Fernabsatzrechtliche Informationspflichten über Widerrufsbelehrung bei Printwerbung
Leitsatz
Fernabsatzrechtliche Informationspflichten über Widerrufsbelehrung bei Printwerbung
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, Verbraucher im geschäftlichen Verkehr im Fernabsatz vor Abgabe der Vertragserklärung durch die Verbraucher nicht deutlich auf das bestehende gesetzliche Widerrufsrecht hinzuweisen, und zwar insbesondere in der Form des nachfolgenden Werbeprospekts mit Antwort-/Bestellkarte, in dem die Verbraucher vor Abgabe ihrer Vertragserklärung nicht belehrt werden über
- die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts, insbesondere Namen, Anschrift und Telefonnummer desjenigen, dem gegenüber der Widerruf zu erklärten ist,
- über das Muster-Widerrufsformular.
(Abdruck Werbeprospekt)
2. Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen ein Unterlassungsgebot gem. Ziffer. 1 die Verhängung von Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000,00 Euro oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten/im Wiederholungsfall bis zu insgesamt zwei Jahren, und für den Fall, dass ein festgesetztes Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann, die Verhängung von Ordnungshaft bis zur Sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu insgesamt zwei Jahren angedroht.
3. Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin Aufwendungsersatz in Höhe von 246,10 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 18.02.2015 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Sachverhalt
Die Klägerin ist ein Verband zur Förderung des lauteren Geschäftsverkehrs, dessen Hauptanliegen die Bekämpfung unlauterer geschäftlicher Handlungen ist. Die Beklagte ist ein Versandhandelsunternehmen, das an Verbraucher vertreibt und überwiegend Damen- und Herrenbekleidung im Sortiment hat.
Als Beilage zu verschiedenen Zeitschriften und Zeitungen verbreitete die Beklage einen Werbeprospekt im Format 19 x 23,7 cm, welcher zweimal ausgeklappt werden kann. Dies entspricht einer insgesamt bedruckbaren Fläche von zwei DIN A4-Seiten mit Vor- und Rückseite. Entsprechende Beilage-Werbemittel werden von den Zeitungsverlagen nicht in jeder Größenordnung akzeptiert.
In dem Prospekt bewarb die Klägerin verschiedene Jacken und Outdoor-Bekleidung. Zudem enthielt der Prospekt eine abtrennbare Karte, mit der Verbraucher verbindlich die beworbenen Artikel bestellen können. Auf der Karte wird mitgeteilt, dass der Käufer ein garantiertes Rückgaberecht für 14 Tage (Kauf auf Probe) erhält und zusätzlich das gesetzliche Widerrufsrecht besteht. Die Bestellkarte und der übrige Prospekt enthalten jedoch keine weitergehenden Informationen zu den Bedingungen, Fristen und dem Verfahren für die Ausübung dieses Rechts und stellen dem Verbraucher auch nicht das Muster-Widerrufsformular zur Verfügung. Auf der anderen Seite der Bestellpostkarte befindet sich lediglich im Rahmen eines Textfeldes der nochmalige Hinweis, dass dem Käufer im Anschluss an den Kauf auf Probe das gesetzliche Widerrufsrecht verbleibt. Im Talon neben der Bestellkarte sind zudem Telefon- und Faxnummer, Internetadresse und Postanschrift der Beklagten angegeben. Über diese Kontaktinformationen ist es Verbrauchern möglich, die vollständige Widerrufsbelehrung und das Muster-Widerrufsformular abzurufen.
Mit Schreiben vom 23.10.2014 mahnte die Klägerin die Beklagte wegen der Inhalte des beanstandeten Werbeprospekts ab, mit der Begründung, dass keine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung enthalten sei. Die Abgabe der geforderten strafbewehrten Unterlassungserklärung lehnte die Beklagte am 17.11.2014 ab. Nach weiterem Schriftwechsel bot die Beklagte am 26.11.2014 eine Unterlassungserklärung dahingehend an, dass sie sich dazu verpflichten würde, es zu unterlassen mit dem monierten Werbeprospekt zu werben, ohne den Verbraucher vor Abgabe der Vertragserklärung
a) über die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechtes zu informieren,
b) über das Muster-Widerrufsformular zu belehren.
Die Belehrung zu a) sollte dabei Vorgehensweise und Kontaktangaben enthalten, jedoch keine Telefonnummer der Beklagten. Hinsichtlich des Muster-Widerrufsformulars würde es bei einem Verweis auf die Webseite der Beklagten verbleiben.
Diese Unterlassungsverpflichtung lehnte die Klägerin am 27.11.2014 jedoch ab, da ihrer Ansicht nach ein Verweis auf die Webseite zum Abruf des Muster-Widerrufsformulars nicht ausreichte. Zudem monierte sie das Fehlen der Telefonnummer in dem von der Beklagten vorgeschlagenen Text zur Widerrufsbelehrung.
Der Klägerin sind durch die Abmahnung Aufwendungen in Höhe von 411,12 € entstanden, von denen sie 246,10 € gegenüber der Beklagten als Aufwendungsersatz geltend macht.
