Haftung des Anschlussinhabers auf Schadensersatz bei P2P-Urheberrechtsverletzungen

Landgericht Frankfurt_aM

Urteil v. 17.07.2019 - Az.: 2-03 O 237/18

Leitsatz

Haftung des Anschlussinhabers auf Schadensersatz bei P2P-Urheberrechtsverletzungen

Tenor

I.

Die Klägerin wird auf Grund des Verzichts mit dem Anspruch,

      I. die Beklagte zu 2. als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag von 984,60 EUR nebst jährlicher Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.02.2014 zu zahlen;

      II. die Beklagte zu 2. als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin einen weiteren Betrag über 4.599,00 EUR nebst jährlicher Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 18.02.2014 zu zahlen;

      IV. festzustellen, dass die Beklagte zu 2. verpflichtet ist, der Klägerin allen weiteren Schaden zu ersetzen, der dieser dadurch entstanden ist und noch entsteht, dass die Beklagte zu 2. die Datei … (Hashwert: …) mit dem Computerspiel „…für Dritte in Filesharingbörsen  im Internet zum Download bereitgehalten hat;

     V. die Beklagte zu 2. zu verurteilen, der Klägerin Auskunft über den Umfang der Verletzungshandlung gemäß vorstehender Ziffer zu erteilen, geschlüsselt nach genutzten Internetanschlüssen, Anschriften der jeweiligen Anschlussinhaber der Internetanschlüsse, Uploadrate der jeweils genutzten Internetanschlüsse, Daten und Dauer der Verletzungshandlungen.

abgewiesen.

II. Das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 16.01.2018 (Az. 32 C 2558/17 (72)) wird mit der Maßgabe aufrechterhalten, dass sich seine vorläufige Vollstreckbarkeit nach diesem Urteil richtet.

III. Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 1. verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser mit Blick auf die nutzlos aufgewendeten Rechtsverfolgungs- und Prozesskosten im Verhältnis zu der Beklagten zu 2. seit dem 14.09.2017 entstanden ist und noch entstehen wird.

IV. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

V. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

VI. Das Urteil ist im Hinblick auf die Kosten vorläufig vollstreckbar, soweit die Kosten nicht aus dem Verzicht resultieren, jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil darf nur gegen Leistung dieser Sicherheit fortgesetzt werden.

Sachverhalt

Die Parteien streiten um Ansprüche aufgrund einer angeblichen Urheberrechtsverletzung durch sogenanntes „Filesharing“. Die Klägerin macht Rechtsverletzungen bezüglich des Computerspiels „…“ im Zeitraum vom 17.09.2013 bis zum 27.09.2013 geltend.

Die Klägerin ist Produzentin und Vermarkterin von digitalen Entertainment-Produkten. Auf dem Datenträger des streitgegenständlichen Computerspiels ist die Klägerin in einem „©“-Vermerk genannt. Im Zuge eines „Asset Purchase Agreements“ vom 23.01.2013 wurden ausschließliche Rechte zum Vertrieb des streitgegenständlichen Computerspiels von der Firma …. im Zuge eines Insolvenzverfahrens nach Chapter 11 erworben und auf die Klägerin übertragen. Das streitgegenständliche Computerspiel wurde im August 2013 erstveröffentlicht.

Die Beklagte zu 1. lebte zum Zeitpunkt der behaupteten Rechtsverletzungen mit ihrem Mann und ihrem Sohn, dem Zeugen …, in einem Mehrfamilienhaus. Sie ist Inhaberin eines Internetanschlusses, den sie durch ein Passwort sicherte.

Der Internetanschluss wurde zur damaligen Zeit von ihr, ihrem Ehemann, ihrem Sohn, dem Zeugen …, und der Beklagten zu 2. genutzt. Über die von der Firma … unter Einsatz der der Software „…“ ermittelten und auf Bl. 32 f. der Akte ersichtlichen IP-Adressen wurde zu den dort genannten Zeitpunkten über ein „Filesharing“-Netzwerk eine Datei mit dem streitgegenständlichen Werk unter dem dort angegebenen Hashwert zum „Download“ angeboten, wobei streitig ist, ob diese Datei vollständig und lauffähig war und von wem sie zur Verfügung gestellt wurde. Die dort benannten IP-Adressen waren dem Internetanschluss der Beklagten zu 1. zu den dort benannten Tatzeitpunkt zugeordnet, wie ein Verfahren gemäß § 101 Abs. 9 UrhG ergeben hat.

Die Klägerin ließ die Beklagte zu 1. mit anwaltlichem Schreiben vom 06.02.2014 (Anlage K17, Bl. 295 f. d.A.) unter Fristsetzung zum 17.02.2014 wegen behaupteter Verletzungshandlungen abmahnen und zur Abgabe einer Unterlassungserklärung sowie zur Zahlung eines Pauschalbetrages von 800,00 EUR zur umfänglichen Erledigung der Angelegenheit auffordern. Die Beklagte zu 1. gab die begehrte Unterlassungserklärung zunächst nicht ab.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 27.09.2017 (Anl. K1, Bl. 142 ff. der Akte) wurde die Beklagte zu 2., die Nichte der Beklagten zu 1., abgemahnt, nachdem die Beklagte zu 1. diese in dem Klageabweisungsantrag vom 04.09.2017 als vermeintliche Täterin benannt hatte. Auch diese gab zunächst die begehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung nicht ab.

