Werbeaussage einer Internet-Apotheke "Die Rezept-Apotheke" ist Werbung mit Selbstverständlichkeiten

Oberlandesgericht Stuttgart

Urteil v. 20.12.2018 - Az.: 2 U 26/18

Leitsatz

Werbeaussage einer Internet-Apotheke "Die Rezept-Apotheke" ist Werbung mit Selbstverständlichkeiten

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Vorsitzenden der 36. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Stuttgart vom 25. Januar 2018 (Az.: 36 O 47/17 KfH) wird zurückgewiesen.

2. Auf die Anschlussberufung der Beklagten wird das in Ziffer 1 bezeichnete Urteil unter Zurückweisung der weitergehenden Anschlussberufung in Ziffer 2 des Tenors abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird unter Abweisung des weitergehenden Zahlungsanspruches auf Abmahnkosten und Zinsen verurteilt, an die Klägerin 1.246,33 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 09. Juni 2017 zu zahlen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen von den Kosten des ersten Rechtszuges der Kläger 5/8 und die Beklagte 3/8, von den Kosten des Berufungsverfahrens der Kläger 2/3 und die Beklagte 1/3.

4. Dieses Urteil und das angefochtene landgerichtliche Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Jeder der Parteien wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung wegen Zahlung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120% des gegen sie vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht der Vollstreckende vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des beizutreibenden Betrages leistet.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung aus Ziffer 1 b) des landgerichtlichen Urteilstenors durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 25.000,- EUR abzuwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

5. Die Revision wird zugelassen.

Entscheidungsgründe

I.

Der Kläger begehrt Unterlassung aus Wettbewerbsrecht und stellt Nebenforderungen.
 
Wegen des Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem Urteil des Vorsitzenden der 36. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Stuttgart vom 25. Januar 2018 (Az.: 36 O 47/17 KfH) Bezug genommen (§ 540 Abs.1 ZPO).
 
Das Landgericht hat der Klage in den Anträgen Ziffer 1.2 bis 1.4 und teilweise zur Kostenerstattung stattgegeben, sie im Übrigen abgewiesen und hierzu, soweit noch im Streit, ausgeführt:
 
Dem aus § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG klagebefugten Kläger könne die in den Niederlanden ansässige Beklagte nach § 14 Abs. 2 S. 2, 2. Alt. UWG, Art. 5 Nr. 3 EuGVVO auch vor dem Landgericht Stuttgart verklagen.
 
Der Klageantrag Ziffer 1.1 sei unbegründet. Die Beklagte verletze ihre Pflicht zur fachlichen Sorgfalt durch die angegriffene Werbung nicht. Der „Sofort-Bonus" sei kein Nachlass auf den Preis des verschreibungspflichtigen Medikaments. Der Kunde müsse dessen Preis in voller Höhe bezahlen (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 23.03.2017 - 2 U 113/16).
 
Der Klagantrag Nr. 1.3 sei begründet. Mit der Bezeichnung „Die Rezept-Apotheke" für den Vertrieb von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zu werben, sei irreführende Werbung mit einer Selbstverständlichkeit (vgl. § 43 AMG).
 
Der Klagantrag Nr. 2 auf Ersatz vorgerichtlicher Abmahnkosten sei nur anteilig berechtigt, nämlich in Bezug auf die Abmahnung zu den Klaganträgen Ziff. 1.2 bis 1.4 mit einem darauf entfallenden Gegenstandswert in Höhe von 120.000,- EUR, der Anspruch bestehe in Höhe von 2.480,44 EUR nebst Zinsen seit dem Tag der Zustellung.
 
Gegen dieses Urteil haben der Kläger Berufung, die Beklagte Anschlussberufung eingelegt, beide form- und fristgerecht und später mit einer prozessordnungsgemäßen Begründung versehen.
 
Der Kläger verteidigt das Urteil des Landgerichts gegen die Anschlussberufung und trägt zu seiner Berufung vor:
 
Angesichts des Prinzips der konkreten Bedarfsdeckung in der Privaten Krankenversicherung (PKV) führe die Gewährung der Boni durch die Beklagte unmittelbar zu einer Reduzierung der Erstattungspflicht des privaten Krankenversicherers.
 
