G20-Fahndungsaufruf von BILD rechtswidrig
Leitsatz
G20-Fahndungsaufruf von BILD rechtswidrig
Tenor
Der Beschluss der Kammer vom 20.07.2017 - einstweilige Verfügung - wird bestätigt.
Die Verfügungsbeklagte hat die weiteren Kosten des Eilverfahrens zu tragen.
Sachverhalt
Die Parteien streiten im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens um presserechtliche Ansprüche.
Anfang Juli 2017 fand in Hamburg der sogenannte G20-Gipfel statt. Es kam anlässlich dieser Veranstaltung nicht nur zu Demonstrationen, sondern auch zu erheblichen Krawallen, in deren Rahmen eine Vielzahl an Straftaten begangen wurden, darunter jedenfalls Sachbeschädigung sowie die Plünderung verschiedener Geschäfte. Die Krawalle waren Gegenstand umfangreicher Berichterstattung - auch im Nachgang.
Die Verfügungsklägerin (im Folgenden: "Klägerin") war bei den Demonstrationen zum G20-Gipfel jedenfalls anwesend, über den Umfang ihrer Beteiligung besteht zwischen den Parteien Streit.
Die Verfügungsbeklagte (im Folgenden: "Beklagte") betreibt die Webseite www.bild.de.
Am 09.07.2017 veröffentlichte die Beklagte einen Beitrag unter der Überschrift "Gesucht! Wer kennt diese G20-Verbrecher? Sachdienliche Hinweise bitte an die nächste Polizeidienststelle", der unter anderem den folgenden Inhalt hatte (Anlage ##, Bl. ## d.A.):
"Mit Steinen, Molotow-Cocktails und Stahlgeschossen wurden Polizisten beim Hamburger G20-Gipfel von Kriminellen angegriffen. Wer kann die Verbrecher identifizieren?
Was geht in diesem Schwerkriminellen vor? Sie behaupten, dass sie gegen den G20-Gipfel protestieren wollen. Dann beschießen sie Polizisten mit Stahlkugeln, die sogar die Panzerung eines Wasserwerfer durchschlagen. Sie nehmen den Tod von Menschen in Kauf.
Gestern zeigte Hartmut Dudde, der Einsatzleiter der Hamburger Polizei, die lebensgefährlichen Kugeln, von denen mehrere Beamte schwer verletzt wurden. Andere erlitten "Gesichtstreffer durch Pyrotechnik", wurden mit Steinen, Flaschen, sogar Fahrrädern beworfen.
Zwei Hubschrauberpiloten wurden mit Laserpointern geblendet, ein Helikopter mit einer Leuchtrakete beschossen. Die Liste der Verbrechen, die von Randalierern in Hamburg verübt wurde, ist noch viel länger. ...
Andere Chaoten feuerten Leuchtkugeln in die Menge, zerschlugen Scheiben, zündeten Autos an, bauten Barrikaden, legten Feuer direkt neben Wohnhäusern, plünderten Geschäfte oder zogen bewaffneten Gruppen durch die Stadt - alles Taten, die als schwerer Landfriedensbruch (mindestens sechs Monate Haft) bestraft werden können. ...
Die Polizei Hamburg ruft dazu auf, Bilder von der Randale auf der Internetseite www.hh.hinweisportal.de hoch zu laden - oder sich an die nächste Polizeidienststelle zu wenden. Alle Hinweise werden anonym behandelt, versichern die Ermittler. Nur in dringenden Notfällen rufen Sie die 110.
BILD unterstützt die Polizei, fragt: Wer kennt die Personen auf diesen Bildern? Sie sind dringend verdächtig, schwere Straftaten beim G20-Gipfel begangen zu haben. ..."
Auf zweien der Bildnisse wird die Klägerin vor einer geplünderten Filiale eines Drogeriemarktes gezeigt (Bl. ## d.A.). Dazu heißt es:
"Der Wochenend-Einklau? Wasser, Süßigkeiten und Kaugummis erbeutet die Frau im pinkfarbenen T-Shirt im geplünderten Drogeriemarkt ..."