Die Klägerin behauptet, bei dem über den Internetanschluss der Beklagten zu 1. über ein „Filesharing“-Netzwerk zum „Download“ angeboten Computerspiel habe es sich um eine spielfähige Version gehandelt. Aus den Ermittlungsprotokollen (Anlagen K14-15, Bl. 281 ff. d.A.) gehe hervor, dass acht separate Verbindungen mit
Test-„Downloads“ zu den dort genannten Zeiten zu den genannten IP-Adressen stattgefunden hätten.

Die Beklagte zu 1. hafte für die vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren der Abmahnung der Beklagten zu 1. als Anschlussinhaberin gemäß § 97a Abs. 3 UrhG. Eine Deckelung nach § 97a Abs. 3 S. 2 UrhG finde nicht statt.

Für den Lizenzanalogieschadensersatz hafte die Beklagte zu 1. als Anschlussinhaberin gemäß § 97 Abs. 2 UrhG. Die Haftung der Beklagten zu 1. ergebe sich ferner aus § 832 BGB. Sie habe sowohl gegenüber ihrer damals minderjährigen Nichte, der Beklagten zu 2., als auch gegenüber ihrem damals minderjährigen Sohn, wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 09.07.2019 betonte, Aufsichtspflichten verletzt.

Die Klägerin beantragte, nachdem sie die Klage – nach Mahnverfahren – zunächst nur gegen die Beklagte zu 1. erhoben hatte, ursprünglich,

I.

die Beklagte zu 1. zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag von 984,60 EUR nebst jährlicher Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.02.2014 zu zahlen;

II.

die Beklagte zu 1. zu verurteilen, an die Klägerin einen weiteren Betrag über 900 EUR nebst jährlicher Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 18.02.2014 zu zahlen.

Auf den Antrag der Beklagten zu 1. ist in der Sitzung des Amtsgerichts Frankfurt am Main am 16.01.2018 ein klageabweisendes Versäumnisurteil gegen die Klägerin ergangen. Gegen dieses Versäumnisurteil, das der Klägerin am 23.01.2018 zugestellt wurde (vgl. Bl. 79 d.A.), hat die Klägerin mit einem am 06.02.2018 bei Gericht eingegangenen Anwaltsschriftsatz (vgl. Bl. 80 d.A.) Einspruch eingelegt, diesen begründet und zunächst beantragt, das Versäumnisurteil aufzuheben und die Beklagte zu 1. wie ursprünglich beantragt (s.o.) zu verurteilen.

Mit Schriftsatz vom 01.04.2018 (Bl. 134 ff. d.A.) hat die Klägerin die Klage im Hinblick auf die Beklagte zu 2. erweitert. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 07.02.2019 (Bl. 200 ff. d.A.) haben beide Beklagten jeweils eine Unterlassungserklärung abgegeben, welche die Klägerin angenommen hat. Daraufhin haben die Parteien den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt. Nach objektiver Erweiterung der Klage mit Schriftsatz vom 07.06.2019 (Bl. 237 d.A.) nebst Klarstellung durch Schriftsatz vom 17.06.2019 (Bl. 300 d.A.) kündigte die Klägerin folgende Anträge an:

I.

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag von 984,60 EUR nebst jährlicher Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.02.2014 zu zahlen;

II.

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin einen weiteren Betrag über 4.599,00 EUR nebst jährlicher Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 18.02.2014 zu zahlen;

IV.

festzustellen, dass die Beklagte zu 2. verpflichtet ist, der Klägerin allen weiteren Schaden zu ersetzen, der dieser dadurch entstanden ist und noch entsteht, dass die Beklagte zu 2. die Datei … (Hashwert: …) mit dem Computerspiel „…“ für Dritte in Filesharingbörsen im Internet zum Download bereitgehalten hat;

V.

die Beklagte zu 2. zu verurteilen, der Klägerin Auskunft über den Umfang der Verletzungshandlung gemäß vorstehender Ziffer zu erteilen, geschlüsselt nach genutzten Internetanschlüssen, Anschriften der jeweiligen Anschlussinhaber der Internetanschlüsse, Uploadrate der jeweils genutzten Internetanschlüsse, Daten und Dauer der Verletzungshandlungen.

Nachdem die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 09.07.2019 den Verzicht bezüglich der vorgenannten gegen die Beklagte zu 2. geltend gemachten Ansprüche erklärt hat, beantragt die Klägerin nunmehr

unter Aufhebung des Versäumnisurteils vom 16.01.2018

I.

die Beklagte zu 1. zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag von 984,60 EUR nebst jährlicher Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.02.2014 zu zahlen;

II.

die Beklagte zu 1. zu verurteilen, an die Klägerin einen weiteren Betrag über 4.599,00 EUR nebst jährlicher Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 18.02.2014 zu zahlen;

III.

festzustellen, dass die Beklagte zu 1. verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser mit Blick auf die nutzlos aufgewendeten Rechtsverfolgungs- und Prozesskosten im Verhältnis zu der Beklagten zu 2. entstanden ist und noch entsteht.