Der Gutschein, den die Beklagte gebe, sei im Lichte der Arzneimittelpreisverordnung nicht anders zu werten ist als ein Preisnachlass unmittelbar auf den Kaufpreis (vgl. BGH, Urteil vom 08.05.2013 - I ZR 98/12, m.w.N. - Rezeptbonus). Es mache keinen Unterschied, ob der Kunde aufgrund eines Nachlasses Bargeld im Geldbeutel habe oder eine Gutschrift, die er ohne nennenswerte Hürden für ein Produktsortiment einlösen könne, aus dem er häufig etwas gebrauchen könne.
 
Der Bonus müsse auch auf den Quittungen vermerkt werden. Die Beklagte stelle aber Quittungen ohne entsprechenden Hinweis aus. Die Krankenversicherung müsse auf Vorlage den vollen Betrag erstatten und erleide so einen Vermögensnachteil, der sich positiv für den Kunden auswirke.
 
Ein unternehmerisches Verhalten, das den Kunden verleiten solle, seine Pflichten gegenüber der Versicherung zu verletzen und einen Betrug zu begehen, stelle eine Verletzung der fachlichen Sorgfalt im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 7 UWG gegenüber dem Verbraucher dar (OLG Stuttgart, Urteil vom 23.02.2017 - 2 U 113/16; OLG Hamm, Urteil vom 12.11.2013 - 4 U 31/13).
 
Diese Art der Werbung sei allgemein zu untersagen und nicht nur für den Fall, dass der Bonus gegenüber dem Krankenversicherer nicht kommuniziert werde. Zeigte die Beklagte den Bonus an, so erhielte der Kunde von seiner PKV entsprechend weniger und hätte keinen Vorteil aus dem Bonus; die Werbung mit ihm wäre dann irreführend und nach §§ 3 Abs. 2, 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, 8 Abs. 1 und 3 Nr. 2 UWG zu unterlassen.
 
Daher schulde die Beklagte auch die vollen Abmahnkosten.
 
Der Kläger beantragt zu seiner Berufung, das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 25.01.2018 (Az.: 36 0 47/17 KfH) wie folgt abzuändern:

1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes i.H.v. bis zu 250.000,- Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu zwei Jahren zu unterlassen, zu Zwecken des Wettbewerbs in Deutschland

1.1 gegenüber privatversicherten Endverbrauchern in Deutschland mit einem Sofortbonus von bis zu 30,- Euro pro Rezept zu werben, der dem Kunden auf seinem Kundenkonto gutgeschrieben und mit dem Kaufpreis nicht rezeptpflichtiger Produkte verrechnet wird;

und/oder

1.2 [dieser Antrag steht nicht mehr im Streit]

und/oder

1.3 gegenüber Verbrauchern mit der Angabe A. - „Die Rezept-Apotheke" für den Vertrieb von Arzneimitteln zu werben;

und/oder

1.4 [dieser Antrag steht nicht mehr im Streit].

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 3.323,55 Euro zzgl. Zinsen i.H.v. 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Zur Anschlussberufung der Beklagten beantragt der Kläger,

diese zurückzuweisen.

Die Beklagte, die zunächst Anschlussberufung eingelegt hatte mit dem Antrag,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen,

hat im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat die Anschlussberufung gegen die Tenorziffern 1 a) [betreffend die Angabe einer Postadresse in M.] und Ziff. 1 c) [betreffend die Angabe einer Telefonnummer des Kunden] zurückgenommen.
 