Der Artikel wurde binnen weniger Tage über 70.000 mal über Facebook geteilt.
Die Klägerin ließ die Beklagte mit Schreiben vom ##.##.2017 abmahnen und zur Abgabe einer Unterlassungserklärung auffordern (Anlage ##, Bl. ## d.A.). Die Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom ##.##.2017 (Anlage ##, Bl. ## d.A.) ab. Zur Begründung führte sie an, dass es allein darauf ankomme, ob die angegriffene Berichterstattung wahr sei und ob die Anonymitätsinteressen der Klägerin ausnahmsweise den Vorzug vor dem öffentlichen Informationsinteresse genössen. Die Beklagte könne die Beteiligung der Klägerin an der Plünderung im Streitfalle durch umfangreiches Bildmaterial belegen.
Der Deutsche Presserat missbilligte die Berichterstattung der Beklagten mit Pressemitteilung vom 15.09.2017 (Anlage ##).
Auf den Antrag , wohl fehlerhaft datiert auf den ##.##.2017, hin hat die Kammer mit Beschluss vom 20.07.2017 - einstweilige Verfügung (Bl. ## d.A.) - unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt,
"die Klägerin im Zusammenhang mit der Suche nach den G20-Verbrechern durch Bekanntgabe ihres nachfolgend wiedergegebenen Bildnisses erkennbar zu machen und/oder machen zu lassen
[es folgt die Wiedergabe des angegriffenen Lichtbildes]
wenn dies geschieht, wie in dem Textbeitrag "Gesucht! Wer kennt diese G20-Verbrecher? Sachdienliche Hinweise bitte an die nächste Polizei-Dienststelle", der unter www.bild.de abrufbar ist (Ast 2) ist."
Gegen die einstweilige Verfügung hat die Beklagte mit Schriftsatz vom ##.##.2017 Widerspruch eingelegt.
Die Klägerin behauptet, ihr seien die streitgegenständlichen Gegenstände von Dritten in die Hand gedrückt worden. Sie habe diese zurückgelassen.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass sie im Gesamtkontext der Berichterstattung zu den Schwerkriminellen gezählt werde. Die Beklagte unterstelle der Klägerin dadurch Tötungsvorsatz und die Begehung schwerer Kriminalität. Die Beklagte überschreite die Grenzen einer zulässigen Berichterstattung über den Verdacht von Straftaten aus Gründen der "Skandalisierung, größtmöglichen Erregung von Aufmerksamkeit und Profitmaximierung" vorsätzlich.
Die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung seien auf die streitgegenständliche Berichterstattung anwendbar.
beantragt,
die einstweilige Verfügung der Kammer vom 20.07.2017, Az. 2-03 O 270/17, zu bestätigen und den Widerspruch der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die einstweilige Verfügung des Landgerichts Frankfurt am Main vom 20.07.2017 (Az. 2-03 O 270/17) aufzuheben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückzuweisen.
Die Beklagte behauptet, die Klägerin habe sich an der Plünderung des abgebildeten Drogeriemarkts beteiligt. Zusammen mit einigen schwarz gekleideten, vermummten Personen habe sie den Laden betreten und dort Wasser, Süßigkeiten und Kaugummis an sich genommen.
Die Beklagte ist der Auffassung, die angegriffene Berichterstattung sei zulässig. Die Klägerin werde nicht unzulässig in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt. Der Bericht habe dazu gedient, die Polizei bei der schwierigen Aufgabe zu unterstützen, die Verantwortlichen und Beteiligten der G20-Krawalle zur Verantwortung zu ziehen.
