Anforderungen an die Abmahnbefugnis eines Wettbewerbsverbands
Leitsatz
Anforderungen an die Abmahnbefugnis eines Wettbewerbsverbands
Tenor
In dem Rechtsstreit (...) hat das Landgericht Berlin - Kammer für Handelssachen 101 - durch (...) aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 11.03.2019 für Recht erkannt:
1. Die einstweilige Verfügung vom 3. Dezember 2018 wird aufgehoben und der auf ihren Erlass gerichtete Antrag zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Antragsteller darf die Vollstreckung abwenden gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages, wenn nicht vor der Vollstreckung die Antragsgegnerin Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Sachverhalt
Der Antragsteller ist ein am 4. November 2016 gegründeter, in das Vereinsregister eingetragener Verein, zu dessen Gründungsmitgliedern u.a. die Stadtwerke Weimar Stadtversorgungs GmbH (im Folgenden: Stadtwerke Weimar) und die Thüringer Energie AG gehörten. Satzungszweck ist die Förderung des lauteren Wettbewerbs, insbesondere des Schutzes von Kunden vor unlauterem Wettbewerb, insbesondere im Energiesektor. Wegen der weiteren Einzelheiten der Satzung wird auf Anlage AS 1 Bezug genommen.
Die Antragsgegnerin vertreibt u.a. Strom, dies auch in Weimar.
Sie ließ durch eine Beauftragte Anfang Oktober 2018 bei einer in Weimar wohnhaften Frau Ra(...) anrufen. Frau Ra(...) wohnt im Haushalt ihrer Tochter, Frau Ri(...), die Gaskundin bei den Stadtwerken Weimar war.
Am 10. Oktober 2018 versendete die Antragsgegnerin an Frau Ri(...) zwei Schreiben, in welchen deren Entscheidung für die Antragsgegnerin bestätigt und Produktdetails angegeben wurden (Anlage AS 13).
Am 11. Oktober 2018 bat die Antragsgegnerin um Vervollständigung von Angaben.
Am 15. und 16. Oktober 2018 widersprach Frau Ri(...) der Belieferung mit Strom durch die Antragsgegnerin.
Am 18. Oktober 2018 teilte die Antragsgegnerin Frau Ri(...) mit, den Widerruf, den sie als auf Strom - und Gasbelieferung bezogen ansah, umsetzen zu werden, wobei sie den Gasversorgungsvertrag bereits gekündigt habe, wohingegen der Stromversorgungsvertrag noch nicht gekündigt sei. Am selben Tag bestätigte die Antragsgegnerin den Vertragsbeginn für den Gasbezug ab dem 1. Dezember 2018.
Am 19. Oktober 2018 bestätigte die Antragsgegnerin den Widerruf zur Gasversorgung.
Die Parteien führten vor dem Landgericht Berlin (101 O 67/17) ein Verfahren, dem (behauptete) unerbetene Werbeanrufe mit (behaupteten) Werbeaussagen zu Energiedienstleistungen zugrundelag. Das am 17. Oktober 2018 in jenem Rechtsstreit ergangene Urteil (Anlage AG 1) ist nicht rechtskräftig.
Die Kammer hat - in anderer Besetzung - am 3. Dezember 2018 eine einstweilige Verfügung erlassen, durch die es der Antragsgegnerin bei Meidung gesetzlicher Ordnungsmittel untersagt wurde, im geschäftlichen Verkehr
a. Verbraucher ohne deren vorherige ausdrückliche Einwilligung telefonisch anzurufen und/oder anrufen zu lassen, um auf das eigene Leistungsangebot aufmerksam zu machen und/oder aufmerksam machen zu lassen, insbesondere wenn dies zum Zwecke des Abschlusses von Strom-und/oder Gasversorgungsverträgen geschieht,
und/oder
b. Verbraucher telefonisch anzurufen und oder anrufen zu lassen und vorzuspiegeln bzw. spiegeln zu lassen, der Anruf erfolge durch das örtliche Stadtwerk, wenn dies zum Zwecke des Abschlusses eigener Strom-und/oder Gasversorgungsverträge geschieht,
und/oder
c. Verbrauchern, die der Antragsgegnerin keinen Auftrag zur Strom-und/oder Gasversorgung eteilt haben, Auftrags- und Vertragsbestätigungen zur Strom-oder Gasversorgung zuzusenden,
und/oder
d. bestehende Strom-und Gaslieferungsvertrage mit den bisherigen Energieversorgungsunternehmen von Verbrauchern zu kündigen, wenn der Antragsgegnerin von den betreffenden Verbrauchern hierzu kein Auftrag und keine Vollmacht erteilt wurden.
