Apothekengutschein rechtswidrig, aber kein verfolgbarer Wettbewerbsverstoß
Leitsatz
Apothekengutschein rechtswidrig, aber kein verfolgbarer Wettbewerbsverstoß
Tenor
I. Auf die Berufung des Beklagten wird das am 13. Mai 2015 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen 97 des Landgerichts Berlin - 97 O 12/15 - geändert:
Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger wird vorbehalten, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Die Revision wird zugelassen.
Entscheidungsgründe
A.
Der Kläger ist ein Verband zur Förderung gewerblicher Interessen im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG. Der Beklagte betreibt in Berlin-Spandau eine Apotheke. Er gewährte mindestens gelegentlich im Jahr 2014 - jedenfalls nach Wiedereröffnung seiner Apotheke im Herbst 2014 gemäß seinem Plakat (Ausdruck Anlage B 3, Bd. I, Bl. 90 d. A.) - sämtlichen Kunden aus zwischen den Parteien teilweise streitigen Gründen eine Vergünstigung in Form eines 1,- € Gutscheins, der beim nächsten Einkauf eingelöst werden konnte (ausgenommen apotheken- und verschreibungspflichtige Arzneimittel). Der Kläger mahnte den Beklagten im Mai 2014 nach einem behaupteten Testkauf ab.
Der Kläger hat behauptet, Frau P... habe gegen Rezept ohne Wartezeiten jeweils ein verschreibungspflichtiges Medikament beim Beklagten unter gleichzeitigem Erhalt eines 1,- € Gutscheins am 2. April (Ablichtung Kassenbon und Gutschein Anlage K 1, Bd. I, Bl. 12 d. A.), 20. Juni und 29. August 2014 (Ablichtung Kassenbon und Gutschein Anlage K 9, Bd. II, Bl. 48 d. A.) erworben. Ebenso habe Herr K... am 11. November 2014 ein Rezept über ein verschreibungspflichtiges Präparat eingelöst und einen 1,- € Gutschein erhalten (Ablichtungen Rezept, Kassenbon und Gutschein Anlagen K 11 - 13, Bd. I, Bl. 50 ff. d. A.).
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Gewährung eines solchen Gutscheins bei der Abgabe rezeptpflichtiger Medikamente verstoße gegen die Preisbindung und sei jedenfalls nach der Änderung des § 7 HWG wettbewerbswidrig.
Der Kläger hat beantragt,
1. den Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der zukünftigen Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr Kunden, die ein Rezept für ein rezeptpflichtiges, preisgebundenes Arzneimittel einlösen, einen Einkaufsgutschein über einen Euro zu gewähren, wenn dies geschieht wie am 02.04.2014, am 20.06.2014 und am 29.08.2014 gegenüber der Kundin Frau M... P... geschehen
und/oder
wenn dies geschieht wie am 11.11.2014 gegenüber Herrn H... -P... K... geschehen.
2. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 246,10 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils geltenden Basiszinssatz seit dem 30. Oktober 2015 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
a) den Rechtsstreit im Hinblick auf den Vorlageschluss des Oberlandgerichts Düsseldorf vom 24. März 2015 auszusetzen;
b) die Klage abzuweisen.
Zu den ersten drei behaupteten Testkäufen könne er nichts näher vortragen, weil weder ihm noch dem von ihm befragten Rechenzentrum Rezepte von Frau P... für die streitgegenständlichen Daten vorlägen. Am 2. April 2014 sei es nach Auskunft der Mitarbeiterin sehr voll gewesen, so dass sie Gutscheine ausgegeben habe. Am 20. Juni 2014 habe er eine Sonderaktion während der Fußballweltmeisterschaft durchgeführt und jedem Kunden einen Gutschein quasi als WM-Bonus gegeben. Am 29. August 2014 sei sog. Senioren-Freitag gewesen, bei dem er jedem Kunden ab einem bestimmten Alter eine Vergünstigung gewährt habe; dies diene der besseren Auslastung gerade an einem Freitag-Nachmittag, wenn viele Arztpraxen geschlossen seien. Nach der Wiedereröffnung der Apotheke am 6.10.2014 seien allen Kunden in der Neueröffnungsphase die Gutscheine gewährt worden, so auch am 11.11.2014.
Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, wenn das deutsche Arzneimittelpreisrecht auf ausländische Versandapotheken nicht mehr anwendbar sei, könne es auch nicht mehr auf deutsche Apotheken angewendet werden. Zudem dürfe jeder Gewerbetreibende Sonderaktionen starten, insbesondere um auch die Auslastung seiner Apotheke zu steuern. Bei allen Testkäufen komme ein Verstoß gegen § 203 StGB und damit ein Beweisverwertungsverbot in Betracht, wenn die Verschreibungen auf andere Personen lauteten und ohne deren Zustimmung eingelöst worden seien.
Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Die Abgabe rezeptpflichtiger Arzneimittel sei durch die vom Kläger vorgelegten Kassenbons belegt. Die jeweilige Gewährung des 1 € Gutscheins ergebe sich neben den vom Kläger eingereichten Ablichtungen letztlich aus dem eigenen Vortrag des Beklagten, im jeweiligen Zeitraum unterschiedslos allen Kunden den Gutschein gewährt zu haben. Einen anerkennenswerten Anlass für die Gewährung des Gutscheins habe der Beklagte nicht dargetan. Auf die Geringwertigkeit des Gutscheins komme es nach der Änderung des § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG seit dem 13.8.2013 nicht mehr an.
Mit seiner Berufung wiederholt und vertieft der Beklagte seinen erstinstanzlichen Vortrag und verweist insbesondere auf die Entscheidung des EuGH vom 19.10.2016 (C-148/15) zur Unvereinbarkeit des deutschen Arzneimittelpreisrechts mit dem Europarecht.
Er beantragt,
das landgerichtliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Auch er wiederholt und vertieft seinen erstinstanzlichen Vortrag.
Wegen des übrigen Vortrags der Parteien wird auf den Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
B.
Die Berufung des Beklagten ist begründet.
I.
Die Klage ist allerdings zulässig, insbesondere ist sie auch in ihrer konkreten Fassung hinreichend bestimmt, § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Dem steht nicht entgegen, dass der Unterlassungsantrag und die diesbezügliche landgerichtliche Verurteilung auf einzelne konkrete Verletzungshandlungen abstellen, die zwischen den Parteien teilweise umstritten sind.
Insoweit sind zur Auslegung der Inhalt der Klageschrift (bzw. des klageerweiternden Schriftsatzes) sowie der Tatbestand und die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils heranzuziehen. Behaupteter und vom Landgericht festgestellter Kern der Verletzungshandlungen ist danach die Gewährung eines 1 Euro Gutscheins durch den Beklagten bei Abgabe rezeptpflichtiger Arzneimittel an den Verbraucher, und zwar gemäß den vom Kläger vorgetragenen und vom Landgericht festgestellten näheren Umständen der konkreten Verletzungshandlungen (ohne längere Wartezeiten und bei bestehendem Vorrat des gewünschten Arzneimittels sowie mehr als einen Monat nach einer Wiedereröffnung).
II.
Zu Unrecht hat das Landgericht einen Unterlassungsanspruch des Klägers gegen den Beklagten aus § 4 Nr. 11 UWG aF/§ 3a Halbsatz 1 UWG nF in Verbindung mit § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Halbsatz 2 Nr. 1, Nr. 2a, Nr. 2 Halbsatz 2 HWG bzw. § 78 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 AMG, § 1 Abs. 1, Abs. 4, § 3 AMPreisV, jeweils in Verbindung mit § 8 Abs. 3 Nr. 2, § 3 Abs. 1 UWG aF/§ 3a Halbsatz 2 UWG nF bejaht.
1.
Der Beklagte hat bei Abgabe rezeptpflichtiger Arzneimittel dem Verbraucher einen 1 Euro - Gutschein gewährt, so dass zwar ein Verstoß gegen die Arzneimittelpreisbindung gegeben ist, § 78 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 AMG, § 1 Abs. 1, Abs. 4, § 3 AMPreisV. Es fehlt aber an einer Spürbarkeit dieses Verstoßes, § 3 Abs. 1 UWG aF/§ 3a Halbsatz 2 UWG nF.
a)
Der Beklagte hat gegen die arzneimittelrechtliche Preisbindung aus dem verbindlichen Apothekenabgabepreis für verschreibungspflichtige Arzneimittel (gemäß den vorstehend genannten arzneimittelrechtlichen Vorschriften) verstoßen.
aa)
Den Testkauf des Zeugen K... am 11.11.2014 hat der Beklagte schon nicht ausdrücklich in Abrede gestellt. Ihm fehlende weitergehende Informationen im Einzelnen zu diesem Testkauf hat er nicht geltend gemacht. Angesichts des vom Kläger vorgelegten Kassenbons sowie des eingereichten Gutscheins und im Hinblick darauf, dass der Beklagte auch nach seinem Vortrag an diesem Tag einschränkungslos allen Kunden einen solchen Gutschein aus Anlass der (Neu-) Eröffnung seiner Apotheke nach einem längeren Umbau übergeben hat, ist der Testkauf des Zeugen K... insgesamt nicht hinreichend bestritten. Schon aus dieser Verletzungshandlung würde eine Wiederholungsgefahr folgen, die den geltend gemachten Unterlassungsanspruch in vollem Umfang der konkreten Verletzungsform tragen könnte.
Von einem unzureichenden Bestreiten des Beklagten kann letztlich auch für den Testkauf der Zeugin P... am 29.8.2014 ausgegangen werden. Für diesen Testkauf hat der Kläger ebenfalls einen Kassenbon und einen Gutschein vorgelegt und der Beklagte hat eingeräumt, an diesem so genannten Senioren-Freitag jedem Kunden ab einem bestimmten Alter die Vergünstigung gewährt zu haben, um eine bessere Auslastung gerade an einem Freitag-Nachmittag (wenn viele Arztpraxen geschlossen seien) zu erreichen. Zutreffend hat das Landgericht darauf hingewiesen, dass es für die streitgegenständlichen Verletzungshandlungen nicht entscheidend auf den jeweiligen Namen des Testkäufers oder der jeweiligen Person ankomme, für die das Attest ausgestellt worden sei. Insoweit steht vorliegend auch kein Beweisverwertungsverbot aus datenschutzrechtlichen Gründen entgegen.