Die Beklagte zu 1. beantragt,

die Klage abzuweisen;

Die Beklagte zu 2. beantragt,

die Abweisung der geltend gemachten Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte zu 2. im Wege des Verzichtsurteils.

Die Beklagte zu 1. behauptet, sie habe nie ein Computerspiel gespielt, noch das streitgegenständliche Computerspiel unter der IP-Adresse … zum Herunterladen bereitgestellt. Ihren Sohn habe sie zusammen mit ihrem Mann seit seinem 12. Lebensjahr mehrfach über die Rechtswidrigkeit von Internettauschbörsen belehrt. Das streitgegenständliche Computerspiel befinde sich nicht auf dem Computer der Beklagten zu 1. und habe sich dort auch nie befunden.

In der Klageerwiderung vom 04.09.2017 (Bl. 53 ff. d.A.) trägt die Beklagte zu 1. vor, dass das streitgegenständliche Computerspiel durch die Beklagte zu 2. zum Herunterladen bereitgestellt worden sei. Erst im Rahmen ihrer informatorischen Anhörung in der mündlichen Verhandlung am 09.07.2019 hat die Beklagte zu 1. klargestellt, dass sie nicht mehr wisse, wer das Computerspiel heruntergeladen haben könnte.

Die Beklagte zu 1. bestreitet, dass eine vollständige, das streitgegenständliche Computerspiel beinhaltende Datei zum „Upload“ bereitgestellt worden sei oder ein urheberrechtsfähigen Teil hiervon. Der angebliche „Download“ sei im Versuch stecken geblieben. Innerhalb von nur weniger Sekunden sei es auch technisch nicht möglich, ein ganzes Computerspiel oder einen relevanten Teil hiervon herunterzuladen.

Eine grundsätzliche Haftung des Internet-Anschlussinhabers für Urheberrechtsverletzungen Dritter bestehe nicht. Diese setze vielmehr eine Verletzung von Prüfungspflichten voraus, wobei keine grundsätzliche Haftung der Eltern für ihre Kinder bestehe. Den Aufsichtspflichten gegenüber ihrem Sohn sei die Beklagte zu 1. nachgekommen.

Die Höhe des Schadensersatzes sei überzogen. Außerdem würde ein Störer nicht für die von Dritten begangenen Urheberrechtsverletzungen auf Schadensersatz haften.

Zunächst hat das Amtsgericht Wiesbaden den Rechtsstreit mit Beschluss vom 05.09.2017 (Bl. 44 der Akte) wegen örtlicher Unzuständigkeit auf Antrag der Klägerseite an das Amtsgericht Frankfurt am Main verwiesen. Dieses hat sich, nachdem die Klägerin die Klage mit Schriftsatz vom 12.02.2017 (Bl. 77 d.A.) erweitert hat, für sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit mit Beschluss vom 24.05.2018 (Bl. 166 der Akte) an das Landgericht Frankfurt am Main verwiesen.

Die Kammer hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 21.03.2019 (Bl. 220 ff. d.A.) durch Vernehmung des Zeugen .... Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 09.07.2019 (Bl. 307 ff. d.A.) verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.

Aufgrund des Verzichts auf die gegen die Beklagte zu 2. geltend gemachten Ansprüche war die Klägerin auf entsprechenden Antrag der Beklagten zu 2. mit den gegen die Beklagte zu 2. geltend gemachten Ansprüchen abzuweisen (§ 306 ZPO). Insoweit bedurfte es keiner Entscheidungsgründe gemäß § 313b Abs. 1 ZPO.

B.

Sofern die Beklagte zu 1. im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 09.07.2019 beantragt hat, die Klage abzuweisen, wird Ihr Antrag – auch unter Berücksichtigung des in der Verhandlung vom 07.02.2019 (Bl. 202 d.A.) gestellten Antrags – dahingehend ausgelegt, dass sie beantragen wollte, das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten und die Klage im Übrigen abzuweisen.

C.

Aufgrund des Einspruchs der Klägerin gegen das Versäumnisurteil vom 16.01.2018 (Bl. 76 ff. d.A.) zugunsten der Beklagten zu 1. ist der Prozess nach § 342 ZPO in die Lage vor deren Säumnis zurückversetzt worden. Der Einspruch ist zulässig; er ist statthaft sowie form- und fristgemäß im Sinne der §§ 338 ff. ZPO eingelegt worden. Das Versäumnisurteil wurde dem Klägervertreter am 23.01.2018 zugestellt und der Einspruch ist binnen zwei Wochen, nämlich am 06.02.2018 bei Gericht eingegangen (§ 339 Abs. 1 ZPO).

D.

Die zulässige Klage ist im Hinblick auf die gegen die Beklagte zu 1. geltend gemachten Ansprüche teilweise begründet.