Hiergegen richtet sich der Widerspruch der Antragsgegnerin.
Der Antragsteller behauptet, ihm gehörten mit Stand 26. November 2018 die aus der Liste in Anlage AS 2 zu Ziffer 2. aufgezählten Mitglieder an; diese seien nach Anzahl und Gewicht repräsentativ für die Branche. Er verfolge satzungsmäßige Zwecke und sei personell, sachlich und finanziell ausreichend i.S.v. § 8 Absatz 3 Nr. 2 UWG ausgestattet. Wegen der Einzelheiten seines Vortrages wird auf die Antragsschrift und den Schriftsatz vom 27. Februar 2017 jeweils nebst Anla-gen Bezug genommen.
Es sei auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen.
In der Anfangsphase seien die Anforderungen an die Verfolgung satzungsmäßiger Zwecke niedriger.
In dem Telefonat Anfang Oktober 2018 habe die Anruferin sinngemäß bestätigt, sie rufe für die Stadtwerke Weimar an. Die Anruferin habe billigeren Strom angeboten und nach der (Strom)Zählernummer gefragt. Frau Ra(...) habe die Gaszählernummer mitgeteilt.
Weder Frau Ra(...) noch Frau Ri(...) hätten eine Einwilligung in Werbeanrufe erteilt. Ebensowenig seien Wechselaufträge oder eine diesbezügliche Vollmacht erteilt worden.
Der Verfügungsgrund sei nicht wegen der früheren Kenntnis von Verstößen, die Gegenstand des vorausgegangenen Rechtsstreits 101 O 67/17 waren, zu verneinen.
Der Antragsteller beantragt, die einstweilige Verfügung vom 3. Dezember 2018 zu bestätigen.
Die Antragsgegnerin beantragt, die einstweilige Verfügung aufzuheben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückzuweisen.
Sie meint, der Antragsteller sei nicht aktivlegitimiert. Er erfülle seine satzungsmäßigen Zwecke nicht und sei nicht hinreichend personell, sachlich und finanziell ausgestattet.
Wegen der Einzelheiten ihres diesbezüglichen Vortrages wird auf die Schriftsätze vom 8. Januar und 7. März 2019 jeweils nebst Anlagen Bezug genommen.
Frau Ra(...) habe am 17. Oktober 2017 an einem Gewinnspiel teilgenommen und in diesem Zusammenhang eine Werbeeinwilligung zugunsten der Antragsgegnerin erteilt; im Double - Opt-In - Verfahren habe sie dies am selben Tag bestätigt.
Anlässlich des Telefonats habe Frau Ra(...) einen Auftrag zum Wechsel und eine Kündigungsvollmacht erteilt.
Es fehle zudem an der Dringlichkeit. Da der Antragsteller bezüglich der dem Rechtstreit 101 O 67/17 zugrundeliegenden (behaupteten) Vorfälle kein Eilverfahren eingeleitet habe, fehle es auch bezüglich der hiesigem Verfahren zugrundeliegenden (behaupteten) Vorfällen - da kerngleich - an der Eilbedürftigkeit jedenfalls der Anträge zu 1. a) und b).
Der Antrag zu 1. b) sei zu unbestimmt, die Anträge zu 1. c) und d) zu weit gefasst.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Rechtsstandes wird auf den Inhalt der vorgetragenen Schriftsätze, die zu den Akten gereichten Unterlagen und die im Verhandlungstermin protokollierten Erklärungen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die einstweilige Verfügung war aufzuheben und der auf ihren Erlass gerichtete Antrag zurückzuweisen.
