegend Himbeeren und Rhabarber enthalten sind. Unter Berücksichtigung dieser Gestaltung des Etiketts erwartet der Verbraucher nicht lediglich ein Getränk, in dessen Geschmack Himbeeren und/oder Rhabarber im Vordergrund stehen.

Diese Erwartung wird durch die Zusätze „30 % Saftgehalt", „Mehrfrucht-Rhabarbergetränk mit Himbeer-Geschmack" und die Angabe des tatsächlichen Anteils von Himbeer- und Rhabarbersaft in der Zutatenliste nicht zerstreut.

Durch die ebenfalls drucktechnisch hervorgehobene und unter „Himbeer-Rhabarber" befindliche Angabe „30% Saftgehalt" wird vielmehr der Eindruck erweckt, das Getränk enthalte einen Anteil von 30% Himbeer- und Rhabarbersaft. Dem flüchtigen Betrachter, von dem bei einem Getränk dieser Preisklasse ausgegangen werden muss, entgeht der drucktechnisch deutlich kleiner gestaltete Hinweis, dass es sich um ein „Mehrfrucht-Rhabarbergetränk mit Himbeer-Geschmack" ebenso wie die auf der Seite in ebenfalls kleiner Schrift angebrachte Zutatenliste. Außerdem wird der flüchtige Betrachter keine feinsinnige Unterscheidung dergestalt vornehmen, dass es sich bei Rhabarber um ein Gemüse und bei Himbeeren um eine Frucht handelt. Diesem durchschnittlichen Verbraucher wird dann aber auch der Schluss verborgen bleiben, dass neben Himbeeren auch noch andere Früchte enthalten sein müssen, wenn von einem „Mehrfruchtgetränk" die Rede ist.
 
Der Anspruch auf Erstattung der der Höhe nach unstreitigen Abmahnkosten ergibt sich aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG.

Der Zirisanspruch beruht auf §§ 291, 288 BGB.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.