Entsprechendes gilt für den Testkauf der Zeugin P... vom 2.4.2014. Der Kläger hat hierzu einen Kassenbon und einem Gutschein eingereicht. Der Beklagte hat die einschränkungslose Ausgabe von Gutscheinen eingeräumt, da die Kunden wegen des Andrangs längere Zeit hätten warten müssen, bis sie bedient worden seien. Hinsichtlich einer Wiederholungsgefahr gelten die Ausführungen zum Testkauf vom 11.11.2014 entsprechend für die vorgenannten beiden Testkäufe.
bb)
Ein Verstoß gegen die arzneimittelrechtliche Preisbindung liegt nicht nur dann vor, wenn der Apotheker ein preisgebundenes Arzneimittel zu einem anderen als dem nach der Verordnung zu berechnenden Preis abgibt. Die Bestimmungen der Arzneimittelpreisverordnung werden vielmehr auch dann verletzt, wenn für das preisgebundene Arzneimittel zwar der korrekte Preis angesetzt wird, dem Kunden aber gekoppelt mit dem Erwerb des Arzneimittels Vorteile gewährt werden, die den Erwerb für ihn wirtschaftlich günstiger erscheinen lassen (BGH, GRUR 2010, 1133 TZ 15 – Bonuspunkte; GRUR 2010, 1136 TZ 17 – Unserer Dankeschön Für Sie; GRUR 2014, 593 TZ 17 – Sofort-Bonus). Insbesondere ein über einen bestimmten Geldbetrag lautender Gutschein stellt einen Vorteil im vorstehend genannten Sinn dar, selbst wenn er auf einen Einkauf außerhalb verschreibungspflichtiger Arzneimittel beschränkt ist (BGH, aaO, Unserer Dankeschön Für Sie, TZ 18).
cc)
Kern der streitgegenständlichen Verletzungshandlungen ist – wie erörtert – die Gewährung eines 1 Euro-Gutscheins durch den Beklagten bei Abgabe rezeptpflichtiger Arzneimittel an den Verbraucher ohne hinreichenden unternehmerischen Anlass. Davon ist jedenfalls für die erörterten Testkäufe vom 11.11.2014, 29.8.2014 und 2.4.2014 auszugehen.
aaa)
Abweichendes kann zum einen allenfalls dann gelten, wenn der Gutscheineinlösung wesentliche Hindernisse entgegenstehen (BGH, GRUR 2010, 1136 TZ 18 – Unser Dankeschön Für Sie; GRUR 2013, 1264 TZ 13 – RezeptBonus).
Umstände für einen solchen Ausnahmefall (vergleiche BGH, aaO, Unserer Dankeschön Für Sie; aaO, RezeptBonus) hat der Beklagte vorliegend nicht vorgetragen.
bbb)
Abweichendes kann zum anderen allenfalls dann gelten, wenn die Vorteile vom Apotheker nicht allein für den Erwerb des preisgebundenen Arzneimittels, sondern auch aus anderem Anlass gewährt werden, etwa weil der Kunde beim Erwerb Unannehmlichkeiten in Kauf nehmen muss (BGH, GRUR 2010, 1136 TZ 18 – Unser Dankeschön Für Sie; GRUR 2013, 1264 TZ 13 – RezeptBonus).
Der Beklagte hat für seinen diesbezüglichen streitigen Vortrag zu einer Ausnahmesituation wegen einer längeren Wartezeit am 2.4.2014 aber schon keinen Beweis angetreten. Soweit er Aktionen einer allgemeinen Kundenbindung bzw. besseren Auslastung seiner Apotheke geltend macht (Senioren-Freitag am 29.8.2014, Wiedereröffnung der Apotheke vom 6.10. bis 24.12.2014), hat das Landgericht zu Recht einen relevanten unternehmensbezogenen Anlass verneint (vergleiche hierzu auch OVG Lüneburg, Beschluss vom 2.8.2017, 13 ME 122/17, juris Rn. 19 ff). Hinsichtlich des Senioren-Freitag hat der Beklagte noch nicht einmal eine Kundgabe dieser Gutschein-Vergabe gegenüber den Verbrauchern vorgetragen. Zudem werden nicht den Kunden entstandene Nachteile ausgeglichen. Die Gutscheinvergabe am 11.11.2014 erfolgte über einen Monat nach der Wiedereröffnung und damit jedenfalls außerhalb eines angemessenen Zeitraums zur Abgeltung etwaiger Nachteile aus der zwischenzeitlichen Schließung der Apotheke. Auch wenn ein Kunde eine Apotheke nicht tagtäglich aufsucht, rechtfertigt dies nicht eine Überdehnung des angemessenen Zeitraums nach Wiedereröffnung, in dem der Kunde noch einen konkreten Bezug zu der zwischenzeitlichen Schließung der Apotheke herstellt. Dies gilt umso mehr, als die Werbung des Beklagten nicht auf ihren bisherigen Kundenstamm beschränkt ist.