1.

Der Klägerin steht kein Anspruch auf Schadensersatz (Klageantrag zu II.) zu.

a) Ein solcher Anspruch resultiert insbesondere nicht aus § 97 Abs. 2 UrhG. Denn die Klägerin hat nicht bewiesen, dass die Beklagte zu 1. passivlegitimiert ist.

Die Klägerin trägt nach den allgemeinen Grundsätzen als Anspruchstellerin die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs auf Schadensersatz erfüllt sind. Sie hat darzulegen und im Bestreitensfall nachzuweisen, dass die Beklagte zu 1. für die von ihr behauptete Urheberrechtsverletzung als Täter verantwortlich ist (vgl. BGH, GRUR 2013, 511 Rn.32 - Morpheus; BGH, BGHZ 200, 76 Rn. 14 - BearShare; BGH, GRUR 2016, 191 Rn. 37 - Tauschbörse III; BGH, GRUR 2016, 1280 Rn. 32 - Everytime we touch). Allerdings spricht eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung keine anderen Personen diesen Internetanschluss benutzen konnten (BGH, BGHZ 200, 76 Rn. 15 - BearShare; BGH, GRUR 2016, 191 Rn. 37 - Tauschbörse III).

Eine die tatsächliche Vermutung ausschließende Nutzungsmöglichkeit Dritter ist anzunehmen, wenn der Internetanschluss zum Verletzungszeitpunkt nicht hinreichend gesichert war oder bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen wurde. In solchen Fällen trifft den Inhaber des Internetanschlusses jedoch eine sekundäre Darlegungslast. Diese führt weder zu einer Umkehr der Beweislast noch zu einer über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast (§ 138 Abs. 1 und 2 ZPO) hinausgehenden Verpflichtung des Anschlussinhabers, dem Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen. Der Anschlussinhaber genügt seiner sekundären Darlegungslast vielmehr dadurch, dass er dazu vorträgt, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen (EUGH, NJW 2019, 33 – Bastei Lübbe). Weitergehende Nachprüfungen dahingehend, ob die Familienmitglieder hinsichtlich der behaupteten Zugriffszeiten oder wegen der Art der Internetnutzung als Täter der geltend gemachten Rechtsverletzung in Betracht kommen, sind dem Anschlussinhaber hingegen nicht zumutbar. Ferner ist es dem Anschlussinhaber nicht zumutbar, die Internetnutzung seiner Familienmitglieder einer Dokumentation zu unterwerfen, um im gerichtlichen Verfahren seine täterschaftliche Haftung abwenden zu können. Auch kann vom Anschlussinhaber nicht die Untersuchung des Computers seiner Familienmitglieder im Hinblick auf die Existenz von „Filesharing“-Software verlangt werden (BGH, GRUR 2017, 386 Rn. 26 – Afterlife). Im Rahmen des Vortrags zu Umständen, die seine eigene Internetnutzung betreffen, kann der Anschlussinhaber jedoch zu der Angabe verpflichtet sein, ob auf dem von ihm genutzten Computer „Filesharing“-Software vorhanden war (BGH, GRUR 2017, 386 Rn. 27 – Afterlife).

Die pauschale Behauptung der bloß theoretischen Möglichkeit des Zugriffs von im Haushalt lebenden Dritten auf den Internetanschluss genügt hingegen nicht. Entspricht der Anschlussinhaber seiner sekundären Darlegungslast, ist es wieder Sache der Klägerin als Anspruchstellerin, die für eine Haftung des Beklagten als Täter einer Urheberrechtsverletzung sprechenden Umstände darzulegen und nachzuweisen (BGH, BGHZ 200, 76 Rn. 15 ff. - BearShare, m.w.N; BGH, GRUR 2016, 191 Rn. 37 und 42 - Tauschbörse III; BGH, GRUR 2016, 1280 Rn. 33 - Everytime we touch; BGH, GRUR 2017, 386, Rn. 14 f. - Afterlife).

Diesen Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast genügt der Vortrag der Beklagten zu 1. Sie hat eine konkrete mögliche Alternative zu ihrer Täterschaft durch die Benennung der Beklagten zu 2. als mögliche Täterin aufgezeigt. Die Beklagte hat vorgetragen, dass der Anschluss neben ihr von ihren Familienmitgliedern und der Beklagten zu 2. genutzt worden sei und als Täterin alleinig die Beklagte zu 2. in Betracht komme. Dies hat sie in der Klageerwiderung damit begründet, dass die Beklagte zu 2. sehr gerne Computerspiele gespielt, den Sohn der Beklagten zu 1. im September 2013 besucht und das streitgegenständliche Computerspiel nach der Aussage ihres Sohnes zum Herunterladen bereitgestellt habe.