Auf die streitgegenständliche Berichterstattung seien die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung nicht anwendbar, da die Beklagte eine eigene Tatsachenbehauptung aufstelle, die sie in ihrem Bericht durch Fotos selbst belege. Die Klägerin erfahre durch die Berichterstattung weder eine besondere Stigmatisierung, noch soziale Ausgrenzung und Isolierung. An einer sozialen Ausgrenzung oder gar Isolierung fehle es bereits, weil die Klägerin für einen beliebigen Leser des Artikels unmöglich zu erkennen sei. Allenfalls Personen, die sie bereits sehr gut kennen, seien in der Lage, sie auf den Bildern zu identifizieren. Darüber hinaus seien eventuelle negative Folgen der Berichterstattung dem eigenen Verhalten der Klägerin zuzuschreiben. Sie habe die schweren Krawalle jedenfalls touristisch begleitet und sogar selbst geplündert. Für diese Entscheidung trage die Klägerin selbst die Verantwortung. Der Bericht beschränke sich darauf, das Verhalten der Antragstellerin bildlich zu dokumentieren und in der Bildunterschrift zu beschreiben. Der Artikel sei so konzipiert und aufgeteilt, dass im Text allgemein dargestellt werde, zu welchen Formen der Ausschreitungen es gekommen sei. Im Einzelnen mache der Artikel aber nur exakt die Vorwürfe, die er auch bildlich belege.
Für die Zulässigkeit der Veröffentlichung spreche das berechtigte Interesse daran, Plünderungen ins Bild zu setzen. Der Artikel habe das Ziel verfolgt, der Polizei bei der Aufklärung der Krawalle beizustehen.
Die Klägerin treffe vorliegend eine Wahrheitspflicht. Sie müsse vortragen, ob die Vorwürfe zutreffen und entsprechenden Vortrag auch belegen, z.B. durch Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung.
Auch nach den Grundsätzen der Verdachtsberichterstattung sei die angegriffene Berichterstattung zulässig. Der Beitrag enthalte keine Vorverurteilung der Klägerin. Die Beklagte habe nicht suggeriert, dass die Schuld der Klägerin schon gerichtlich festgestellt sei. Es habe von der Beklagten auch nicht verlangt werden können, eine Stellungnahme der Klägerin einzuholen. Dies sei der Beklagten unmöglich gewesen. Die Beklagte könne sich ferner auf die Wahrnehmung berechtigter Interessen berufen. Ausreichend sei insoweit, dass bei einem Gegenstand öffentlicher Diskussion die Berichterstattung sich auf jene Lebensbereiche des Betroffenen beziehe, die mit dem gegen ihn erhobenen Vorwurf im Zusammenhang stehen. Es liege auch kein Verstoß gegen die Unschuldsvermutung vor, da die Beklagte die Grenzen zulässiger Verdachtsberichterstattung eingehalten habe.
Die Beklagte hat im Termin zur mündlichen Verhandlung Fotografien zur Akte gereicht, die in richterlichen Augenschein genommen wurden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Auf den Widerspruch war die einstweilige Verfügung - Beschluss - vom 20.07.2017 auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen. Dies führte zu ihrer .
1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unterlassung der streitgegenständlichen Berichterstattung aus den §§ 823, 1004 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG, §§ 22 f. KUG. Die Berichterstattung der Beklagten greift unzulässig in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin ein. Dabei kommt es im Ergebnis nicht darauf an, ob die angegriffene Berichterstattung nach den Grundsätzen der Verdachtsberichterstattung oder als eigene Tatsachenbehauptung der Beklagten anzusehen ist oder ob eine solche Trennung möglich oder geboten ist.
Auch kommt es im Ergebnis nicht darauf an, ob die Beklagte generell berechtigt ist, "Fahndungsaufrufe" abzudrucken und welche Rolle insofern die - für Behörden - teils hohen Anforderungen der §§ 131 ff. StPO sowie die Regelung des § 24 KUG haben (vgl. OLG Frankfurt a.M. NJW 1971, 47: Einzelfallabwägung; generell ablehnend zu Fahndungsaufrufen der Medien LG Köln AfP 2004, 459, 460: eigene "Fahndungsmaßnahmen" der Medien scheiden aus, wobei im Einzelfall Ausnahmen greifen können sollen, wenn die Behörden die Medien ausdrücklich um Ausstrahlung der betroffenen Bilder gebeten haben; ferner Gulden/Dausend, MMR 2017, 723; zu einer Namensnennung mit der Bitte um Hinweise aus der Bevölkerung auf einer Pressekonferenz der Ermittlungsbehörden vgl. OLG Celle NJW 2004, 1461). Denn unabhängig hiervon verletzt die angegriffene Berichterstattung mitsamt bildlicher Darstellung die Klägerin unzulässig in ihrem Persönlichkeitsrecht.