Zur Berufung des Klägers beantragt sie,

diese zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die Teilklageabweisung und trägt vor:

Die Werbung mit dem Begriff „Rezept-Apotheke" sei keine Werbung mit einer Selbstverständlichkeit entgegen § 5 Abs. 1 Nr. 2 UWG. Der Verbraucher entnehme der Anpreisung nicht nur, dass die Apotheke Rezepte entgegennehmen, sondern dass sie sich auf das Geschäft der Rezeptbelieferung spezialisiert habe und sich in diesem Zusammenhang von anderen Apotheken unterscheide. Dies treffe auf die Beklagte zu. Die Beklagte biete über die rechtlichen Vorgaben hinaus eine schriftliche Wechselwirkungsberatung an. Zudem biete sie dem Kunden - sofern dieser einwillige - spezielle Betreuungsprogramme für chronisch Kranke in zahlreichen Indikationsgebieten an und betreue viele Kunden im Bereich des Medikationsmanagements (vgl. B1 und B2). Sie erfülle die Verbrauchererwartung aus der Werbung.

Dem Durchschnittsverbraucher sei bekannt, dass jede Apotheke ihn auf Rezept beliefere; er erkenne die Rezeptbelieferung als Selbstverständlichkeit, was einen Irrtum hierzu ausschließe.
 
Damit bestehe auch kein Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten.

Gegen die Berufung des Klägers trägt die Beklagte vor:

Eine Irreführung gemäß § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 UWG liege nicht derart vor, dass durch die streitgegenständliche Werbung gegenüber dem Kunden der Eindruck erweckt werde, er würde aus Anlass der Einlösung eines Rezepts einen Bonus erhalten, der sich für ihn vorteilhaft auswirke. Über den Umfang der Erstattungsansprüche bei rezeptfreien Produkten im konkreten Versicherungsverhältnis wisse die Beklagte nichts. Häufig erstatte die PKV rezeptfreie Arzneimittel nicht. Der Kunde erhalte den Bonus gerade unabhängig davon, ob er das rezeptfreie Medikament zur Erstattung geltend mache.

In einem weiteren Schriftsatz vertieft die Beklagte ihren Vortrag, teils wiederholend:

Der konkrete Bonus hänge vom Preis des Medikaments ab. Seine Höhe sei der Anzeige nicht zu entnehmen, sondern nur die Struktur der Berechnung. Zu einer Weitergabe des Bonus an seine PKV sei der Kunde nicht verpflichtet. Er komme ihm zugute.

Aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes gegen eine Aufspaltung eines einheitlichen Vorganges in ein Erst- und ein Zweitgeschäft könne für das hier maßgebende Verhältnis zwischen Kunde und PKV nichts abgeleitet werden.

Nach Auffassung des Klägers müsste die Beklagte Rechnungen über rabattierte rezeptpflichtige Medikamente ausstellen, obwohl diese nicht rabattiert gewesen seien. Dann bekäme der Versicherte allerdings nicht den vollen Betrag erstattet. Der Fall OLG Stuttgart, Urteil vom 23.03.2017 - 2 U 113/16, liege anders.

Die Beklagte gebe, was sie in dem Bonus-Angebot verspreche. Zum Rechtsverhältnis zwischen Kunden und PKV sage sie nichts aus, zumal sie dessen Inhalt nicht kenne. Sie weise den Bonus aus.
 
Wegen des weiteren Parteivortrages im zweiten Rechtszug wird auf die im Berufungsverfahren eingereichten Schriftsätze und die Sitzungsniederschrift vom 08. November 2018 Bezug genommen.

II.

Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet. Dem Kläger steht der erhobene Anspruch nicht zu, dass die Beklagte es unterlasse, gegenüber privatversicherten Endverbrauchern in Deutschland mit einem Sofortbonus von bis zu 30,- EUR pro Rezept zu werben, der dem Kunden auf seinem Kundenkonto gutgeschrieben und mit dem Kaufpreis nicht rezeptpflichtiger Produkte verrechnet wird. Der Kläger stützt diesen Anspruch nicht auf einen Verstoß gegen das Recht der Arzneimittelpreisbindung, sondern - was einen gesonderten Streitgegenstand darstellt - auf §§ 2 Abs. 1 Nr. 7, 3 Abs. 1 und Abs. 2, 8 UWG und hilfsweise auf eine Verbrauchertäuschung (§§ 3, 5 UWG). Mangels weitergehender Berechtigung der Abmahnung besteht auch kein höherer Kostenerstattungsanspruch.