b)
Vorstehende arzneimittelrechtliche Bindung an den Apothekenabgabepreis ist nach den Maßstäben des Grundgesetzes (insbesondere aus Art. 12 Abs. 1 GG sowie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit) in den gerichtlichen Entscheidungen nicht beanstandet worden (BVerfG, Beschluss vom 2.2.2017, 2 BvR 787/16, juris Rn. 27ff; NJW 2016, 2401 juris Rn. 20 ff; BGH, GRUR 2013, 1264 TZ 10 – RezeptBonus; OVG Lüneburg, Beschluss vom 2.8.2017, 13 ME 122/17, juris Rn. 14).
Durch den einheitlichen Apothekenabgabepreis soll im Hinblick auf die Beratungs- und Schlüsselfunktion der Apotheken ein Preiswettbewerb auf der Stufe der Apotheken ausgeschlossen oder jedenfalls vermindert werden. Dadurch soll im öffentlichen Interesse die gebotene flächendeckende und gleichmäßige Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sichergestellt werden. Zudem soll die Regelung dazu dienen, das finanzielle Gleichgewicht des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung abzusichern (GmS – OGB, GRUR 2013, 417 TZ 25 – EU-Versand Apotheken). Das Verbot der Abgabe von Gutscheinen an Patienten soll verhindern, dass Kassenpatienten sowie auch privat Versicherte bei der Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel (soweit deren Kosten von den Versicherungen übernommen werden) im Ergebnis "verdienen" (oder zumindest einen Teil ihnen auferlegter Zuzahlungen ersparen), denn nur vor diesem Hintergrund verspricht eine solche Werbung auch einen wirtschaftlichen Erfolg (BGH, GRUR 2010, 1136 TZ 20 – Unser Dankeschön Für Sie).
c)
Die Entscheidung des EuGH zur Unvereinbarkeit einheitlicher Apothekenabgabepreise für verschreibungspflichtige Arzneimittel mit Art. 34, Art. 36 AEUV (GRUR 2016, 1312 TZ 22 ff, TZ 29 ff – Deutsche Parkinson Vereinigung) steht dem vorliegend nicht notwendig entgegen.
aa)
Diese Entscheidung stellt maßgeblich darauf ab, dass die vorgenannte Arzneimittelpreisbindung für EU-ausländische Apotheken (insbesondere Versandapotheken) wie eine mengenmäßige Beschränkung wirke und diese Maßnahme nicht durch (im Verfahren des EuGH) vorgetragene und festgestellte hinreichende Gründe des Gemeinwohls (vergleiche hierzu auch BGH, GRUR 2017, 635 TZ 43 ff – Freunde werben Freunde) gerechtfertigt sei.
Diese Begründung berührt allerdings die Wirksamkeit und auch Anwendbarkeit der Regelungen über die Arzneimittelpreisbindung für den innerdeutschen Verkauf von Arzneimitteln nicht (OVG Lüneburg, Beschluss vom 2.8.2017, 13 ME 122/17, Pharma Recht 2017, 459 juris Rn. 17), sondern nur das Verhältnis des deutschen Arzneimittelpreisrechts im Verhältnis zu ausländischen (Versand-) Apotheken (vergleiche BGH, GRUR 2017, 635 TZ 38 ff – Freunde werben Freunde). Insoweit besteht auch für das innerdeutsche Verhältnis deutscher Apotheken zueinander keine Zuständigkeit des EuGH (OVG Lüneburg, aaO).
bb)
Auch ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG durch eine sogenannte "Inländerdiskriminierung" kann hinsichtlich der Arzneimittelpreisbindung bei rein inlandsbezogenen Vorgängen (jedenfalls noch) nicht angenommen werden (OVG Lüneburg, aaO, juris Rn. 18).
Ein sachlicher Grund soll schon darin liegen, dass der nationale Gesetzgeber in seiner Gestaltungsfreiheit nur beim grenzüberschreitenden Verkauf von Arzneimitteln durch europäisches Primärrecht (Warenverkehrsfreiheit) in dessen Auslegung durch den EuGH gebunden ist, während dies beim Verkauf innerhalb Deutschlands nicht der Fall ist (OVG Lüneburg, aaO, juris Rn. 18). Die Ungleichbehandlung zwischen Apotheken mit Sitz in Deutschland und Apotheken mit Sitz im EU-Ausland ist – gemäß den Ausführungen des EuGH, aaO, Deutsche Parkinson Vereinigung, TZ 23 ff – jedenfalls dadurch sachlich gerechtfertigt, dass der Ausschluss eines Preiswettkampfs EU-ausländische Apotheken stärker beeinträchtigt, da sie für eine Tätigkeit in Deutschland in starkem Maße auf den Versandhandel angewiesen und für diesen der Preiswettbewerb – angesichts der einfacheren individuellen Beratung und Notfallversorgung durch Präsenzapotheken – der wichtigste Wettbewerbsfaktor ist (OVG Lüneburg, aaO, juris Rn. 18). Dies gilt umso mehr unter Berücksichtigung eines nur geringen Umsatzanteils ausländischer Versandapotheken an rezeptpflichtigen Arzneimitteln von lediglich 0,6 % in Deutschland (OVG Lüneburg, aaO, juris Rn. 18). Auch eine etwaige zwischenzeitliche Steigerung dieses Marktanteils auf über 5 % stünde dem noch nicht entscheidend entgegen.