Dem Antragsteller steht ein Unterlassungsanspruch aus § 8 Absatz 1, Absatz 3 Nr. 2 i.V.m. §§ 3,4a, 5, 7 UWG nicht zu.
I.
Zwar ist entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin der Antrag zu 1. b) nicht zu unbestimmt. Aus dem Vortrag in der Antragsschrift, die zur Auslegung heranzuziehen ist, ergibt sich hinreichend deutlich, dass die „Vorspiegelung" darin zu sehen ist, dass die Anruferin bei Frau Ra(...) den Eindruck erweckt hat, sie rufe für die Stadtwerke Weimar an.
Auch sind die Anträge zu 1. c) und d) nicht zu weit gefasst.
Ob im Einzelfall der Übersendung von Bestätigungen oder der Vornahme von Kündigungen Bearbeitungsfehler oder Missverständnisse zugrundeliegen, kann Berücksichtigung in der Zwangsvollstreckung finden; einer Einschränkung des Tenors um alle in Betracht kommenden Ausnahmen von einem Verstoß bedarf es regelmäßig nicht, zumal es hier nicht um gesetzlich normierte Ausnahmetatbestände geht.
II.
1. Der Antragsteller ist nicht aktivlegitimiert.
Der Antragsteller erfüllt die Voraussetzungen des § 8 Absatz 3 Nr. 2 UWG, dem eine Doppelnatur als Rechtsgrundlage sowohl der (prozessualen) Prozessführungsbefugnis als auch der (materiellrechtlichen) Anspruchsberechtigung innewohnt (vgl. BGH NJW - RR 1991, 1138 zu § 13 Absatz 2 Nr. 2 UWG a.F.), nicht.
Für das Vorliegen der vom Antragsteller darzulegenden und zu beweisenden Aktivlegitimation kommt es - da § 8 Absatz 3 Nr. 2 UWG (auch) die materiellrechtliche Anspruchsberechtigung regelt - auf den Zeitpunkt der behaupteten Zuwiderhandlungen an (vgl. Köhler/Feddersen in Köhler/Bornkamm, UWG, 35. Aufl., § 8 Rn. 3.7; Seichter in jurisPK - UWG, 4. Aufl., § 8 Rn. 165), hier also auf den Oktober 2018.
Nichts anderes besagt auch die vom Antragsteller zitierte Entscheidung des BGH „Sammelmitgliedschaft V "(GRUR 2007, 610): § 8 Absatz 3 Nr. 2 UWG betrifft sowohl die prozessuale Klagebefugnis als auch die sachlich - rechtliche Anspruchsberechtigung. Dementsprechend muss der Verband nicht nur im Zeitpunkt der beanstandeten Wettbewerbshandlung klagebefugt sein. Dies stellt die herrschende Meinung in der höchst - und obergerichtlichen Rechtsprechung dar (vgl. BGH GRUR 1998, 257 - Händlervereinigung; OLG Hamm GRUR 1991, 692).
Im Oktober 2018 gehörten dem Antragsteller eine ausreichende Anzahl von branchengleichen Unternehmen an. Dies stellt auch die Antragsgegnerin nicht in Frage.
a) Zur Verfolgung satzungsmäßiger Zwecke:
Die tatsächliche Verfolgung satzungsgemäßer Zwecke sieht die Kammer unter Würdigung der Gesamtheit der hierzu eingereichten Glaubhaftmachungsmittel nicht als ausreichend belegt an.
Der als Anlage AS 20 eingereichte Screenshot des Internetauftritts datiert vom 25. Februar 2019, besagt also nichts für im Oktober 2018 abrufbare Inhalte; im Übrigen ist der Inhalt dünn: Er besteht faktisch nur aus links zu vier Beiträgen über Gerichtsentscheidungen, zu einzelnen Merkblättern und Gesetzestexten, einer „Über Uns" - Darstellung und mitgliedschaftsbezogenen Informationen sowie einer Rubrik „Wettbewerbsverstoß melden" mit Verlinkung zum Kontaktformular.