Dass sie keine näheren Einzelheiten zu Zeitpunkt und Art der Internetnutzung (wie z.B. bezüglich der Nutzung über eigene Computer etc. oder den der Beklagten) mitteilte, ist unerheblich. Denn weitergehende Nachprüfungen dahingehend, ob diese tatsächlich hinsichtlich der von der Klägerin behaupteten Zugriffszeiten oder wegen der Art der Internetnutzung als Täter der geltend gemachten Rechtsverletzung in Betracht kommt, waren der Beklagten zu 1. nicht zumutbar (in diese Richtung weisend auch für Nicht-Familienmitglieder BGH, GRUR 2017, 386, Rn. 26 – Afterlife). Daneben hat die Beklagte zu 1. zudem vorgetragen, dass sich das streitgegenständliche Spiel zu keiner Zeit auf ihrem Rechner befunden habe. Auch hat sie dargelegt, dass ihre Familienmitglieder keine Computerspiele spielten und sie diese aufgefordert habe, gründliche Nachforschungen zu betreiben, ob eventuell Dritte den Anschluss benutzt haben könnten, was zu der Benennung der Beklagten zu 2. als Täterin geführt hat. Auch hierdurch hat sie den Anforderungen nach der „Afterlife-Rechtsprechung“ des BGH entsprochen.

Die Kammer hat ausgehend hiervon – auch unter Berücksichtigung der EUGH-Entscheidung „Bastei-Lübbe“ (EUGH, NJW 2019, 33) – den von der Klägerin angebotenen Beweis durch Vernehmung des Zeugen … erhoben und die Beklagten informatorisch gehört.

Der Nachweis, dass die Beklagte zu 1. Täterin der streitgegenständlichen Urheberrechtsverletzung war, ist der Klägerin nicht gelungen. Die Klägerin hat – wohl auch aufgrund des Vortrags der Beklagten zu 1., dass die Beklagte zu 2. die Täterin gewesen sei – keinen Beweis für die Täterschaft der Beklagten zu 1. angeboten.

Auch der Eindruck, den die Kammer aufgrund der Vernehmung des für die Täterschaft der Beklagten zu 2. benannten Zeugen … und der informatorischen Anhörung der Beklagten erlangte, lässt keine zwingenden Rückschlüsse auf eine Täterschaft der Beklagten zu 1. zu.

Der Zeuge … hat anlässlich seiner Vernehmung insoweit glaubhaft und in sich schlüssig bekundet, dass, soweit er es wisse, keine „Filesharing“-Software auf dem Rechner seiner Mutter, der Beklagten zu 1., installiert gewesen sei. Grundsätzlich könne er das ausschließen, weil seine Familie keine Verwendung für so etwas habe. Seine gesamte Familie habe nichts „gedownloaded“. Die Kammer folgt dieser Aussage. Auch wenn der Zeuge im Rahmen seiner Vernehmung teilweise Erinnerungslücken aufwies, war er ersichtlich um die Wahrheit bemüht. Auf konkrete Nachfragen des Gerichts konnte er seine Erinnerungslücken teilweise schließen, gestand aber offen ein, wenn er sich an einzelne Details des teils mehrere Jahre zurückliegenden Sachverhalts nicht erinnern konnte. Hierbei war, trotz des verwandtschaftlichen Verhältnisses zu der Beklagten zu 1., eine Begünstigungs- oder Belastungstendenz nicht erkennbar.

Die informatorisch gehörte Beklagte zu 1. hat sich dahingehend eingelassen, dass sie nicht viel vom Herunterladen von Computerspielen bzw. Computerspielen verstehe. Den heimischen Computer nutze sie im Wesentlichen für die Erstellung von Haushaltsrechnungen unter Verwendung von „Excel“, mit dem sie auch beruflich zu tun habe. Computerspiele spiele sie nicht, sie habe lediglich mit ihrem Sohn, als dieser noch klein gewesen sei, ein „Weihnachtsmann-Computerspiel“ gespielt, welches auf einer CD gewesen sei oder auch mal mit der „Wii“.

Die Beklagte zu 2. äußerte sie sich nicht zu einer möglichen Täterschaft der Beklagten zu 1.

b) Auch kann die Klägerin einen Schadensersatzanspruch nicht aus § 832 BGB herleiten.

Gemäß § 832 BGB ist derjenige, der kraft Gesetzes zur Führung der Aufsicht über eine Person verpflichtet ist, die wegen Minderjährigkeit oder wegen ihres geistigen oder körperlichen Zustands der Beaufsichtigung bedarf, zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den diese Person einem Dritten widerrechtlich zufügt. Die gleiche Verantwortlichkeit trifft denjenigen, welcher die Führung der Aufsicht durch Vertrag übernimmt.

aa) Die Klägerin hat gegenüber ihrer Nichte, der Beklagten zu 2., welche damals bei ihrem Sohn zum Spielen zu Besuch war, keine Aufsichtspflicht verletzt.

(a) Die Klägerin ist nicht kraft Gesetzes zur Führung der Aufsicht über die Beklagte zu 2. verpflichtet, da diese nicht ihr (damals minderjähriges) Kind ist.

(b) Auch liegt kein Fall des §§ 832 Abs. 2 BGB vor, denn die Beklagte zu 1. hat die Führung der Aufsicht der Beklagten zu 2. nicht durch Vertrag, auch nicht konkludent, übernommen.

