Für illegales Online-Anbieten eines Hörbuchs 300,- EUR Schadensersatz
Leitsatz
Für das rechtswidrigen Anbieten eines Hörbuchs in einer P2P-Tauschbörse hat der Rechteinhaber einen Anspruch auf 300,- EUR Schadensersatz
Tenor
In dem Rechtsstreit (...) erlässt das Amtsgericht München (...) folgendes Endurteil:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 300,00 € nebst Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 16.05.2013 sowie Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz bezahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Sachverhalt
Die Parteien streiten über einen Schadens- und Aufwendungsersatzanspruch wegen unberechtigter Verwertung des Hörbuches (...) in einer Internettauschbörse.
Die Beklagte unterhält einen häuslichen Internetanschluss. Die Klägerin ist Inhaberin der ausschließlichen Verwertungsrechte des streitgegenständlichen Hörbuches.
Am 15.08.2010 von 17:39:58 Uhr bis 17:56:38 Uhr ist das streitgegenständliche Hörbuch über den Internetanschluss der Beklagten zum Download angeboten worden. Mit Schreiben vom (...)2010 mahnte die Klägerin die Beklagte wegen Anbietens des Hörbuches ab und forderte zur Abgabe einer Unterlassungserklärung auf. Die Beklagte zahlte ohne Anerkennung einer Rechtspflicht 100 € unter der Voraussetzung, dass damit der Rechtsstreit einvernehmlich beendet wird.
Die Klägerin leitete am 25.07.2013 ein gerichtliches Mahnverfahren ein.
Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte hafte als Täterin der streitgegenständlichen Rechtsverletzungen. Sie habe der ihr obliegenden sekundären Darlegungslast nicht genügt, so dass vermutet wird, dass die Beklagte die Täterin der Urheberrechtsverletzung ist.
Die Klägerin beantragt:
Die Beklagtenseite wird verurteilt, an die Klägerseite
1. einen angemessenen Schadensersatz, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, der jedoch insgesamt nicht weniger als EUR 300,00 betragen soll, zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 16.05.2013 sowie
2. EUR 506,00 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 16.05.2013 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt Klageabweisung.
Die Beklagte behauptet, sie habe die streitgegenständliche Rechtsverletzung nicht begangen. Neben ihr hätte ihr Ehemann (...) Zugriff auf das Internet gehabt, sie hätte das Internet lediglich für E-Mail, Shopping und Informationsbeschaffung genutzt und auch ihr zum damaligen Zeitpunkt 13jähriger Sohn hätte das Internet benutzen können. Zudem habe sie nur rudimentäre PC-Kenntnisse, während ihr Ehemann und ihr Sohn weit bessere PC-Kenntnisse hätten und weit mehr Zeit im Internet verbrächten als sie.
Im Übrigen habe sie im streitgegenständliche Zeitpunkt das Abendbrot zubereitet.
Die Beklagte meint, sie habe der sie treffenden sekundären Darlegungslast genügt. Sie habe die ernsthafte Möglichkeit eines abweichenden Geschehensablaufs aufgezeigt. Die Höhe des geltend gemachten Schadensersatzes sei ungerechtfertigt und der Streitwert sei von der Klägerin zu hoch angesetzt.
Die Beklagte hat Zeugenbeweis dafür angeboten, dass sie nicht Täterin der streitgegenständlichen Rechtsverletzung sei, durch Einvernahme ihres Ehemanns Herrn (...). Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 31.01.2014 und vom 29.10.2014, in der die Beklagte erstmals den Namen des nutzungsberechtigen Sohnes mitteilte, und die Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
I.
Die Klage ist zulässig, insbesondere ergibt sich die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts München aus § 32 ZPO. Die Regelung des § 104a UrhG steht wegen § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO nicht entgegen.
Die Klage ist begründet.
1. Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Schadenersatz in Höhe von 300,00 € gemäß § 97 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 UrhG.
a) Da die Rechtsverletzung unstreitig über den Anschluss der Beklagten begangen wurde, trifft die Beklagte eine tatsächliche Vermutung dahingehend, dass sie als Inhaberin des Internetanschlusses für über ihren Anschluss begangene Rechtsverletzungen verantwortlich ist (vgl. BGH, Urt. v. 8.1.2014 -1ZR 169/12 - „Bearshare" sowie BGH, NJW 2010,2061 - „Sommer unseres Lebens").
Eine tatsächliche Vermutung ist nur dann nicht begründet, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung (auch) andere Personen diesen Anschluss benutzen konnten (vgl. BGH, Urt. v. 8.1.2014 - l ZR 169/12 - „Bearshare"). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Internetanschluss zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen wurde (vgl. BGH, Urt. v. 8.1.2014 - I ZR 169/12 - „Bearshare").