Auch die eidesstattliche Versicherung in Anlage AS 21 ist insoweit nicht ergiebiger. Insbesondere besagt die eidesstattliche Versicherung nicht einmal etwas darüber, dass die als Anlagen AS 22, 23 und 24 eingereichten Merkblätter bereits im Oktober 2018 zur Verfügung standen. Das Gegenteil legt sogar der eigene Vortrag des Antragstellers nahe, wonach die Merkblätter „den Mitgliedern" erst Ende November 2018 per email übermittelt wurden.
Ein Newsletter soll ausweislich Anlage AS 26 am 9. November 2018 versandt worden sein, an wen, lässt sich der Anlage nicht entnehmen, da im Header die Adresszeile „An" gelöscht wurde.
Ein weiterer Newsletter (Anlage AS 27) wurde deutlich nach Oktober 2018 versandt, nämlich erst im Dezember 2018. Von zeitlicher Relevanz bleiben mithin nur ganze drei Newsletter (von Januar 2018 und März 2017; Anlagen AS 28, 29 und 30).
Die eidesstattliche Versicherung in Anlage AS 21 ist auch in diesem Punkt inhaltlich nicht aussagekräftig; welche Informationen sollen hier „laufend" sein wann versandt worden sein, bleibt unklar.
Die als Anlagen AS 31, 32, 33, 34, 35 und 36 vorgelegte Korrespondenz mit einzelnen Mitgliedern ist wiederum im Header unter „An" teils gelöscht (Anlage AS 31, 33 und 34), teils zeitlich weit nach dem 19. Oktober 2018 (dem letzten für die behaupteten Wettbewerbs verstoße relevanten Tag) verfasst worden (Anlagen 33, 34, 35 und 36).
Die regelmäßigen Marktbeobachtungen (Anlage AS 37) dürften erstens keine nach außen tretende Verfolgung von Satzungszwecken darstellen, im Übrigen fehlt jegliche Zeitangabe, seit wann die Marktbeobachtungen durchgeführt werden.
Die Durchführung von Mitgliederversammlungen ist für sich genommen unerheblich für die Verfolgung satzungsgemäßer Zecke, weil es sich insoweit nur um die Einhaltung selbstbindender Satzungsbestimmungen handelt, § 11 (2) (b) der Satzung i.V.m. § 36 BGB.
Die Anlagen AS 38 und 39 sagen über Diskussions - bzw. Beschlussinhalte in Bezug auf wettbewerbsrechtliche Themen nichts aus.
Auch die auch in diesem Zusammenhang abgegebene eidesstattliche Versicherung (Anlage AS 21) gibt inhaltlich über die reine Abhaltung der Versammlungen hinaus nichts konkretes her, zumal aus ihr nicht hervorgeht, woher Frau V(...) die Kenntnisse haben will. Es ist weder vorgetragen, dass sie gemäß § 11 (5) Satz 2 der Satzung zur Protokollführerin bestimmt worden war, noch aus welchen Gründen sie - als Nichtmitglied - anwesend gewesen sein soll.
Zweifel an der Glaubhaftigkeit rühren auch aus der verwendeten Formulierung unter Ziffer 3. der eidesstattlichen Versicherung. Die Betonung der „Rechtsprechung des BGH" lässt nicht darauf
schließen, dass Frau V(...) den Text selbst verfasst hat oder sich auch nur dessen Inhalt wahrheitsgemäß vollständig aus eigener Kenntnis zu eigen machen konnte. Frau V(...) ist ausweislich eigener Angabe „Sekretärin/Sachbearbeiterin". Welche eigenen Kenntnisse sie zur „Rechtsprechung des BGH für die Aktivlegitimation eines Wettbewerbsvereins" haben will, ist mindestens unklar, was ihre eidesstattliche Versicherung insgesamt fragwürdig macht.
Zur Verfolgung satzungsmäßiger Aufgaben trägt der Antragsteller weiter vor, es habe bisher eine (einzige) Fortbildungsveranstaltung am 10. November 2017 für Mitglieder gegeben.