Dass die Beklagte zu 1. vertraglich die Aufsichtspflicht bezüglich der Beklagten zu 2. übernommen hätte, hat die Klägerin nicht dargelegt. Auch kann nicht von einer konkludenten Übernahme der Aufsichtspflicht ausgegangen werden. Teils wird insoweit auf einen fingierten Rechtsbindungswillen abgestellt, teils auf die faktische Übernahme von Aufgaben des Pflichtigen, Nach beiden Auffassungen ist jedoch meist eine längerfristige Übernahme der Pflichten notwendig. Entgeltlichkeit der Aufsichtsübernahme, bei der häufig eine Versicherung abgeschlossen ist, ist ein weiteres Argument für die vertragliche oder faktische Übernahme der Aufsichtspflicht, ebenso die fehlende Aufsichtsmöglichkeit der Eltern, so z.B. wenn das Kind seine Ferien bei den Verwandten verbringt (Moritz in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 832 BGB, Rn. 14). Bei kurzzeitigen Aufenthalten des Kindes in anderen Familien soll jedoch eher keine Übernahme der Aufsichtspflicht bestehen: So z.B. beim (kurzfristigen) Babysitting, der Mitnahme des Kindes vom Kindergarten, dem Besuch bei anderen Kindern, oder einem Kindergeburtstag 11-jähriger Mädchen (vgl. hierzu Moritz in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 832 BGB, Rn. 15 m.w.N.).

Auch hier steht lediglich der Besuch der damals 17-jährigen Beklagten zu 2. bei dem damals 13-jährigen Sohn der Beklagten zu 1. zum Spielen im Raume, so dass unter Zugrundelegung der vorgenannten Kriterien nicht von einer konkludenten Übernahme einer Aufsichtspflicht auszugehen ist (so auch BGH, NJW 1968, 1874 in Bezug auf den Besuch von 4 und 6-jährigen Kindern bei Freunden; LG Oldenburg, Urteil vom 10. Januar 2007 – 5 O 1003/06 –, juris in Bezug auf das Aufpassen auf ein 2-3-jähriges Kind).

(c) Eine Haftung der Beklagten zu 1. wegen der Verletzung von Aufsichtspflichten gemäß § 832 BGB scheidet zudem aus, weil die Klägerin nicht darlegen und beweisen konnte, dass die Beklagte zu 2. die streitgegenständlichen Urheberrechtsverletzungen begangen hat.

Nach durchgeführter Beweisaufnahme ist die Kammer davon überzeugt, dass die Beklagte zu 2. die streitgegenständlichen Verletzungshandlungen nicht begangen hat.

Die informatorisch gehörte Beklagte zu 2. hat sich dahingehend eingelassen, dass sie die ihr vorgeworfene Tat nicht begangen habe. Der Vorwurf sei „Schwachsinn“. Sie habe nichts mit Computerspielen „am Hut“. Das einzige Computerspiel, das sie je gespielt habe, sei „Moorhuhn“ gewesen, welches ein „CD-Spiel“ gewesen sei. Damals sei sie 17 Jahre gewesen und habe andere Interessen gehabt

Die Aussage der Beklagten zu 2. wurde von dem vernommenen Zeugen … bestätigt, dessen Aussagen die Kammer folgt:

Der Zeuge …, der Cousin der Beklagten zu 2., hat angegeben, dass er sich nicht daran erinnern könne, dass die Beklagte zu 2. das streitgegenständliche Spiel heruntergeladen habe. Er habe damals als 13-jähriger aus dem „Stehgreif“ gesagt, es sei vielleicht die Beklagte zu 2. gewesen. Er habe das gesagt, weil die Beklagte älter als er gewesen und in der maßgeblichen Zeit öfter bei ihm zu Besuch gewesen sei. Damals habe er nicht bedacht, dass das WLAN in der Wohnung seiner Eltern so stark sei, dass es drei Stockwerke nach oben und drei nach unten reiche – er habe sogar an der nahe gelegenen Bushaltestelle WLAN-Empfang gehabt.

Die Aussage des Zeugen hält die Kammer insoweit für glaubhaft und den Zeugen für glaubwürdig. Eine Belastungs- bzw. Begünstigungstendenz des Zeugen war nicht erkennbar, auch wenn es sich um den Sohn der Beklagten zu 1. handelte. Vielmehr war der Zeuge ersichtlich um eine wahrheitsgemäße Aussage bemüht, was auch dadurch zum Ausdruck kam, dass er Erinnerungslücken hinsichtlich des mehrere Jahre zurückliegenden Geschehens eingestand.

Auch die informatorisch gehörte Beklagte zu 1. ließ sich dahingehend ein, dass sie vom heutigen Standpunkt nicht mehr wisse, wer das Spiel heruntergeladen haben könnte.

bb) Eine Haftung der Beklagten zu 1. wegen Verletzung von Aufsichtspflichten in Bezug auf ihren Sohn, den Zeugen …, gemäß § 832 BGB scheidet ebenfalls aus, denn auch insoweit hat die Klägerin nicht dargelegt und bewiesen, dass der Zeuge … die streitgegenständlichen Urheberrechtsverletzungen begangen hat.