d)
Das beanstandete Verhalten des Beklagten ist jedoch nicht geeignet, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen, § 3 Abs. 1 UWG aF/§ 3a UWG nF.
aa)
Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HWG aF (gültig bis 12.8.2013) waren Zuwendungen oder sonstige Werbegaben bei einer geringwertigen Kleinigkeit auch dann zulässig, wenn sie entgegen den arzneimittelrechtlichen Preisvorschriften gewährt wurden (BGH, GRUR 2010, 1133 TZ 21 – Bonuspunkte; GRUR 2010, 1136 TZ 24 – Unserer Dankeschön Für Sie). Barrabatte waren nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a Halbsatz 2 HWG aF allerdings auch dann unzulässig, wenn der Betrag einer geringwertigen Kleinigkeit entsprach (BGH, aaO, Bonuspunkte; aaO, Unser Dankeschön Für Sie). Im Letzteren Fall (geringwertiger Barrabatt) war ein danach gegebener heilmittelwerberechtlicher Verstoß gegen § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a Halbsatz 2 HWG aF bzw. ein korrespondierender arzneimittelpreisrechtlicher Verstoß gemäß § 78 Abs. 2 Satz 2, Satz 3 AMG aber nicht geeignet, die Interessen von Marktteilnehmern spürbar im Sinne des § 3 Abs. 1 UWG aF zu beeinträchtigen (BGH, aaO, Bonuspunkte; aaO, Unser Dankeschön Für Sie).
Dies war auch konsequent. Fehlt es heilmittelwerberechtlich bei geringwertigen Kleinigkeiten als Sachleistungen an der Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung des verständigen Durchschnittsverbrauchers, kann dies bei Barrabatten im Umfang einer geringwertigen Kleinigkeit ebenfalls ausgeschlossen werden. Dies gilt umso mehr, wenn – wie vorliegend – der Barrabatt nicht bei dem Erstkauf des verschreibungspflichtigen Arzneimittels verrechnet oder ausgezahlt wird, sondern erst bei einem Zweitkauf eine Verrechnung erfolgt, zudem beschränkt auf das Randsortiment einer Apotheke (Produkte, die weder apothekenpflichtige noch verschreibungspflichtige Arzneimittel sind). Ein solcher Barrabatt ist deutlich weniger attraktiv, weil viele Kunden nur eher selten eine Apotheke aufsuchen, dass Apothekensortiment außerhalb der Arzneimittel sehr beschränkt und regelmäßig speziell ist und für viele Verbraucher preislich nicht besonders attraktiv erscheint. Unter diesen Umständen werden die Kunden außerhalb eines aktuellen Bedarfs an Arzneimitteln regelmäßig eine Apotheke nicht allein deshalb aufsuchen, nur um den Gutschein einzulösen.
Die Mitglieder des Senats sind Teil der von der streitgegenständlichen Werbung des Beklagten angesprochenen Verkehrskreises aller Verbraucher, so dass sie deren Wirkung aus eigener Lebenserfahrung (und zudem aus ihren jahrelangen Erfahrungen mit wettbewerbsrechtlichen Fallgestaltungen) einschätzen können. Der verständige Durchschnittsverbraucher wählt beim Einkauf von (apothekenpflichtigen oder verschreibungspflichtigen) Arzneimitteln die Apotheke insbesondere nach ihrer örtlichen Nähe, ausnahmsweise auch nach der Qualität ihrer Beratung aus. Die Lieferfähigkeit einer Apotheke hinsichtlich eines konkreten Arzneimittels kann der Verbraucher in der Regel nicht überblicken. Unter diesen Umständen gehen von einer zugewendeten geringen Kleinigkeit nur sehr geringe Anlockwirkungen aus, erst Recht bei Zuwendungen der streitgegenständlichen Art. Einem etwaigen Überbietungswettkampf der Apotheker untereinander zu immer teureren Zuwendungen steht vorliegend schon die Begrenzung geringwertiger Kleinigkeiten auf höchstens 1 Euro entgegen. Innerhalb dieser Wertgrenze verbleiben allerdings vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten, so dass ein – maßvoll sehr geringer – Konkurrenzkampf unter den Apotheken verbleibt und ein klug handelnder Apotheker – marktwirtschaftlich zu Recht – belohnt werden kann.