Auch insoweit will Frau V(...) (Anlage AS 21) Kenntnis davon haben will, dass diese tatsächlich durchgeführt wurde, bestehen Zweifel. Die Teilnahme einer „Sekretärin/Sachbearbeiterin" an einer wettbewerbsrechtlichen Schulung für (ausschließlich unternehmerisch tätige) Verbandsmitglieder erscheint der Kammer ungewöhnlich.
Auch soweit mit Anlage AS 41 glaubhaft gemacht ist, dass die Veranstaltung tatsächlich stattfand, bleibt deren Singularitäten einem Zeitraum von zwei Jahren nach Gründung des Antragstellers) festzustellen. Dass eine weitere Veranstaltung für das erste Quartal 2019 geplant ist, ist un-rheblich, da es - wie ausgeführt - auf die im Oktober 2018 bestehenden Verhältnisse ankommt. Dasselbe gilt für die in die Zukunft gerichtete Ankündigung sonstiger Veranstaltungen, Maßnahmen, Aktivitäten etc.
Lobbyaktivitäten bei Ministerien bzw. Kooperationsanfragen bei der Verbraucherzentrale sind gleichfalls unerheblich. Es handelt sich dabei um rein Verbands bezogene bzw. auf Stärkung der Verbandsinteressen gerichtete Maßnahmen.
Die Korrespondenz mit der Bundesnetzagentur (Anlage AS 45) enthält Bitten um Verfolgung von Wettbewerbsverstößen, deren satzungsgemäße Verfolgung der Antragsteller gerade selbst für sich in Anspruch nimmt und ist damit für die Unterfütterung seines Vortrages zur behaupteten Aktivlegitimation nachgerade kontraproduktiv.
Die Kontaktaufnahme mit der Universität Jena (Anlage AS 47) stellt eine kaum verhüllte Bitte um Rechtsrat speziell zu der Frage, welche Anforderungen für die Aktivlegitimation gemäß § 8 Absatz 3 Nr. 2 UWG gelten und insbesondere zum relevanten Zeitpunkt des Vorliegens der Voraussetzungen.
Welche Relevanz Presseberichterstattung für die tatsächliche Verfolgung von Satzungszwecken haben soll, erschließt sich nicht.
Auf eine Vermutung für die tatsächliche Erfüllung satzungsgemäßer Aufgaben kann sich der Antragsteller für den Zeitraum bis Oktober 2018 nicht stützen, da diese nur dann ausnahmsweise zum Tragen kommt, wenn der Verband zuvor jahrelang aktiv war (vgl. BGH NJW 1994, 2548 - Verbandsausstattung II), was hier bei einer erst zweijährigen Tätigkeit nicht der Fall ist.
Ebensowenig kann sich der Antragsteller darauf berufen, dass die Anforderungen an die Verfolgung satzungsgemäßer Zwecke in der Anfangsphase niedriger seien. Abgesehen davon, dass diese Rechtsauffassung keine erkennbare Verbreitung in der Rechtsprechung gefunden hat, spielt sie hier auch keine Rolle. Denn die Wettbewerbsverstöße sollen sich im Oktober 2018 eignet haben, mithin knapp zwei Jahre nach Gründung. Nach zwei Jahren muss die Anlaufpha se als abgeschlossen gelten.
b) Zur sachlichen Ausstattung:
Auch die sachliche Ausstattung unterliegt Bedenken.
Zur sachlichen Ausstattung gehörte im Oktober 2018 eine Geschäftsstelle in der S(...) Strasse, wobei der Einwand der Antragsgegnerin, die (unbestritten gebliebene) monatliche Miete in Höhe von 138,91 Euro deute auf ein nur pro - forma - Büro hin, nicht von der Hand zu weisen ist, dies auch unter Berücksichtigung der vom Antragsteller eingereichten Fotos des (einen) Raumes (Anlage AS 52).
An technischer Büroausstattung ist ein Bildschirm und ein Drucker zu erkennen, weder Telefon noch Faxgerät (obwohl in der eidesstattlichen Versicherung in Anlage AS 2 behauptet); auch ein separater Sekretariatsarbeitsplatz ist nicht erkennbar.