Der von der Kammer vernommene Zeuge … hat ausgesagt, dass er das streitgegenständliche Spiel nicht heruntergeladen habe. Dies sei ein Fakt. Er habe damals wenig am Computer gespielt, allenfalls einfache Spiele wie „Moorhuhn“. 2013 habe er mehr Sport gemacht, auch hätte er das Herunterladen von Computerspielen damals nicht gekonnt.

Die Aussage des Zeugen hält die Kammer für glaubhaft und den Zeugen für glaubwürdig. Eine Belastungs- bzw. Begünstigungstendenz des Zeugen war nicht erkennbar, auch wenn es sich um den Sohn der Beklagten zu 1. handelte und diese Frage sein eigenes Verhalten betraf. Zudem ist der Zeuge auch nach dem in Aussicht stellen eines möglichen Antrags auf Vereidigung durch den Klägervertreter, bei seiner Aussage geblieben und bestätigte diese nochmals mit Nachdruck und ohne Zögern, indem er betonte, dass dies „ein Fakt“ sei.

Auch die informatorisch gehörten Beklagten ließen sich nicht dahingehend ein, dass die Tat von dem Zeugen begangen worden sei.

2.

Mangels Passivlegitimation der Beklagten zu 1. kann die Klägerin auch nicht die Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten bezüglich der Abmahnung der Beklagten zu 2. als Anschlussinhaberin von der Beklagten zu 1. verlangen (Klageantrag zu I.).

3.

Die Klägerin kann jedoch die Feststellung verlangen, dass die Beklagte zu 1. verpflichtet ist, ihr allen Schaden zu ersetzen, der dieser mit Blick auf die nutzlos aufgewendeten Rechtsverfolgungs- und Prozesskosten im Verhältnis zu der Beklagten zu 2. entstanden sind und noch entstehen werden (neuer Klageantrag zu III. in der in der letzten mündlichen Verhandlung gestellten Fassung), jedoch nur solche Schäden, die nach dem Erhalt der Klageerwiderung am 14.09.2017 entstanden sind.

a) Das notwendige Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO ist gegeben, da der Schaden derzeit noch nicht abschließend bezifferbar ist.

b) Dem Grunde nach haftet die Beklagte zu 1. der Klägerin gemäß § 826 BGB auf Ersatz der Schäden, welche ihr seit Erhalt der Klageerwiderung aufgrund der Inanspruchnahme der Beklagten zu 2. entstanden sind.

Das Gericht ist davon überzeugt, dass die Beklagte zu 1. schon vor der Fertigung der Klageerwiderung Kenntnis davon hatte, dass ihr Sohn nicht weiß, wer der Täter ist.

Denn der Zeuge … erläuterte auf konkrete Nachfrage des Gerichts insoweit glaubhaft und in sich schlüssig, dass er seiner Mutter anlässlich der Fertigung der Klageerwiderung auf entsprechende Nachfrage gesagt habe, dass er die streitgegenständliche Verletzungshandlung nicht begangen habe und auch nicht wisse, wer es gewesen sei. Auch insoweit folgt die Kammer der Aussage des Zeugen, der auch insoweit keine Belastungs- oder Begünstigungstendenz erkennen ließ.

Zudem ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass die Beklagte zu 2. die Tat von Anfang an – auch gegenüber der Beklagten zu 1. – zurückgewiesen hat, wie die informatorische Anhörung beider Beklagten ergab.

Dennoch hat die Beklagte zu 1. in der Klageerwiderung und auch im weiteren Prozessverlauf bis zum 09.07.2019 vortragen lassen, dass die nunmehrige Beklagte zu 2. das streitgegenständliche Computerspiel zum Herunterladen bereitgestellt habe. Hierdurch hat die Beklagte gegen ihre prozessuale Wahrheitspflicht (§ 138 ZPO) verstoßen. Dies hatte – wie für die anwaltlich vertretene Beklagte zu 1. zu erwarten war – zur Folge, dass die Klägerin die Beklagte zu 2. abmahnte und sodann gerichtlich gegen diese vorging, was Kosten bei der Klägerin verursachte. Hierdurch hat die Beklagte zu 1. die Klägerin bewusst in einen - nach eigener Kenntnis aussichtslosen - Prozess gegen die Beklagte zu 2. und damit hinsichtlich der diesbezüglichen Kosten „ins offene Messer“ laufen lassen (so auch BGH, GRUR 1990, 542 - Aufklärungspflicht des Unterwerfungsschuldners). Dieses Verhalten stellt eine sittenwidrige und vorsätzliche Handlung im Sinne von § 826 BGB dar (vgl. hierzu auch Zöller, ZPO, 32. Aufl. Rn. 7 m.w.N.; MüKoZPO/Fritsche, 5. Aufl. 2016, § 138 Rn. 16) mit der Folge, dass die Beklagte zu 1. der Klägerin alle Schäden zu ersetzen hat, die dieser aufgrund der Rechtsverfolgung der Beklagten zu 2. nach dem Erhalt der Klageerwiderung vom 04.09.2017 entstanden sind.