Die Klägerin ist auf den streitgegenständlichen Bildnissen - jedenfalls in Kombination der beiden Bildnisse - hinreichend erkennbar.
An die Erkennbarkeit einer Person werden grundsätzlich keine hohen Anforderungen gestellt. Es kommt insoweit nicht darauf an, ob alle oder ein erheblicher Teil der Leser oder gar die Durchschnittsleser die gemeinte Person identifizieren können. Vielmehr reicht die Erkennbarkeit im Bekanntenkreis aus (BGH GRUR 1979, 732 - Fußballtor; OLG Frankfurt a.M. GRUR-RR 2017, 120 Rn. 44 - Dschihadist; Soehring/Hoene, Presserecht, 5. Aufl. 2013, Kap. 13 Rn. 37). Ausreichend ist es, wenn der Betroffene begründeten Anlass zu der Annahme hat, dass über das Medium persönlichkeitsverletzende Informationen auch an solche Empfänger gelangen, die aufgrund ihrer sonstigen Kenntnisse in der Lage sind, anhand der mitgeteilten individualisierenden Merkmale die Person zu identifizieren, auf die sich die Aussagen beziehen (BVerfG NJW 2004, 3619, 3620; BGH GRUR 2010, 940 Rn. 13 f. - Überwachter Nachbar). Die Erkennbarkeit bei Bildnissen kann sich aus den Gesichtszügen oder sonstigen Merkmalen, die einer Person eigen sind, ergeben (BGH GRUR 2000, 715, 716 - Der blaue Engel). Die Erkennbarkeit kann auch aus begleitenden Umständen wie anderen Bildeinzelheiten herrühren.
Nach diesen Grundsätzen geht die Kammer vorliegend davon aus, dass die streitgegenständlichen Bildnisse der Klägerin insgesamt - jedenfalls für deren Bekanntenkreis - geeignet sind, die Klägerin zu identifizieren. Die Klägerin wird einerseits von hinten in einer bestimmten Pose gezeigt, andererseits sind auf dem - vergrößerten - Bild von vorne, auf dem jedoch ein Großteil des Gesichts verdeckt ist, Auge, Nase, Mund und Frisur sowie Bekleidung der Klägerin zu erkennen. Auch die Beklagte geht in ihrem Beitrag offenbar von einer Erkennbarkeit der Klägerin aus, denn ansonsten wäre ein Fahndungsaufruf mit diesen Bildnissen unsinnig. Sie bestreitet im Ergebnis auch nicht, dass die Klägerin jedenfalls in ihrem Bekanntenkreis erkennbar ist. Die Klägerin hat dementsprechend begründeten Anlass zu der Annahme, dass Dritte sie auf den streitgegenständlichen Bildnissen erkennen werden.
Die Veröffentlichung der Bildnisse im Zusammenhang mit den angegriffenen Äußerungen greift in das Persönlichkeitsrecht der Klägerin ein.
Wegen der Eigenart des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalls sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (BGH NJW 2016, 789 Rn. 20; BGH NJW 2016, 56 Rn. 29; BGH NJW 2014, 2029 Rn. 22; jew. m.w.N.).
