Fehlende Grundpreisangabe bei kosmetischen Produkten

Oberlandesgericht Celle

Urteil v. 23.03.2017 - Az.: 13 U 158/16

Leitsatz

Fehlende Grundpreisangabe bei kosmetischen Produkten

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten zu 1 wird das am 23. August 2016 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Hannover abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden verurteilt, bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, wobei die Ordnungshaft bei der Beklagten zu 1 an ihrem jeweiligen gesetzlichen Vertreter zu vollziehen ist, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs im Internet die von der Beklagten zu 1 vertriebenen Kosmetikprodukte gegenüber den von der Klägerin vertriebenen Kosmetikprodukten herauszustellen und dabei den falschen Eindruck zu erwecken, die Erklärung erfolge als Verbraucher und/oder nicht für Zwecke des Geschäfts, Handels oder Gewerbes der Beklagten zu 1, so wie dies in der am 23. Januar 2016 erfolgten Veröffentlichung im Internetportal „g.net“ geschehen ist.

Die Beklagten werden weiter als Gesamtschuldner verurteilt, der Klägerin vorgerichtliche Abmahnkosten in Höhe von 765,40 € zu zahlen.

Auf die Widerklage der Beklagten zu 1 wird die Klägerin verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, wobei die Ordnungshaft an dem Geschäftsführer zu vollstrecken ist, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr Kosmetikprodukte im Wege des Fernabsatzgeschäftes anzubieten und dabei nicht in unmittelbarer Nähe zum Endpreis den Grundpreis anzugeben, wenn dies geschieht wie in der Anlage B 3 bzw. gemäß dem als Anlage zum Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 7. März 2017 gereichten Screenshot (jeweils mit diesem Urteil verbunden).

Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.

Von den in erster Instanz angefallenen Gerichtskosten und außergerichtlichen Kosten der Klägerin haben die Klägerin 40 %, die Beklagten als Gesamtschuldner 40 % und die Beklagte zu 1 weitere 20 % zu tragen. Die in erster Instanz angefallenen außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1 hat die Klägerin zu 40 % zu tragen, im Übrigen tragen die Beklagten ihre erstinstanzlichen außergerichtlichen Kosten selbst.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe

I.
Von der Darstellung des Tatbestands wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 Nr. 1 ZPO abgesehen.

II.
Die zulässige Berufung der Beklagten zu 1, die sich nur gegen die Abweisung des Widerklageantrags zu 1 richtet, hat Erfolg.

Der Widerklageantrag zu 1 ist nach seiner klarstellenden Neufassung in der mündlichen Verhandlung vom 7. März 2017 unter Bezugnahme auf die konkrete Verletzungsform in der Anlage B 3 sowie der Anlage zum Protokoll der mündlichen Verhandlung begründet. Der Beklagten zu 1 steht ein Anspruch gegen die Klägerin aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, 3 Abs. 1, 3a UWG i.V.m. § 2 Abs. 1 PAngV auf Unterlassung der Bewerbung der Produkte „F.“ und „L.“ im Wege des Fernabsatzgeschäfts ohne gleichzeitige Angabe des Grundpreises neben dem Gesamtpreis zu.

1. An der Antragsbefugnis der Beklagten zu 1 als Mitbewerberin der Klägerin i.S.v. § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG bestehen keine Zweifel.

2. Gleiches gilt für das Vorliegen einer geschäftlichen Handlung nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG. Die Werbung für die streitgegenständlichen Produkte der Klägerin auf ihrer Internetseite stellt ein Verhalten zugunsten des eigenen Unternehmens dar, das mit der Förderung des Absatzes und mit dem Abschluss eines Vertrages über diese Waren objektiv zusammenhängt.