Die Klageerwiderung der Beklagten zu 1. wurde ausweislich der Akte am 11.09.2017 durch das AG Wiesbaden (vgl. Bl. 58 R d.A.) an die Klägerin übersandt, so dass bei Zugrundelegung einer üblichen Postlaufzeit von 3 Tagen von einem Zugang der Klageerwiderung am 14.09.2017 auszugehen ist.

b) Daneben haftet die Beklagte zu 1. der Klägerin dem Grunde nach wegen einer schuldhaften Nebenpflichtverletzung aus dem Unterlassungsvertrag für alle seit dem Abschluss dessen am 07.02.2019 entstandenen Schäden gemäß den §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB.

Aufgrund der Abgabe der Unterlassungsverpflichtungserklärung durch die Beklagte zu 1. in der mündlichen Verhandlung am 07.02.2019 (vgl. Protokoll Bl. 201 d.A.) und die Annahme dieser durch die Klägerin ist zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1. ein Unterlassungsvertrag zustande gekommen.

Dieser Unterlassungsvertrag wird in besonderem Maße durch Treu und Glauben und das Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme bestimmt, woraus sich je nach den Umständen auch Pflichten zur Aufklärung ergeben können, wenn dem anderen Teil als Folge des Verhaltens des Verletzers Kostenschäden drohen, die durch die Aufklärung unschwer zu vermeiden sind (BGH, GRUR 1990, 542 – Aufklärungspflicht des Unterwerfungsschuldners).

Eine solche Pflicht zur Aufklärung hat die Beklagte zu 1. vorliegend verletzt, denn die Beklagte zu 1. hatte – wie zuvor dargelegt – im Zeitpunkt des Abschlusses des Unterlassungsvertrages aufgrund eines anlässlich der Fertigung der Klageerwiderung mit ihrem Sohn geführten Gesprächs Kenntnis davon, dass dieser es – entgegen seiner ursprünglichen Behauptungen als 13-Jähriger – tatsächlich nicht wusste, wer die streitgegenständlichen Verletzungshandlungen begangen hat.

Dies hatte die Beklagte zu 1. der Klägerin bei Abschluss des Unterlassungsvertrages aufgrund der daraus resultierenden Aufklärungspflichten mitteilen müssen, um so zu vermeiden, dass der Klägerin aufgrund der weiteren Verfolgung der Beklagten zu 2. noch weitere Kosten entstehen.

Die Beklagte zu 1. musste aufgrund des Prozessverlaufs davon ausgehen, dass die Klägerin den Prozess gegen die Beklagte zu 2. weiterführen wird. Aufgrund der Äußerung ihres Sohnes und derjenigen der Beklagten zu 2., konnte sie jedoch damit rechnen, dass dieses Vorgehen der Klägerin erfolglos bleiben und somit die Klägerin selbst mit den diesbezüglichen Kosten belastet werden wird. Die Beklagte zu 1. hatte – auch dies wird durch den Verfahrensverlauf, namentlich durch den erklärten Verzicht, nachträglich bekräftigt – zudem Grund zu der Annahme, dass die Klägerin von einer gerichtlichen Verfolgung der Beklagten zu 2. Abstand nehmen (und damit weitere Kosten vermeiden) würde, wenn sie die der Beklagten zu 1. bekannten Umstände erführe. Aus dieser Konstellation erwuchs der Beklagten zu 1. eine Aufklärungspflicht gegenüber ihrer Vertragspartnerin, der Klägerin. Denn es verstößt in hohem Maße gegen die aus Treu und Glauben erwachsende Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Belange des anderen Vertragsteils, diesen aufgrund eines erweckten falschen Anscheins bewusst weiterhin in einen - nach eigener Vorstellung aussichtslosen - Prozess und damit hinsichtlich der weiteren Kosten „ins offene Messer“ laufen zu lassen (so auch BGH, GRUR 1990, 542 - Aufklärungspflicht des Unterwerfungsschuldners).

4.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 2, 91a ZPO.

Soweit die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend in Bezug auf den ursprünglich gegen die Beklagte zu 2. geltend gemachten Unterlassungsanspruch für erledigt erklärt haben, sind der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen (§ 91a ZPO). Dies entspricht der Billigkeit unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands, da die Klägerin ohne den Eintritt des erledigenden Ereignisses in dem Rechtsstreit bezüglich ihrer Klage aller Voraussicht nach unterlegen wäre, denn die Kammer ist, wie bereits dargelegt, davon überzeugt, dass die Beklagte zu 2. die streitgegenständliche Verletzungshandlung nicht begangen hat.

Im Übrigen waren die Kosten der Klägerin gemäß § 92 Abs. 2 ZPO aufzuerlegen, da ihr Obsiegen nur geringfügig ist und die diesbezügliche Forderung keine höheren Kosten auslöst.

5.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 1, 709 ZPO.