Die Zulässigkeit von Bildveröffentlichungen ist nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG zu beurteilen (BGH GRUR 2007, 527 - Winterurlaub m.w.N.). Danach dürfen Bildnisse einer Person grundsätzlich nur mit ihrer Einwilligung verbreitet werden (§ 22 S. 1 KUG). Hiervon besteht allerdings gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG eine Ausnahme, wenn es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt. Diese Ausnahme gilt aber nicht für eine Verbreitung, durch die berechtigte Interessen des Abgebildeten gemäß § 23 Abs. 2 KUG verletzt werden (BGH GRUR 2013, 1065 Rn. 10 - Eisprinzessin Alexandra).
Schon die Beurteilung, ob Abbildungen Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG sind, erfordert eine Abwägung zwischen den Rechten des Abgebildeten aus Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG, 8 Abs. 1 EMRK einerseits und den Rechten der Presse aus Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK andererseits. Der für die Frage, ob es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt, maßgebende Begriff des Zeitgeschehens umfasst alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse. Dazu können neben politischen und gesellschaftlichen Ereignissen auch Veranstaltungen gehören, und zwar auch dann, wenn sie nur regionale Bedeutung haben. Ein Informationsinteresse besteht allerdings nicht schrankenlos, vielmehr wird der Einbruch in die persönliche Sphäre des Abgebildeten durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt (BGH GRUR 2013, 1065 Rn. 12 - Eisprinzessin Alexandra; BGH GRUR 2008, 1024 - Shopping mit Putzfrau auf Mallorca). Für die Beurteilung der Zulässigkeit ist auch die zu Grunde liegende Textberichterstattung einzubeziehen. Dies gilt auch für die Form der Berichterstattung. Insoweit hat das OLG Frankfurt a.M. zur Fernsehsendung "Aktenzeichen XY", in der die Öffentlichkeit unter der bildlichen Angabe und namentlichen Nennung eines Betroffenen um Hinweise gebeten wurde, eine Interessenabwägung als erforderlich angesehen. Die Veröffentlichung von Namen und Bildnis sei nur zulässig, wenn es sich um eine Straftat von erheblicher Bedeutung und nicht um eine Bagatellsache handele (OLG Frankfurt a.M. NJW 1971, 47, 48). Eine solche Straftat von erheblicher Bedeutung hat das OLG Frankfurt a.M. bei einem besonders brutalen Gewaltverbrechen mit der Befürchtung einer Serientat und drohender Wiederholungen angenommen (OLG Frankfurt a.M. a.a.O.). Weitere Gesichtspunkte können sein, ob der Verdächtige bereits vorbestraft ist, in welchem Maße der Appell an ein Millionen-Publikum geeignet ist, zur Verbrechensaufklärung beizutragen, ferner, in welchem Ausmaß der Verdachtsgrad besteht. Das Interesse der Allgemeinheit sei besonders schutzwürdig, wenn gegen den Verdächtigen bereits ein Haftbefehl vorliege, der Haftrichter also den "dringenden Tatverdacht" geprüft und bejaht habe. Grundsätzlich müssten die Medien abwarten, ob die "konventionellen" Mittel der Verbrechensaufklärung zum Ziele führen oder nicht (OLG Frankfurt a.M. NJW 1971, 47, 49).
Es kommt insoweit im Ergebnis nicht darauf an, ob der Vortrag der Beklagten, dass die Klägerin im Rahmen der G20-Krawalle Wasser, Süßigkeiten und Kaugummis "erbeutet" habe, zutrifft oder nicht. Diesbezüglich hat die Kammer auch die im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegten Fotografien berücksichtigt, auf denen jedenfalls erkennbar ist, dass die Klägerin Gegenstände, die vor dem geplünderten Supermarkt lagen, aufgehoben hat und mit diesen anschließend aus dem Bild gegangen ist.
aa. Die Klägerin hat in die Veröffentlichung der sie zeigenden Bildnisse nicht eingewilligt (§ 22 KUG).
bb. Die streitgegenständlichen Bildnisse stellen Bildnisse der Zeitgeschichte im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG dar. Die Beklagte verweist zu Recht darauf, dass die G20-Krawalle und die damit einhergehenden umfangreichen und massiven Straftaten ein Geschehen von hohem öffentlichem Interesse darstellen.
cc. Die Abbildung der Bildnisse greift jedoch unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, der in § 23 Abs. 2 KUG eine besondere Verankerung erfährt, sowie aller Umstände des hiesigen Einzelfalls in die berechtigten Interessen der Klägerin in unzulässiger Weise ein.