Den Anschlussinhaber trifft insofern eine sekundäre Darlegungslast, der er dadurch entspricht, dass er vorträgt, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbstständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen. Insoweit ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren auch zu Nachforschungen verpflichtet (vgl. BGH, Urt. v. 8.1.2014 - I ZR 169/12 - „Bearshare"). An die im Rahmen der sekundären Darlegungslast vorgebrachten Tatsachen ist bezüglich Detailgrad und Plausibilität ein strenger Maßstab anzulegen (LG München I, Urt. v. 22.03.2013, Az. 21 S 28809/11).
Diesen Anforderungen genügt der Vortrag der Beklagten nicht. Sie hat zunächst angegeben, dass neben ihr weitere Familienmitglieder Zugriff auf den Internetanschluss hatten. Trotz Hinweises des Gerichts hat die Beklagte die Namen der zugriffsberechtigten Nutzer bis zur mündlichen Verhandlung am 29.10.2014 nur teilweise angegeben.
Das Gericht ist der Ansicht, dass nach dem Sinn der sekundären Darlegungslast, die Namen aller Nutzungsberechtigten dem Rechteinhaber mitzuteilen sind, insbesondere da dieser keine andere Möglichkeit hat, den Täter der Rechtsverletzung zu ermitteln (vgl. AG Düsseldorf, Urteil vom 19.11.2013, Az. 57 C 3144/13). Auch nach der Entscheidung des BGH, Urt. v. 8.1.2014 -1 ZR 169/12 - „Bearshare" ist es erforderlich, dass der Anschlussinhaber vorträgt, ob andere Personen und ggf. welche andere Person selbständigen Zugang zu einem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen.
Mit der Verwendung des Wortes „welche" ist nach Auffassung des Gerichts die namentliche Bezeichnung aller Personen gemeint.
Die Nennung des Namens des nutzungsberechtigten Sohnes in der mündlichen Verhandlung am 31.10.2014 war nicht zu berücksichtigen. Wenn man unterstellt, dass dadurch der sekundären Darlegungslast genügt sein würde, hätte es eines weiteren Termins bedurft, um der Klägerin die Möglichkeit des Nachweises der Täterschaft der Beklagten zu gegeben. Insofern hätte sich der Rechtsstreit verzögert.
Aber selbst bei Berücksichtigung der Nennung des Namens des weiteren Nutzungsberechtigten ist der sekundären Darlegungslast hier nicht genügt. Die Beklagte hat ihren Sachvortrag erst am Ende des Verfahrens in der abschließenden mündlichen Verhandlung vom 31.10.2014 und damit erst ein Jahr nach Verfahrenseinleitung vervollständigt.
Zudem ist die Beklagte ihren Nachforschungspflichten, wie sie der BGH in der Entscheidung BGH, Urt. v. 8.1.2014 -1 ZR 169/12 - „Bearshare" postuliert hat, nicht gerecht geworden. Zu etwaigen Nachforschungen wurde, trotz Hinweises des Gerichts, nichts vorgetragen. Die Beklagte hat sich auf die Ansicht zurückgezogen, dass es einer weiteren Sachaufklärung im vorliegenden Fall nicht bedarf, (vgl. Schriftsatz der Beklagten vom 25.07.2014).
Eine Schriftsatzfrist war im Hinblick auf die Hinweise des Gerichts in der mündlichen Verhandlung nicht zu gewähren. Das Gericht hatte bereits vor der mündlichen Verhandlung auf die namentliche Nennung sämtlicher Nutzungsberechtigter und die Nachforschungspflichten hingewiesen (vgl. Verfügung vom 14.05.2014 und vom 11.07.2014).
b) Ferner war dem Beweisangebot der Beklagten, ihr Ehemann könne bezeugen, dass sie nicht E-Mail, Shopping und Informationsbeschaffung nutze und zur gegenständlichen Zeit das Abendbrot bereitete, nicht nachzugehen. Dieses Beweisangebot ist nicht geeignet, die Täterschaft der Beklagten und die tatsächliche Vermutung zu widerlegen. Es ist nach allgemeiner Lebenserfahrung ausgeschlossen, dass der Ehemann die Tätigkeit der Beklagten im Internet jederzeit überwacht und insofern Auskunft geben kann. Insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass eine Urheberrechtsverletzung nicht im exakten Zeitpunkt der Rechtsverletzung angestoßen werden kann Ehemanns als Zeugen dafür, dass die Ehefrau im streitgegenständlichen Zeitpunkt das Abendbrot richtete, nicht geeignet, die Täterschaft der Beklagten zu widerlegen.