3. Die Werbung der Klägerin für die Produkte „F.“ und „L.“ ohne Angabe des Grundpreises war gemäß §§ 3 Abs. 1, 3 a UWG i.V.m. § 2 Abs. 1 PAngV unzulässig. § 2 Abs. 1 PAngV stellt eine Marktverhaltensregelung dar (dazu nachfolgend unter a), gegen die die Klägerin verstoßen hat (dazu nachfolgend unter b).

a) Nach § 2 Abs. 1 PAngV hat derjenige, der Verbrauchern gewerbs- oder geschäftsmäßig oder regelmäßig in sonstiger Weise Waren in Fertigpackungen, offenen Packungen oder als Verkaufseinheiten ohne Umhüllung nach Gewicht, Volumen, Länge oder Fläche anbietet, neben dem Gesamtpreis auch den Preis je Mengeneinheit einschließlich der Umsatzsteuer und sonstiger Preisbestandteile (Grundpreis) in unmittelbarer Nähe des Gesamtpreises gemäß Absatz 3 Satz 1, 2, 4 oder 5 anzugeben. Diese Vorschrift stellt eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG dar (vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 2012 - I ZR 110/11, juris Rn. 9).

b) Die Klägerin hat mit der angegriffenen Werbung gegen § 2 Abs. 1 PAngV verstoßen. Entgegen der Auffassung des Landgerichts greift keine Ausnahme nach § 9 Abs. 5 Nr. 2 PAngV ein.

Nach dieser Vorschrift ist § 2 Abs. 1 PAngV nicht anzuwenden bei

„kosmetischen Mitteln, die ausschließlich der Färbung oder Verschönerung der Haut, des Haares oder der Nägel dienen“.

Kosmetische Produkte,

- deren Effekt erst nach regelmäßiger Anwendung über einen längeren Zeitraum eintritt,

- deren Wirkung dadurch eintritt, dass sie zunächst körpereigene Funktionen anregen,

- oder die (auch) die Pflege von Haut, Haar und Nägeln bezwecken,

fallen nicht unter diesen Ausnahmetatbestand (dazu im Folgenden unter aa). Deshalb sind die von der Klägerin beworbenen streitgegenständlichen Produkte von der Ausnahme zur Verpflichtung der Grundpreisangabe nicht erfasst (dazu im Folgenden unter bb).

aa) Unter Verschönerung wird jede Änderung des äußeren Erscheinungsbildes von Haut, Haaren oder Nägeln einer Person verstanden, die allgemein oder zumindest von dieser als Verbesserung empfunden wird (vgl. Weidert, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 4. Aufl. 2016, § 9 PAngV Rn. 5; Sosnitza, in: Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, 163. EL März 2016, § 9 PAngV Rn. 26). Dass die hier streitgegenständlichen Kosmetikprodukte jedenfalls auch eine „Verschönerung“ in diesem Sinne zur Folge haben, ist nicht von der Hand zu weisen. Allerdings muss das kosmetische Mittel, um unter § 9 Abs. 5 Nr. 2 PAngV zu fallen, „ausschließlich der ... Verschönerung dienen“. Um die Reichweite dieser Regelung streiten die Parteien.

Die Klägerin - und ihr folgend das Landgericht - bevorzugt eine weite Auslegung des § 9 Abs. 5 Nr. 2 PAngV und sieht einen ausschließlichen Verschönerungszweck nur dann als nicht gegeben an, wenn das kosmetische Mittel zur medizinischen Behandlung eines krankhaften Zustandes eingesetzt wird, was bei den hier streitgegenständlichen Produkten unstreitig nicht der Fall ist.