Hier war nach den oben dargestellten Grundsätzen in die gebotene Abwägung auf Seiten der Beklagten das Recht auf Pressefreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 GG einzustellen, auf Seiten der Klägerin das Schutzinteresse aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG.
Die Kammer hat zu Gunsten der Beklagten berücksichtigt, dass es sich bei den Vorfällen um den G20-Gipfel um ein Ereignis von besonderer politischer und gesellschaftlicher Relevanz handelt. Die Kammer verkennt nicht, dass auch die Abbildung von Straftaten während der Krawalle vom Auftrag an die Presse, die Öffentlichkeit umfassend zu informieren, umfasst ist. Wie der Kammer bekannt ist, sind während des G20-Gipfels eine Vielzahl von - friedlichen - Demonstrationen abgehalten worden, die jedoch in der öffentlichen Berichterstattung und Wahrnehmung durch die massiven Vorfälle teils überschattet wurden. Das öffentliche Interesse auch an diesen Vorfällen, deren politische Aufarbeitung nach Kenntnis der Kammer noch immer andauert, ist daher naturgemäß sehr hoch. Die Kammer hat in der Abwägung auch gewürdigt, dass die Beklagte mit ihrem Fahndungsaufruf bei der Ermittlung von Straftätern helfen wollte und dass insoweit die Identifizierung von Personen sich bereits zum Zeitpunkt der angegriffenen Berichterstattung als schwierig dargestellt hatte. Weiter hat die Kammer einbezogen, dass die Klägerin durch die Berichterstattung lediglich in ihrer Sozialsphäre betroffen ist und weiter, dass die Klägerin auf den Bildnissen nicht für jedermann zu erkennen ist. Letztlich ist ein öffentlicher Fahndungsaufruf auch geeignet, den Täter zu ermitteln, was sich im Übrigen schon der Wertung der §§ 131 ff. StPO entnehmen lässt.
Auf der anderen Seite sind jedoch die Schutzinteressen der Klägerin und die Umstände des hiesigen Einzelfalles zu berücksichtigen.
Es ist anerkannt, dass der Presse bei der Berichterstattung einer von ihr möglicherweise ausgehenden Prangerwirkung bei identifizierender Berichterstattung besondere Zurückhaltung aufgegeben wird, was sich auch darin zeigt, dass strenge Anforderungen an das "Ob" und "Wie" der Berichterstattung zu stellen sind (vgl. Löffler/Steffen, PresseR, 6. Aufl. 2015, § 6 Rn. 178, 205). Eine identifizierende Berichterstattung kann dabei insbesondere zulässig sein, wenn Art und Schwere der Tat sowie die Aktualität das rechtfertigen (Löffler/Steffen, a.a.O., § 6 Rn. 205).
Diese Grundsätze hat die Beklagte vorliegend missachtet. Hierbei ist - wie stets - die angegriffene Berichterstattung entsprechend dem Verständnis des unbefangenen Durchschnittsempfängers zu interpretieren (Wenzel/Burkhardt, Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl. 2003, Kap. 4 Rn. 4; Soehring/Hoene, a.a.O., § 14 Rn. 4a; jew. m.w.N.).