1.
Allerdings wäre ein Preisnachlass von bis zu 30,- EUR, der in dieser Höhe, wie von der Beklagten angeboten, auch schon bei Bestellung eines einzigen Arzneimittels anfallen kann, im Geltungsbereich der Arzneimittelpreisbindung unzulässig und die Werbung damit unlauter. Denn er liegt über der nach der Rechtsprechung zulässigen Geringwertigkeitsgrenze für Zugaben von einem Euro je Arzneimittel (vgl. BGH, Urteil vom 08. Mai 2013 - I ZR 98/12, GRUR 2013, 1264, bei juris Rz. 18 ff., m.w.N. - RezeptBonus; OLG Stuttgart, Urteil vom 22. Februar 2018 - 2 U 39/17, MDR 2018, 65 - Unsere 6 gegen Erkältung).

Darauf kommt es für den vorliegend zu entscheidenden Streitgegenstand jedoch nicht an. Die Grundsätze aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Unzulässigkeit vergleichbarerer Zugaben im Rahmen der Arzneimittelpreisbindung sind entgegen der vom Kläger vertretenen Rechtsauffassung auf den vorliegend geltend gemachten Anspruch nicht übertragbar. Soweit ausländische Versandapotheken der Arzneimittelpreisbindung nach deutschem Recht nicht unterfallen, mag dies den Markt im Verhältnis der Wettbewerber zueinander beeinflussen, betrifft aber das hier zu prüfende Rechtsverhältnis zwischen dem Unternehmen und dem Kunden nicht und hat daher keine Auswirkungen auf die Bestimmung der unternehmerischen Sorgfalt (§ 2 Abs. 1 Nr. 7 UWG) dem Kunden gegenüber.

2.
Die angegriffene Auslobung ist geeignet, den Markt erheblich zu beeinflussen. Dies folgt aus der besonderen Sensibilität des Verbrauchers für Preisnachlässe; er ist durch Rabattwerbung leicht zu beeinflussen (BGH, Urteil vom 08. Mai 2013 - I ZR 98/12, GRUR 2013, 1264, bei juris Rz. 19, m.w.N. - RezeptBonus). Dass dies auch die Beklagte so sieht, belegt schon der Umstand, dass sie so wirbt.

3.
Jedoch liegt im Ausloben des streitgegenständlichen Bonus kein Verstoß gegen die unternehmerische Sorgfalt (§ 3 Abs. 2 UWG i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 7 UWG) und damit auch nicht der vom Kläger gerügte Wettbewerbsverstoß im Sinne des § 3 Abs. 1 UWG. Wie bereits vom Landgericht aufgezeigt, gewährt die Beklagte durch den versprochenen Bonus keinen Preisnachlass auf die Bestellung, welche dem Kunden den Bonus einbringt.

a)
Anders als in den vom Kläger herangezogenen Entscheidungen, in denen ein vom Leistungsanbieter auf den Rechnungsbetrag unmittelbar gewährter Nachlass zu beurteilen war, liegt ein solcher hier nicht vor. Der Kunde der Beklagten ist verpflichtet, den vollen Preis für die bestellte Ware zu bezahlen.

b)
Der Kunde der Beklagten erhält mit dem Bonus ein Recht auf einen der Höhe nach festgesetzten Preisnachlass auf eine künftige, rechtlich gesonderte Bestellung von Waren aus einem bestimmten Teilsortiment der Beklagten. Dieser wird ihm durch Abzug des Bonus‘ vom Gesamtkaufpreis der späteren Bestellung gewährt.