Demgegenüber geht die Beklagte davon aus, dass eine restriktive Auslegung des § 9 Abs. 5 Nr. 2 PAngV vorzunehmen ist, wonach kosmetische Mittel nur dann „ausschließlich ...  der Verschönerung dienen“, wenn sie nicht gleichzeitig die Pflege von Haut, Haar oder Nägeln bezwecken (vgl. Weidert, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, a.a.O., § 9 PAngV Rn. 5; Sosnitza, in: Zipfel/Rathke, a.a.O., § 9 PAngV Rn. 26). Danach werden die ausschließlich verschönernden kosmetischen Mittel regelmäßig lediglich eine kurzfristige Änderung des Erscheinungsbildes bewirken, wie es etwa bei der beispielhaft im Gesetzestext aufgeführten Färbung (von Haar, Haut und Nägeln) der Fall ist. Dieser Auffassung hat sich auch das Landgericht Braunschweig in dem von den Beklagten zitierten Urteil vom 22. August 2014 (Az. 21 O 2759/13, veröffentlicht bei Beck Online) angeschlossen, wobei diese Entscheidung - anders als die Klägerin auf Seite 3 der Berufungserwiderung (Bl. 123 d.A.) geltend macht - nicht eine After-Sun-Creme zur Linderung eines Sonnenbrands als krankhafter Zustand betraf, sondern eine mit dem Produkt „L.“ vergleichbare Anti-Aging-Creme mit Hyaluronsäure.

Der Senat schließt sich der letztgenannten Ansicht an und nimmt eine restriktive Auslegung des § 9 Abs. 5 Nr. 2 PAngV vor. Hierfür spricht neben dem Wortlaut der Vorschrift („ausschließlich“) sowie der Bezugnahme auf das Beispiel der Färbung auch der Sinn und Zweck der Vorschrift.

Ziel des § 2 Abs. 1 PAngV ist es, dem Verbraucher im Interesse der Preisklarheit durch Angabe des Grundpreises eine leichtere Übersicht über die Preisgestaltung für vergleichbare Warenangebote und damit eine vereinfachte Möglichkeit zum Preisvergleich zu verschaffen (vgl. BGH, Urteil vom 7. März 2013 - I ZR 30/12, juris Rn. 13). Die Verpflichtung zur Grundpreisangabe entfällt in den (Ausnahme-) Fällen des § 9 Abs. 4 und Abs. 5 PAngV, weil bei den dort genannten Erzeugnissen die Angabe einer Mengeneinheit keine relevante Information darstellt, sondern der Verbraucher seine Kaufentscheidung üblicherweise nach anderen Kriterien trifft (vgl. Gelberg, in: Landmann/Rohmer, Gewerbeordnung, 72. EL März 2016, § 9 PAngV Rn. 11). Diese Begründung für die Ausnahmetatbestände greift für (auch) pflegende kosmetische Produkte zur dauerhaften Anwendung nicht ein: Während Verschönerungsmittel, die nur der sofortigen und kurzfristigen Änderung des Erscheinungsbilds dienen, in der Regel ohne Rücksicht auf die Menge gekauft werden, um - beispielsweise durch eine Packung Haarfärbemittel - einen schnellen Erfolg herbeizuführen, wird der Verbraucher Pflegeprodukte, die eine nachhaltige Wirkung erzielen sollen, in der Regel über einen längeren Zeitraum erwerben, sodass es dabei eher auf den Preis pro Mengeneinheit und den daraus resultierenden Preisvergleich ankommt.

Dieses enge Verständnis der kosmetischen Mittel, die „ausschließlich ... der Verschönerung dienen“, deckt sich auch mit einer vom bayerischen Wirtschaftsministerium erstellten, nicht abschließenden Liste von kosmetischen Mitteln, die der Vorschrift des § 9 Abs. 5 Nr. 2 PAngV unterfallen sollen. Dort werden ebenfalls nur Mittel aufgelistet, die eine kurzfristige Änderung des Erscheinungsbildes erzielen, wie z.B. Make-up, Schminke, Nagellack, Enthaarungsmittel oder Lippenstift, wobei sich jeweils der ausdrückliche Zusatz „wenn nicht auch pflegend“ findet (vgl. Gelberg, in: Landmann/Rohmer, a.a.O., § 9 PAngV Rn. 13c).

Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die Vorschrift des § 9 Abs. 5 Nr. 2 PAngV ihren Charakter als Ausnahmetatbestand verlieren würde, wenn hierunter alle kosmetischen Mittel zu subsumieren wären, die nicht zur medizinischen Behandlung eines krankhaften Zustandes dienen. In diesem Fall würde nämlich nach zutreffender Auffassung der Beklagten die Ausnahme zum Regelfall gemacht, weil nahezu jedes kosmetische Produkt zur Verschönerung eingesetzt wird.

bb) Legt man die vorgenannte enge Auslegung des § 9 Abs. 5 Nr. PAngV zugrunde, so dienen die streitbefangenen Kosmetikprodukte der Klägerin nicht ausschließlich der Verschönerung der Haut oder des Haares.

(1) Dem Haarwuchsserum „…“ kommt zwar ein Verschönerungseffekt zu, weil es dem Anwender dichteres und stärkeres Haar verschaffen soll. Dieser Effekt tritt jedoch nicht kurzfristig, sondern vielmehr erst durch tägliche Anwendung über einen längeren Zeitraum ein. So heißt es in der Produktbeschreibung (Anlage BK 1, Bl. 115 ff. d.A.), dass erste Ergebnisse nach ca. 20 bis 24 Wochen sichtbar seien. Weiter heißt es dort, dass das Haarwuchsserum das natürliche Wachstum der Kopfhaare aktiviere und revitalisiere. Hieraus ist zu entnehmen, dass der Verschönerungserfolg davon abhängt, dass zunächst körpereigene Funktionen angeregt werden. Dies korrespondiert mit den weiteren Hinweisen in der Produktbeschreibung, dass das im Serum enthaltene Zink und Biotin das Haar von innen kräftige und die Bildung von Keratin und Kollagen fördere, wodurch das natürliche Wachstum der Haare zusätzlich unterstützt und beschleunigt werde. Da das Haarwuchsserum auch Hyaluronsäure enthält, dient es zusätzlich der „intensiven Pflege“ der Haare.

(2) Bei Anwendung der Anti-Falten-Creme „L.“ sollen zwar nach der Produktbeschreibung (Anlage BK 2, Bl. 118 ff. d.A.) die ersten Erfolge in weniger als sieben Minuten eintreten. Für eine Anwendung des Ausnahmetatbestands des § 9 Abs. 5 Nr. 2 PAngV bleibt nach der hier vertretenen Auffassung dennoch kein Raum, weil die Creme neben dem Verschönerungseffekt unstreitig auch pflegende Wirkung entfaltet und ihre Wirksamkeit auf der Anregung körpereigener Funktionen beruht. Dies ist aus der Produktbeschreibung zu entnehmen, in der aufgeführt ist, dass durch die Anwendung der Creme Hautrauigkeit und Trockenheit der Haut wesentlich gemildert würden. Hierzu trägt insbesondere die in der Creme ebenfalls enthaltene Hyaluronsäure bei, die gleichzeitig die natürlichen Abwehrkräfte reaktivieren und den Zellstoffwechsel der Haut beschleunigen soll, was ebenfalls über einen kurzfristigen Verschönerungseffekt hinausgeht.

4. Ist es - wie hier - bereits zu einem Wettbewerbsverstoß gekommen, streitet eine tatsächliche Vermutung für die Wiederholungsgefahr. Die Klägerin hat diese Vermutung nicht dadurch widerlegt, dass sie mittlerweile die streitgegenständlichen Produkte unter Angabe des Grundpreises bewirbt. Die schlichte Aufgabe der wettbewerbswidrigen Handlung lässt die Wiederholungsgefahr nicht entfallen; vielmehr kann die Gefahr regelmäßig nur durch die - von der Klägerin hier verweigerte - Abgabe einer strafbewährten Unterlassungserklärung beseitigt werden (vgl. Bornkamm in: Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 8 UWG Rn. 1.34)

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Gründe, die Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, sind nicht ersichtlich.