Die Kammer folgt insoweit nicht der Auffassung der Beklagten, dass der Durchschnittsleser des angegriffenen Beitrages im Gesamtkontext der Berichterstattung aufgrund einer angeblich gewählten Aufteilung erkennen wird, dass der Klägerin nur und allein der Diebstahl von Wasser, Süßigkeiten und Kaugummi vorgeworfen wird. Selbst wenn die Kammer dieser Auffassung der Beklagten - für diese günstig - aber folgte, dass nämlich der Durchschnittsleser aus der angegriffenen Berichterstattung allein entnähme, dass die Klägerin geringwertige Gegenstände erbeutet hat, und die Kammer keinen darüber hinausgehenden prangerartigen Vorwurf aus der Berichterstattung im Gesamtkontext entnehmen würde, würde dies der Verteidigung der Beklagten nicht zum Erfolg verhelfen. Denn in diesem Falle hätte die Beklagte identifizierend, unter bildlicher Darstellung der Klägerin und mit erheblicher Breitenwirkung über einen von der Klägerin durchgeführten Diebstahl geringwertiger Sachen gemäß den §§ 242, 248a StGB berichtet, der im unteren Strafmaß lediglich mit Geldstrafe belegt ist und dessen Verfolgung nur unter den besonderen Voraussetzungen des § 248a StGB geboten ist.
Auch angesichts der äußeren Umstände, der Krawalle und der unstreitigen Plünderung des Drogeriemarktes sowie der im sonstigen Umfeld begangenen erheblichen Straftaten, rechtfertigt ein solcher Diebstahl geringwertiger Sachen schon nicht die streitgegenständliche Berichterstattung. Dies gilt selbst dann, wenn der Leser - nicht dem Verständnis der Beklagten von der Aufteilung des Beitrages folgend - annähme, dass gegen die Klägerin der Verdacht der Begehung eines (besonders schweren) Landfriedensbruchs gemäß den §§ 125, 125a StGB bestünde, was die Beklagte im angegriffenen Beitrag dem Leser nahelegt. Denn selbst nach dem Vortrag der Beklagten kommt eine Strafbarkeit der Klägerin wegen Landfriedensbruchs nach § 125 StGB bzw. schweren Landfriedensbruchs nach § 125a StGB nicht in Betracht. Nach § 125 Abs. 1 StGB begeht Landfriedensbruch, wer sich an Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder Sachen oder Bedrohungen von Menschen mit einer Gewalttätigkeit als Täter oder Teilnehmer beteiligt, die aus einer Menschenmenge in einer die öffentliche Sicherheit gefährdenden Weise mit vereinten Kräften begangen werden, oder wer auf die Menschenmenge einwirkt, um ihre Bereitschaft zu solchen Handlungen zu fördern. Diese Voraussetzungen hat die Beklagte im Hinblick auf die Klägerin nicht dargetan. Die Beklagte behauptet schon nicht, dass sich die Klägerin an Gewalttätigkeiten beteiligt hätte. Für einen besonders schweren Fall des Landfriedensbruchs gemäß § 125a StGB wiederum ist erforderlich, dass der Täter zugleich die Merkmale des § 125 StGB erfüllt. Nicht ausreichend ist daher das Plündern unter Ausnutzung des von anderen begangenen Landfriedensbruchs (Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl. 2014, § 125a Rn. 12 m.w.N.), so dass selbst das Ansichnehmen von Gegenständen (zudem außerhalb des Drogeriemarktes) auch diesen Tatbestand nicht erfüllen würde.
Dieses Ergebnis gilt auch unter Berücksichtigung der vom OLG Frankfurt a.M. zur Öffentlichkeitsfahndung durch Medien aufgestellten Grundsätze (siehe oben). Denn es handelte sich gemäß den obigen Ausführungen vorliegend nicht um eine erhebliche Straftat. Auch war vorliegend nicht damit zu rechnen, dass es sich um eine Serientat der Klägerin handelt (vgl. OLG Frankfurt a.M. NJW 1971, 47, 48), die - den Vortrag der Beklagten zu ihren Gunsten als wahr unterstellt - lediglich eine sich auftuende Gelegenheit zur Begehung einfacher Straftaten ausgenutzt hätte. Nachdem die Beklagte selbst im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, dass es sich um eine absolute Ausnahmesituation handelte, war auch aus Sicht der Allgemeinheit mit einer Serientäterschaft der Klägerin nicht zu rechnen.