Der so gewährte, unwiderrufliche, aufschiebend bedingte Anspruch ist zwar ein geldwerter Vorteil für den Kunden, der wirtschaftlich einem Preisnachlass letztlich gleichkommen kann. Ob der Kunde eine weitere Bestellung aus dem Sortiment, für das der Bonus gilt, vornimmt und ob er dabei seinen Verrechnungsanspruch in Anspruch nimmt, ist zum Zeitpunkt der Bonusgewährung regelmäßig noch offen. Von daher steht der Bonus einem Preisnachlass auf die Ausgangsbestellung - anders als dies bei einer Bargutschrift der Fall sein könnte (dazu LG Köln, Urteil vom 22. März 2017 - 84 O 90/13, bei juris Rz. 27), was der Senat aber nicht zu entscheiden hat - auch wirtschaftlich nicht gleich.

c)
Dem stehen auch die Rechtsbeziehungen zwischen dem Kunden und seinem privaten Krankenversicherer nicht entgegen.

aa)
Anders als vom Kläger vertreten, ist der Versicherungsnehmer weder nach den einschlägigen Allgemeinen Versicherungsbedingungen (MB/KK) noch aus vertraglicher Nebenpflicht gehalten, dem Versicherer den Bonus anzuzeigen. Der eintrittspflichtige Versicherer hat der Höhe nach den für das verordnete Präparat vom Versicherungsnehmer gezahlten Preis zu entrichten. Die Krankheitskostenversicherung verpflichtet den Versicherer gegenüber dem Versicherungsnehmer nur zum Ersatz derjenigen Aufwendungen, die diesem in Bezug auf das versicherte Risiko zur Erfüllung von Verpflichtungen aus berechtigten Ansprüchen Dritter erwachsen sind (BGHZ 154, 154, bei juris Rz. 11, m.w.N.; BGH, Hinweisbeschluss vom 20. September 2018 - III ZR 374/17, bei juris Rz. 16). Die Krankheitskostenversicherung gibt dem Versicherungsnehmer als Passivenversicherung Anspruch auf Ersatz derjenigen Aufwendungen, die diesem in Bezug auf das versicherte Risiko zur Erfüllung von Verpflichtungen aus berechtigten Ansprüchen Dritter erwachsen sind (vgl. BGH/ 154, 154, bei juris Rz. 11). Bezugspunkt ist also der Zahlungsanspruch des Leistungserbringers gegen den Versicherungsnehmer.

bb)
Auch ein Abtretungsanspruch des Krankenversicherers in Ansehung des zugleich gewährten Bonus‘ besteht nicht. Einem solchen steht die auf eine Willensentscheidung des Kunden gerichtete aufschiebende Bedingung entgegen, unter der der Bonus steht. Seine persönliche Entscheidung kann nicht auf einen Dritten übertragen werden, ohne den Anspruch inhaltlich zu verändern.

cc)
Schließlich liegt auch kein sitten- oder treuwidriges Umgehungsgeschäft zu Lasten des privaten Krankenversicherers des Kunden vor, unbeschadet der hier nicht zu beantwortenden Frage, ob das Versicherungsunternehmen es in der Hand hätte, den wirtschaftlichen Vorteil derartiger Boni im Zuge der Vertragsgestaltung auf sich umzulenken.

d)
Auch eine unlautere Irreführung (Verbrauchertäuschung) erfolgt durch die angegriffene Auslobung infolge dessen nicht. Der Kunde erhält den ihm versprochenen Bonus von der Beklagten und behält den Vorteil daraus.

III.

Die Anschlussberufung der Beklagten ist zulässig, aber zum Unterlassungsanspruch, den sie noch bekämpft unbegründet; nur teilweise Erfolg hat sie gegen die Verurteilung in Abmahnkosten.

1.
Die Werbung gegenüber Verbrauchern mit der Angabe „A. - „Die Rezept-Apotheke"“ ist unlauter (§§ 3 Abs. 1 und Abs. 2, 5 Abs. 1, 8 UWG).

a)
Zunächst nimmt der Senat hierzu zustimmend Bezug auf die Ausführungen des Landgerichts, um Wiederholungen zu vermeiden. Die Angriffe der Beklagten vermögen diesen Ausspruch nicht zu erschüttern. Insbesondere denkt der Verbraucher bei der Bewerbung als „Rezept-Apotheke“ nicht an Sonderleistungen auf Anfrage, etwa für chronisch Kranke. Es gehört zudem zu den Aufgaben eines Apothekers, seinen Kunden über Wechselwirkungen zwischen mehreren Medikamenten beraten, wenn er danach gefragt wird.

b)
Darüber hinaus erweckt die Werbung beim Verbraucher den falschen Eindruck die Beklagte biete ihm eine Leistung, die ihm eine andere Apotheke bei der Rezepteinlösung nicht biete, ohne dass diese Zusatzleistung in der für eine informierte Marktentscheidung erforderlichen Weise beschrieben wäre. Darauf kommt es aber nicht mehr entscheidend an.