c) Die Beklagte handelte zumindest fahrlässig, da sie die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht ließ, indem sie das streitgegenständliche Hörbuch im Internet zum Download angeboten hat. Es entspricht der üblichen Sorgfaltspflicht bei Umgang mit urheberrechtlich geschützten Werken, dass man die Berechtigung zur Nutzung des Werks prüft und sich darüber Gewissheit verschafft (BGH GRUR 1960, 606).
d) Der Schaden der Urheberrechtsverletzung beläuft sich nach Schätzung des Gerichts gemäß § 287 ZPO auf 300,00 €. Die Klägerin kann bei der Verletzung von Immaterialgüterrechten nach § 97 Abs. 2 Satz 3 UrhG den Schaden in Höhe einer angemessenen Lizenzgebühr berechnen. Der angesetzte Betrag ist angesichts der gerichtsbekannten Funktionsweise einer Internet-Tauschbörse angemessen, da mit jedem Herunterladen eine weitere Downloadquelle eröffnet werden kann.
2. Die Klägerin hat auch einen Anspruch auf Erstattung von Rechtsanwaltskosten für die Abmahnung in Höhe von 506,00 € gemäß § 97a Abs. 1 Satz 2 UrhG a.F.
a) Die Beklagte wurde mit Schreiben der Prozessbevollmächtigten vom 28.09.2010 zu Recht abgemahnt und zur Abgabe einer Unterlassungserklärung und zur Zahlung von Schadensersatz aufgefordert, da über ihren Anschluss eine Urheberrechtsverletzung begangen wurde. Die Klägerin kann von der Beklagten die Kosten der Abmahnung nach § 97a Abs. 1 Satz 2 UrhG a.F. verlangen, da diese die erforderlichen Aufwendungen für die berechtigte Abmahnung darstellen.
b) § 97a UrhG greift vorliegend hinsichtlich der Kosten der Abmahnung nicht ein. Bei der gegenständlichen Rechtsverletzung ist eine unerhebliche Rechtsverletzung nicht zu bejahen. Ein nach Art und Umfang geringfügiger Eingriff liegt beim Anbieten eines Hörbuches in einer Internet-Tauschbörse nicht vor, da einer derartigen Verletzungshandlung immanent ist, dass es zu einer unkontrollierbaren, grenzüberschreitenden Vervielfältigung des Werkes durch den Upload kommen kann.
c) Der von der Klägerin für die Abmahnung angesetzte Gegenstandswert von 10.000 € ist angemessen. Der Streitwert eines Unterlassungsanspruchs richtet sich nach dem Interesse des geschädigten Rechteinhabers an der künftigen Unterlassung gleichartiger Verletzungshandlungen. Im Hinblick auf das hohe Verletzungspotential, dem die Urheberrechte in Filesharing-Netzwerken ausgesetzt sind, erscheint vorliegend ein Streitwert von 10.000 € angemessen.
Gegen die geltend gemachte 1,0-Geschäftsgebühr bestehen im Hinblick darauf, dass die Abmahnung in Bezug auf ein vollständiges Hörbuch erfolgte, Unterlassungserklärung sowie auch Schadensersatzan¬sprüche geltend gemacht wurden, keine Bedenken. Dem Gericht liegen keine Anhaltspunkte vor, dass die Klägerin nicht ordnungsgemäß gegenüber ihren Prozessbevollmächtigten abrechne.
d) § 97a Abs. 3 n.F. UrhG steht dem hier geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch nicht entgegen. Die Regelung des § 97a Abs. 3 UrhG ist auf die gegenständliche Abmahnung nicht anwendbar. Es kommt nach ständiger Rechtsprechung des BGH für den Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten allein auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der Abmahnung an (BGH, 18.09.2011, AZ.I ZR 145/10).
3. Eine Erfüllung des Klageanspruchs in Höhe von 100 € war nicht zu berücksichtigen. Bei Leistung unter Vorbehalt tritt eine Erfüllungswirkung nur ein, sofern der Vorbehalt § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB oder § 814 BGB ausräumen will (vgl. Jauernig, Kommentar zum BGB, 15. Auflage 2014, § 362 BGB, Rn. 3). Hier erfolgte die Zahlung jedoch unter dem Vorbehalt einer damit verbundenen einvernehmlichen Lösung, die die Klägerin nicht angenommen hat, so dass sie nicht als Erfüllung oder anderweitig zu berücksichtigen war.
Die Zinsentscheidung basiert auf §§ 280, 286, 288 ZPO. Die Entscheidung über die Kosten be¬ruht auf § 91 ZPO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Der Streitwert war gemäß § 63 Abs. 2 GKG festzusetzen.