Des Weiteren hat die Beklagte gerade nicht abgewartet, ob konventionelle Methoden der Täterermittlung Erfolg zeigen oder nicht (vgl. OLG Frankfurt a.M. NJW 1971, 47, 49), sondern hat bereits wenige Tage nach den Vorfällen ihren Fahndungsaufruf veröffentlicht. Die Beklagte hat auch nicht vorgetragen, dass sie bei den Ermittlungsbehörden angefragt hat, ob diese auf der Suche nach der Klägerin sind und/oder bereits Maßnahmen nach den §§ 131 ff. StPO ergriffen haben. Vielmehr hat auch die Beklagte eingeräumt, dass die Polizei Hamburg die Bevölkerung selbst um die Einsendung von Bildmaterial gebeten hat, ohne einzelne Verdächtige zu benennen oder bildlich zu zeigen. Die Beklagte ist damit zu einem frühen Zeitpunkt und ohne Abwarten oder Überprüfen behördlicher Maßnahmen mit einem "eigenen Fahndungsaufruf" (vgl. LG Köln AfP 2004, 459) an die Öffentlichkeit gegangen.
Im Übrigen sprechen auch die weiteren Umstände der Berichterstattung aus Sicht des Durchschnittsempfängers gegen die Zulässigkeit der streitgegenständlichen Berichterstattung über die Klägerin. So werden insbesondere die auf den Bildnissen abgebildeten Personen als "Verbrecher" bezeichnet und jedenfalls in einen Zusammenhang gestellt mit schweren Straftaten, wie dem Beschuss von Polizisten oder anderen Personen mit lebensgefährlichen Kugeln, Pyrotechnik, Steinen oder Flaschen. Die Beklagte hat insoweit auch die Klägerin, der sie demgegenüber lediglich den Diebstahl geringwertiger Sachen vorwirft, deutlich hervorgehoben. Der Leser entnimmt daher den Bildnissen, die die Klägerin vor einem demolierten und ausgeplünderten Drogeriemarkt zeigen, im Zusammenhang mit der Berichterstattung den - auch vom Vortrag der Beklagten selbst - nicht gedeckten Vorwurf, dass die Klägerin sich an den Sachbeschädigungen und/oder weiteren Gewalttaten jedenfalls im Zusammenhang mit der Plünderung dieses Drogeriemarktes beteiligt habe. Die Beklagte stellt in diesem Zusammenhang die Klägerin sichtlich an den (Fahndungs-)Pranger, was sich aus dem Gesamtkontext der Berichterstattung, die alle der abgebildeten Personen als "Verbrecher" bezeichnet und es jedenfalls als naheliegend darstellt, dass sich diese Personen an schweren Straftaten beteiligt haben, z.B. durch die einleitende Frage "Wer kennt die Personen auf diesen Bildern? Sie sind dringend verdächtig, schwere Straftaten beim G20-Gipfel begangen zu haben."
2.
Auch die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr ist gegeben. Im Regelfall indiziert die Erstbegehung die Wiederholungsgefahr (ständige Rechtsprechung BGH GRUR 1997, 379, 380 - Wegfall der Wiederholungsgefahr II). Im Allgemeinen gelingt eine Widerlegung der Wiederholungsgefahr durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung, die jedoch beklagtenseits verweigert wurde. Damit zeigt Beklagte, dass nach wie vor Wiederholungsgefahr besteht (vgl. BGH GRUR 1998, 1045, 1046 - Brennwertkessel).
3. Die Entscheidung über die Androhung eines Ordnungsmittels beruhte auf § 890 ZPO.
4. Der Verfügungsgrund der Eilbedürftigkeit ist ebenfalls gegeben.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, da die Beklagte voll unterlegen ist.
6. Auf den Schriftsatz vom ##.##.2017 war nicht erneut rechtliches Gehör zu gewähren. Auch war die mündliche Verhandlung nicht nach § 156 ZPO wieder zu eröffnen. Denn der Schriftsatz enthält keinen neuen entscheidungserheblichen Tatsachenvortrag.