Dass neue Räume zum 1. März 2019 angemietet werden, ist unerheblich.
Die Anwesenheit der Justiziarin N(...) in einem nennenswerten Umfang im relevanten Zeitraum Oktober 2018 ist nicht glaubhaft gemacht. Selbst wenn diese damals 10 Stunden wöchentlich anwesend war (was bei einer Fünftagewoche einer täglichen Anwesenheit von 2 Stunden entspricht), steht dies im Widerspruch zur eidesstattlichen Versicherung in Anlage AS 2, wonach die Geschäftsstelle zu den üblichen Geschäftszeiten erreichbar sei; übliche Geschäftszeiten sind in Deutschland jedenfalls mehr als zwei Stunden täglich.
Auf die Wochenübersicht aus Januar 2019 (Anlage AS 55) kommt es nicht an. Ebenso unerheblich ist eine zum 1. März 2019 geplante Personalaufstockung in der (neuen) Geschäftsstelle.
Wie der Antragsteller selbst unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs einräumt, ist das Vorhalten einer Geschäftsstelle maßgeblich, um auszuschließen, dass ein Verband nicht lediglich vordergründig für gewinnbringende Abmahn-, Vertragsstrafeneinziehungs -und Prozesstätigkeit tätig ist. Eine fehlende Geschäftsstelle spricht gegen die Sachbefugnis des Verbandes (vgl. BGH NJW 1994, 2548 - Verbandsausstattung II).
Dasselbe muss aber gelten, wenn die Geschäftsstelle lediglich wie eine pro forma - Geschäftsstelle anmutet, was die Kammer bezüglich der Räume in der S(...) Straße in Zusammenschau der vorstehenden Ausführungen für überwiegend Wahrscheinlichkeit hält.
c) Zur finanziellen Ausstattung:
Für die finanzielle Ausstattung ist vorrangig das liquide zur Verfügung stehende Barvermögen des Antragstellers entscheidend. Bezogen auf den 15. November 2018 war der Antragsteller ausweislich Anlage AS 7 mit 103.251,30 Euro hinreichend ausgestattet.
Auch im Übrigen hat der Antragsteller Unterlagen eingereicht, aus denen sich hinreichende Rückschlüsse auf seine finanzielle Leistungskraft im Oktober 2018 ziehen lassen (insbesondere Anlage AS 66 mit Finanzstatus 2017 und Wirtschaftsplan 2018 und Anlage AS 67 mit Jahresabschluss 2017).
d) Zur personellen Ausstattung:
Selbst wenn im Oktober 2018 die finanzielle Ausstattung ausreichend gewesen ist, hegt die Kammer nicht nur - wie ausgeführt - Zweifel an der tatsächlichen Verfolgung satzungsmäßiger Zwecke und der sachlichen Ausstattung - bezogen auf Oktober 2018 -, sondern hält die Kammer auch die personelle Ausstattung nicht für ausreichend.
Insbesondere hält die Kammer es im Hin¬blick auf die personeile Ausstattung nicht für ausreichend, dass - bis dato - keine eigenen Mitarbeiter beschäftigt werden, sondern diese Arbeitnehmer der Thüringer Energie AG sind; auch der Geschäftsführer des Antragstellers steht in einem Dienstverhältnis zur Thüringer Energie AG.
Der Antragsteller hat unbestritten gelassen, dass ihr Geschäftsführer keinerlei Bezüge erhält, sondern ausschließlich von der Thüringer Energie AG vergütet wird, was sich aus Anlage AG 2 ergibt.
Ebensowenig ist vom Antragsteller die Fortgeltung der Kostenverrechnung - wie aus Anlage AG 3 ersichtlich - bis mindestens Oktober 2018 bestritten worden, wonach Bezüge für Mitarbeiter des Antragstellers von der Thüringer Energie AG getragen werden sind.