Ebenso ist dies arzneimittelpreisrechtlich zu beurteilen. Besteht bei geringwertigen Kleinigkeiten wegen der Geringwertigkeit keine Gefahr eines ruinösen Wettbewerbs zwischen den Apotheken (sei es im Hinblick auf eine flächendeckende und gleichmäßige Versorgung mit Arzneimitteln, sei es im Hinblick auf das finanzielle Gleichgewicht des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung, sei es insbesondere zum Ausschluss eines "Verdienens" der Patienten), muss auch dies gleichermaßen bei Barrabatten (jedenfalls in der hier vorliegend ausgestalteten Art) im Umfang geringwertiger Kleinigkeiten gelten. Bestätigt wird dies durch die jahrelange Anwendung des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HWG aF bis zum 12.8.2013 (zumal nach den genannten Entscheidungen des BGH im September 2010 ausdrücklich auch bei Barrabatten), ohne dass zwischenzeitlich Anhaltspunkte für die oben genannten Gefahrenlagen aus der Vergabe von geringwertigen Kleinigkeiten (zumal der vorliegenden Art) erkennbar geworden wären.
bb)
Seit dem 13.8.2013 ist § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG nF dahin geändert worden, dass auch Zuwendungen und Werbegaben im Umfang geringwertiger Kleinigkeiten (auch soweit sie kein Barrabatt sind) nicht entgegen den arzneimittelrechtlichen Preisvorschriften gewährt werden dürfen.
(1)
Daraus wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung verbreitet der Schluss gezogen, eine wettbewerbsrechtliche Spürbarkeit könne nicht mehr verneint werden. Nunmehr müssten alle Zuwendungen und Werbegaben (selbst im Umfang geringwertiger Kleinigkeiten) uneingeschränkt den arzneimittelrechtlichen Preisvorschriften (und damit auch dem einheitlichen Apothekenabgabepreis) entsprechen. Der Gesetzgeber habe diese Gesetzesänderung gerade unter Hinweis auf die vorgenannten Entscheidungen des BGH (insbesondere Bonuspunkte und Unser Dankeschön Für Sie) und eine fehlende sachlich berechtigte Unterscheidung zwischen Barrabatten und sonstigen Zuwendungen vorgenommen (OLG Frankfurt, WRP 2014, 1225 juris Rn. 10; WRP 2015, 759 juris Rn. 10; Urteil vom 2.11.2017, 6 U 164/16, juris Rn. 20; OLG Hamm, Urteil vom 11.6.2015, 4 U 12/15, juris Rn. 74; OLG München, GRUR.RR 2017, 451 juris Rn. 73 f; OVG Lüneburg, Pharma Recht 2017, 459 juris Rn. 22; OVG NRW, Beschluss vom 9.10.2014 – 13 B 722/14, juris Rn. 46; Urteil vom 8.9.2017, 13 A 2979/15, juris Rn. 124, 127 ff).
(2)
Dies ist nicht überzeugend.
Die Rechtsprechung des BGH zur fehlenden lauterkeitsrechtlichen Spürbarkeit eines heilmittelwerberechtlichen oder arzneimittelpreisrechtlichen Verstoßes bei Abgabe einer geringwertigen Kleinigkeit beruhte nicht schlicht auf der Annahme eines redaktionellen Versehens des Gesetzgebers oder eines Wertungswiderspruchs des Gesetzgebers bei der heilmittelwerberechtlich unterschiedlichen Behandlung von Barrabatten und sonstigen Zuwendungen sowie bei der Regelung des (teilweise differenzierenden) Heilmittelwerberechts zur Regelung des (insoweit ohne Ausnahme geltenden) Arzneimittelpreisrechts. Die Annahme einer fehlenden lauterkeitsrechtlichen Spürbarkeit folgte aus der Wertung des Gesetzgebers, grundsätzlich die Abgabe geringwertiger Kleinigkeiten heilmittelwerberechtlich zuzulassen, weil insoweit kein Gefahrenpotenzial vorliegt und der darauf aufbauenden Wertung, dies könne gleichermaßen arzneimittelpreisrechtlich angenommen werden. Dass die Annahme des Gesetzgebers zur Gefahrenlage sich im Verlauf der jahrelangen Rechtsanwendung als (heilmittelwerberechtlich oder arzneimittelpreisrechtlich) fehlerhaft erwiesen hätte, ist nicht ersichtlich und wurde vom Gesetzgeber bei der Änderung des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HWG aF auch nicht geltend gemacht. Selbst die höchstrichterliche Klarstellung der Zulässigkeit von Barrabatten im Umfang geringwertiger Kleinigkeiten in den Entscheidungen des BGH vom 9.9.2010 (aaO, Bonusprodukte; aaO, Unser Dankeschön Für Sie) hat im Zeitraum bis zu der Gesetzesänderung zum 12.8.2013 – wie erörtert – keine diesbezüglich aufkommende Gefahrenlage erkennen lassen. So hat der BGH in seiner – nach Inkrafttreten der Änderung des § 7 Abs. 1 HWG aF am 13.8.2013 getroffenen – Entscheidung vom 26.2.2014 (MMR 2014, 387 TZ 8) weiterhin ausdrücklich und maßgeblich darauf abgestellt, dass gemäß seiner bisherigen Rechtsprechung eine lauterkeitsrechtlich spürbare Interessenverletzung deshalb gegeben sei, weil der Wert der für den Bezug eines Arzneimittels gewährten Werbegabe einen Euro übersteige (OLG München, aaO, juris Rn. 74 geht insoweit wohl von einem Versehen des BGH aus; ohne diesbezügliche Problematisierung BGH, GRUR 2017, 635 juris Rn. 17 – Freunde werben Freunde, zu nicht geringwertigen Kleinigkeiten als dortige Zuwendung).