Die Klägerin beantragt,
1. Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, Verbraucher im geschäftlichen Verkehr im Fernabsatz vor Abgabe der Vertragserklärung durch die Verbraucher nicht deutlich auf das bestehende gesetzliche Widerrufsrecht hinzuweisen, und zwar insbesondere in der Form des nachfolgenden Werbeprospekts mit Antwort-/Bestellkarte, in dem die Verbraucher vor Abgabe ihrer Vertragserklärung nicht belehrt werden über
- die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts, insbesondere Namen, Anschrift und Telefonnummer desjenigen, dem gegenüber der Widerruf zu erklären ist,
- über das Muster-Widerrufsformular
(Abdruck Werbeprospekt)
2. der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen ein Unterlassungsgebot gemäß Ziff. 1 die Verhängung von Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000,00 € oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten/im Wiederholungsfall bis zu insgesamt zwei Jahren, und für den Fall, dass ein festgesetztes Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann, die Verhängung von Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu insgesamt zwei Jahren angedroht,
3. die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin Aufwendungsersatz in Höhe von 246,10 € nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 18.02.2015 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, es handele sich bei ihrem Werbeprospekt um ein Fernkommunikationsmittel, das nur begrenzten Raum für die dem Verbraucher zu erteilenden Informationen biete. Ihre Informationspflichten seien daher gemäß § 246a § 3 EGBGB beschränkt und umfassten nicht die im Klageantrag zu 1 aufgeführten Elemente.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist weitüberwiegend begründet.
A.) Klageantrag zu 1.
Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Abgabe der geforderten Unterlassungserklärung gem. §§ 8 I, III Nr. 2, 3 I, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 312d I BGB, Art. 246a EGBGB zu.
Das Verhalten der Beklagten ist unlauter i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG. Denn ihr Werbeprospekt stellt eine geschäftliche Handlung gem. § 2 I Nr. 1 UWG dar, die gegen gesetzliche Vorschriften verstößt, die auch dazu bestimmt sind, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln.
Die Beklagte genügt in ihrem Prospekt den in § 312d I BGB, Art. 246a EGBGB vorgeschriebenen Informationspflichten nicht, die ein Unternehmer im Fernabsatzhandel beachten muss.
Die Prospektwerbung der Beklagten samt enthaltener Bestellkarte ist ein Fernabsatzmittel. Für diesen Fall sieht Art. 246a § 1 EGBGB umfangreiche Informationen vor, die der Unternehmer dem Verbraucher im Vorfeld des Vertragsschlusses mitteilen muss, insbesondere gem. Art. 246a § 1 II EGBGB die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts nach § 355 I BGB (Widerrufsbelehrung) sowie das Muster-Widerrufsformular.
Die Beklagte erteilt in ihrem Werbeprospekt keine ausführlichen Informationen über die Bedingungen, die Fristen sowie das Verfahren bei Ausübung des Widerrufsrechtes und stellt dem Verbraucher auch kein Muster-Widerrufsformular zur Verfügung. Sie weist lediglich an zwei unterschiedlichen Stellen auf das Bestehen des gesetzlichen Widerrufsrechtes hin.
Damit verstößt sie gegen § 312d I BGB, da sie sich nicht erfolgreich auf die Ausnahmevorschrift des Art. 246a § 3 EGBGB berufen kann. Diese Regelung greift nämlich nur, wenn ein Fernabsatzvertrag mittels eines Fernkommunikationsmittels geschlossen wird, das nur begrenzten Raum oder begrenzte Zeit für die dem Verbraucher zu erteilenden Informationen bietet. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.
Denn zu derartigen Ferhkommunikationsmitteln zählen nur Medien, bei denen schon technisch bedingt und von vorneherein Zeit oder Raum begrenzt sind, wie bei manchen mobilen Endgeräten, SMS oder Fernsehwerbung. Nach Sinn und Zweck der Vorschrift sind Printmedien nicht zu privilegieren. Der begrenzte Raum eines Flyers ist dem Kommunikationsmittel nicht immanent und deshalb -notgedrungen- hinzunehmen, will man das Medium nicht faktisch als Werbemittel verbieten. Der begrenzte Platz basiert vielmehr auf einer freiwilligen Gestaltung des Mediums durch den Werbenden. Würde man diesen freiwillig herbeigeführten Platzmangel mit dem bei SMS, die nur 160 Zeichen zulässt oder mit dem bei verschiedenen Displays gleichsetzen, hätte es der Unternehmer durch die Wahl der Größe der Printbeilage, z.B. lediglich 6 statt 8 oder 10 Seiten in der Hand, sich den grundsätzlichen Aufklärungspflichten zu entziehen. Dies verstößt gegen den Grundgedanken des § 312 k I 2 BGB, nach dem die Regelung des Untertitels und damit auch die hier streitgegenständlichen Informationspflichten auch dann gelten, wenn eine Umgehung durch anderweitige Gestaltung vorliegt (wie hier: Palandt, 74. Auflage 246 a § 3 EGBGB, Rn. 1).
Auch das Argument, es sei nicht einzusehen, wenn Fernsehwerbung im Hinblick auf die Informationspflichten privilegiert werde, Printmedien aber nicht, kann nicht verfangen. Eine umfassende Information bzgl. des Widerrufsrechtes kann in einer Fernsehwerbung nicht erfolgen. Die Vorschläge der Beklagten hierzu sind nicht zielführend und nicht praktikabel. Weder ein Vorlesen der umfangreichen Rechte noch die Einblendung der Informationen führten aufgrund der begrenzten Aufnahme zu einer verständlichen Information des Verbrauchers. Ein Zurverfügungstellen der Widerrufsbelehrung ist auf diesem Wege überhaupt nicht möglich. Zudem würde im Gegensatz zu den Printmedien bei der Fernsehwerbung der Werbecharakter vollkommen in den Hintergrund gedrängt.
B) Klageantrag zu 3.
Die Klägerin hat auch einen Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen für die berechtigte Abmahnung, § 12 I 2 UWG.
Allerdings kann sie nur Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz verlangen, da es sich bei dem Aufwendungsersatzanspruch nicht um einen Entgeltanspruch i.S. des § 288 Abs. 2 BGB handelt.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92, 709 S. 1, 2 ZPO.