Daraus folgt, dass der Antragsteller keinen eigenen Mitarbeiterstamm - außer dem formal als Organ bestellten Geschäftsführer - aufweist, was die Kammer aber als erforderlich für die hinreichende personelle Ausstattung ansieht. Zudem besteht hier bezüglich aller bisher für den Antragsteller tätigen Personen ein Abhängigkeitsverhältnis zur Thüringer Energie AG, welches befürchten lässt, dass der Antragsteller - entgegen dem Gesetzeszweck - vorrangig Individualinteressen eines Mitglieds verfolgt, zumal die Thüringer Energie AG zugleich gesellschaftsrechtliche Beteiligungen an anderen Mitgliedern des Antragstellers, insbesondere auch an den Stadtwerken Weimar, hält, die die eigentlich betroffene Wettbewerberin bezüglich des hiesigem Verfahren zugrundeliegenden Vorfalls sein soll.
Dass am 1. März 2019 eine weitere Volljuristin in Vollzeit - in einem Arbeitsverhältnis direkt mit dem Antragsteller - eingestellt worden sein soll, ist unerheblich.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sind an die Aktivlegitimation in personeller und sachlicher Hinsicht hohe Anforderungen zu stellen, um auszuschließen, dass die Verbandstätigkeit missbräuchlich als Vorwand für gewinnbringende Abmahn-, Vertragsstrafeneinziehungs - und Prozesstätigkeit ausgenutzt wird (vgl. BGH NJW - RR 1991, 1138 - Verbandsausstattung I; BGH NJW 1994, 2548 - Verbandsausstattung II).
Als problematisch sieht der Bundesgerichtshof insbesondere an, Aufgaben personell zu verlagern, dies explizit auch in der Konstellation, dass Mitarbeiter Verträge ausschließlich mit einem anderen Verband haben und von diesem bezahlt werden (vgl. BGH a.a.O.). Eine gleichgelagerte Konstellation sieht die Kammer im vorliegenden Fall als gegeben an.
Aus den eingereichten Urteilen des Landgerichts München I (3 HKO 259/18 und 1 HKO 14170/17 (Anlagen AS 8 und AS 9) ergibt sich erstens keine Bindungswirkung, zweitens ist beiden Urteilen zu eigen, dass die dortigen Kammern - offenbar wegen des dort wenig intensiven Bestreitens der Aktivlegitimation - keinen Anlass hatten, sich eingehender mit einzelnen Aspek-ten der Aktivlegitimation auseinanderzusetzen.
Die Kammer sieht sich dagegen bestätigt durch die vor dem OLG München (29 U 1284/18 und 29 U 1269/18; vgl. Anlagekonvolut B 4) ausgesprochenen Verzichtserklärungen des dortigen Klägers (hiesigen Antragstellers), die in beiden Fällen - nach übereinstimmender Schilderung der hiesigen Verfahrensbevollmächtigten - aufgrund der vom OLG München bezweifelten Aktivlegitimation erfolgten.
2. Schließlich fehlt es auch an der Dringlichkeit bezüglich der Anträge zu 1 .a) und b).
Grundsätzlich steht die Kenntnis von einem früheren kemgleichen Verstoß der Kenntnis gleich, die Ausgangspunkt des dringlichkeitsschädlichen Zeitraums ist (vgl. Hess in jurisPK - UWG, 4. Aufl., § 12 Rn. 142 m.w.N.), wobei die Auffassung abzulehnen ist, dass auch die gegen einen früheren kerngleichen Verstoß (zeitnah) eingeleitete Hauptsacheverfahren genügt, um die Dringlich¬keitsvermutung zu wahren (so wohl auch Hess a.a.O.). Den hiesigen Anträgen zu La) und b) lie¬gen (behauptete) Verstöße zugrunde, die kerngleich mit denen sind, die im Rechtsstreit 101 O 67/17 behauptet wurden, ohne dass wegen jener Verstöße ein einstweiliges Verfügungsverfah-ren eingeleitet worden war.
Auch ein Wiederaufleben der Dringlichkeit wegen wesentlicher Änderungen der Umstände ist nicht gegeben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbar-keit aus §§ 708 Nr. 6. 711 ZPO.