Der Wettbewerb der Apotheken mit der Abgabe geringwertiger Kleinigkeiten berührt maßgeblich das Einkommensinteresse der Apotheker. Würde jeder Apotheker derartige geringwertige Kleinigkeiten an die Verbraucher ausgeben, würden sich daraus folgende Wettbewerbsvorteile weit gehend neutralisieren. Soweit der einheitliche Apothekerabgabepreis gegenüber den Krankenkassen eingehalten wird, geht die Abgabe dieser geringwertigen Kleinigkeiten finanziell nicht zulasten der Krankenkassen. Tragen die Apotheker somit allein die finanziellen Lasten aus der Abgabe derartiger Kleinigkeiten an die Verbraucher und könnten sich wettbewerbsrechtliche Vorteile der Apotheker untereinander daraus weit gehend neutralisieren, schützt ein einschränkungsloses gesetzliches Verbot der Abgabe auch geringwertiger Kleinigkeiten bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln allein das Interesse der Apotheker in ihrer Gesamtheit an einem höheren Ertrag (gleichsam wie eine diesbezügliche Kartellabsprache der Apotheker), ohne dass dies nach den Schutzgütern – wie erörtert – heilmittelwerberechtlich oder arzneimittelpreisrechtlich notwendig wäre und ohne dem individuellen Gestaltungswillen des einzelnen Apothekers – in seiner konkreten Konkurrenzsituation – Rechnung zu tragen.
Ob danach heilmittelwerberechtlich und arzneimittelpreisrechtlich eine Änderung dahin gebotenen war und ist, auch die Einräumung von Barrabatten im Umfang geringwertiger Kleinigkeiten (jedenfalls der hier streitgegenständlichen Art) zuzulassen und insoweit auch eine Ausnahme für den Apothekerabgabepreis vorzusehen, kann hier dahingestellt bleiben. Der deutsche Gesetzgeber hat bei der Änderung des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HWG aF eine gesundheitspolitische Entscheidung getroffen. Das lauterkeitsrechtliche Erfordernis einer spürbaren Interessenverletzung aus § 3 Abs. 1 UWG aF/§ 3a UWG nF beruht auf der gemeinschaftsrechtlichen Vorgabe in Art. 2 lit. e, Art. 5 Abs. 2 lit. b UGP-RL zur Wahrung des gemeinschaftsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprinzips (Erwägung 6 Satz 2 der UGP-RL, vergleiche auch Köhler in: Köhler/Bornkamm, UWG, 35. Auflage, § 3a Rn. 1.96). Die UGP-RL hat allerdings nur in ihrem Anwendungsbereich zu einer vollständigen Harmonisierung des Lauterkeitsrechts geführt. In dem hier vorliegenden Bereich der Gesundheit durfte und darf der nationale Gesetzgeber eine Regelung in Bezug auf die Gesundheitsaspekte von Produkten eigenständig regeln (vergleiche BGH, GRUR 2017, 635 TZ 28 – Freunde werben Freunde), mithin grundsätzlich auch eine eigene Wertung der lauterkeitsrechtlichen Spürbarkeit vornehmen. Dahingehende wettbewerbspolitische Motive des Gesetzgebers haben aber schon im Wortlaut der Gesetzesänderung keinen hinreichenden Anhalt gefunden. Der für die wettbewerbsrechtliche Verfolgung von Verstößen allein maßgebliche § 3 Abs. 1 UWG aF/§ 3a UWG nF ist nicht geändert worden. Die nach diesen Regelungen gebotene wettbewerbsrechtliche Beschränkung auf die Verfolgung von spürbaren Verstößen setzt notwendig eine anderweitige Rechtsverletzung voraus. Der Gesetzgeber hat in seiner Neuregelung des § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG nF nur eine solche anderweitige (arzneimittelpreisrechtliche und heilmittelwerberechtliche) Rechtsverletzung klargestellt, und dies zudem ohne Erörterung etwaiger Gefahrenpotenziale. Somit ist von den Gerichten weiterhin im Falle einer wettbewerbsrechtlichen Verfolgung arzneimittelpreisrechtlicher oder heilmittelwerberechtlicher Verstöße die Spürbarkeit der Rechtsverletzung im Sinne der § 3 Abs. 1 UWG aF/§ 3a UWG nF eigenständig zu prüfen, und zwar unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalles.