2.
Teilweise Erfolg hat die Berufung der Beklagten, soweit diese ihre Verurteilung in Abmahnkosten angreift. Die Beklagte schuldet hierauf nur 1.246,33 EUR; hinzu kommen die zugesprochenen Zinsen.

a)
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH, Urteil vom 28. April 2016 - I ZR 254/14, bei juris Rz. 87 - Kinderstube) schuldet der Abgemahnte Kostenerstattung für eine nur teilweise berechtigte Abmahnung nur im Umfang des darin abgemahnten, begründeten Unterlassungsanspruchs, wobei die Gesamtkosten anteilig zu verteilen sind und dem Abmahner kein Degressionsprivileg zugutekommt (vgl. BGH, Urteil vom 10. Dezember 2009 - I ZR 149/07, GRUR 2010, 744, Rn. 52 - Sondernewsletter).

b)
Die gesamten Abmahnkosten belaufen sich vorliegend auf 3.323,55 EUR. Maßgebend ist hier der Wertansatz in der Honorarrechnung des abmahnenden Rechtsanwalts (220.000,- EUR). Denn mit der nicht überhöhten Wertfestsetzung in der Honorarrechnung trifft der Rechtsanwalt eine verbindliche Entscheidung über sein Abmahnhonorar, und höhere Kosten als die in Rechnung gestellten sind dem Abmahner nicht entstanden. Daran ändert es nichts, wenn das Gericht den Streitwert später höher festsetzt, woran es durch die anwaltliche Festsetzung nicht gehindert ist.

c)
Hiervon hat die Beklagte nach den aufgezeigten Grundsätzen 12/32 zu erstatten, was einen Kostenerstattungsanspruch des Klägers von 1.246,33 EUR ergibt.

aa)
In der Abmahnung und der zugehörigen Kostenrechnung vom 30. April 2017 findet sich (konsequenterweise) keine Aufschlüsselung der Wertansätze für die einzelnen Unterlassungsansprüche. Daher sind sie, ausgehend von den vom Senat festgesetzten Streitwerten, auf den in der Honorarrechnung angesetzten Gesamtwert anteilig zurückzuführen.

bb)
Der Gesamtstreitwert ergibt sich ausgehend von folgenden, vom Senat geschätzten Werten für die einzelnen Klageanträge, wobei zu berücksichtigen war, dass der Kläger kein Einzelunternehmen ist, sondern die Interessen einer großen Zahl von Apothekern vertritt:


Klageantrag Ziffer 1.1 (Sofort-Bonus) 200.000,- EUR,

Klageantrag Ziffer 1.2 (Adressangabe) 50.000,- EUR,

Klageantrag Ziffer 1.3 (Rezept-Apotheke) 50.000,- EUR,

Klageantrag Ziffer 1.4 (Telefonnummer) 20.000,- EUR.

Der Klageantrag Ziffer 2 bleibt ohne Ansatz; er zielt auf eine Nebenforderung.

IV.
 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO, wobei die Teilrücknahme der Anschlussberufung im Termin zur mündlichen Verhandlung geringfügig zugunsten der Beklagten durchschlägt.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 709, 711 ZPO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 51, 47 Abs. 1, 48 Abs. 1, 43 Abs. 1, 39 Abs. 1 GKG i.V.m. §§ 3 ff. ZPO. Zur Berechnung wird, um Wiederholungen zu vermeiden, auf die Ausführungen unter III. 2. Bezug genommen.

Der Senat lässt die Revision zu. Denn die Sache ist, soweit zweitinstanzlich noch über sie zu entscheiden war, rechtsgrundsätzlich.