Dies gilt um so mehr, als der Gesetzgeber in der Neuregelung des § 7 Abs. 1 HWG weiterhin – sehr pauschal gehalten – insbesondere handelsübliche Nebenleistungen in einem angemessenen Umfang (etwa teilweise oder vollständige Erstattung der Übernahme von Fahrtkosten für Verkehrsmittel des öffentlichen Personennahverkehrs, die im Zusammenhang mit dem Besuch des Geschäftslokals oder des Ortes der Erbringung der Leistung aufgewendet werden, § 7 Abs. 1 Halbsatz 2 Nr. 3 HWG) sowie die Ausgabe von Apothekenzeitungen (§ 7 Abs. 1 Halbsatz 2 Nr. 5 HWG) erlaubt, und zwar ohne Einschränkungen hinsichtlich der arzneimittelpreisrechtlichen Vorschriften und ohne eine diesbezügliche Begrenzung auf eine geringwertige Kleinigkeit (im Sinne einer Höchstgrenze von 1 €). Daraus folgende Anlockwirkungen der Verbraucher und der finanzielle Aufwand des einzelnen Apothekers können deutlich höher sein als bei der Vergabe geringwertiger Kleinigkeiten.
Ob eine Spürbarkeitsgrenze auch für die berufsrechtliche oder verwaltungsrechtliche Verfolgung von derartigen Verstößen anzunehmen ist, kann hier dahingestellt bleiben. Soweit der Gesetzgeber bei der Änderung des § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG nF maßgeblich darauf abgestellt hat, die Einheitlichkeit der Rechtsprechung für wettbewerbsrechtliche, berufsrechtliche und verwaltungsrechtliche Verfahren hinsichtlich arzneimittelpreisrechtlicher Vorschriften bei geringwertigen Kleinigkeiten wiederherzustellen, lässt dies schon die unterschiedlichen Zielrichtungen dieser Verfahren außer Acht. Unabhängig davon bleibt auch in berufsrechtlichen und verwaltungsrechtlichen Verfahren nach wie vor die Möglichkeit, bei geringwertigen Zuwendungen entgegen arzneimittelpreisrechtlichen Vorschriften – je nach den Umständen des Einzelfalles – das Eingriffsermessen entsprechend den verfassungsmäßigen Vorgaben der Verhältnismäßigkeit einzuschränken.
Zudem fehlte es – wie erörtert – an einer hinreichenden Grundlage für die Annahme, auch die Gewährung von Barrabatten im Umfang geringwertiger Kleinigkeiten (jedenfalls der hier vorliegenden Art) könnten die heilmittelwerberechtlich sowie arzneimittelpreisrechtlich geschützten Interessen der Marktbeteiligten lauterkeitsrechtlich spürbar beeinträchtigen. Insoweit stünde auch das grundgesetzliche Gebot der Verhältnismäßigkeit eines Eingriffs in die Berufsausübungsfreiheit einer lauterkeitsrechtlichen Verfolgung derartiger Verstöße entgegen. Die wettbewerblichen Möglichkeiten der Apotheken im Konkurrenzkampf untereinander sind ohnehin sehr begrenzt. Umso weniger muss den Apotheken dann wettbewerbsrechtlich die Möglichkeit von Zuwendungen und sonstigen Werbegaben im Umfang geringwertiger Kleinigkeiten (in der möglichen Vielzahl ihrer individuellen Ausgestaltung durch die Apotheker) auch noch insgesamt genommen werden, zumal – entgegen den Interessen der Verbraucher – maßgeblich zur Vermeidung von Einkommenseinbußen der Apotheker in ihrer Gesamtheit. In diesem Zusammenhang können auch die Wettbewerbsvorteile EU-ausländischer Versandapotheken aus der – angesichts der Untätigkeit des deutschen Gesetzgebers jedenfalls faktisch andauernden – Aufhebung der deutschen Apothekenpreisbindung ihnen gegenüber berücksichtigt werden.
cc)
Der streitgegenständliche Barrabatt in Höhe eines Gutscheins im Wert von 1 € (jedenfalls in der hier vorliegenden Art) stellt eine geringwertige Kleinigkeit dar.
Als geringwertige Kleinigkeiten sind nur kleinere Zugaben anzusehen, die sich als Ausdruck allgemeiner Kundenfreundlichkeit darstellen. Auch wenn bei einer Publikumswerbung im Hinblick auf die leichtere Beeinflussbarkeit der Werbeadressaten von einer eher niedrigen Wertgrenze auszugehen ist, überschreitet in diesem Bereich eine Werbegabe im Wert von einem Euro die Wertgrenze noch nicht (BGH, GRUR 2010, 1133 TZ 22 – Bonuspunkte; GRUR 2013, 1264 TZ 20 – RezeptBonus).
2.
Unter diesen Umständen wäre auch ein heilmittelwerberechtlicher Verstoß gegen § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Halbsatz 2 Nr. 2a Halbsatz 1, Halbsatz 2 HWG nF lauterkeitrechtlich nicht spürbar.
C.
Die Nebenentscheidungen zu den Kosten und zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf § 91 Abs. 1, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
Die Revision ist zuzulassen, § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO. Der Senat weicht – wie erörtert – hinsichtlich der Frage der Spürbarkeit einer Beeinträchtigung der Interessen von Verbrauchern oder Mitbewerbern im Sinne des § 3 Abs. 1 UWG aF/§ 3a UWG nF durch eine arzneimittelpreisrechtlich unzulässige, aber geringwertige Zuwendung von den genannten Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte ab.