Haftung Google für AdSense

Landgericht Muenchen

Beschluss v. 03.12.2003 - Az.: 33 O 21461/03

Leitsatz

1. Eine Suchmaschine (hier: Google) haftet für rechtswidrige Anzeigen (hier: AdSense) erst ab Kenntnis.


2. Eine Suchmaschine trifft keine Pflicht, eine prophylaktische Kontrolle vor Veröffentlichung der Anzeige vorzunehmen,

da er dies angesichts der Menge der Anzeigen technisch nicht möglich und zumutbar ist. Insoweit kann auf die allgemeinen medien- und presserechtlichen Grundsätze zurückgegriffen werden.


3. Nach Kenntniserlangung ist die Suchmaschine verpflichtet innerhalb angemessener Zeit die rechtswidrige Anzeige zu löschen.

 

Tenor

(nicht vorhanden)

Sachverhalt

Die Antragstellerin betreibt in München ein Softwarehaus, das. vornehmlich CAD-Software für Architekten und Bauingenieure entwickelt. Die. Antragsgegnerin betreibt eine Internetsuchmaschine und ermöglicht Kunden dabei, auf dieser Internetplattform Werbung dadurch zu platzieren, dass bei Eingabe von Suchwörtern, die der Werbende zuvor selbst festgelegt hat (Keywords), eingerahmt und auf dunklem Hintergrund ein Hinweis auf die Internetseiten des Werbenden in Form einer Anzeige erscheint.

Die Firma A., Wettbewerber der Antragstellerin, hat diesen Service in der Weise genutzt, dass (auch) bei Eingabe bestimmter Keywords eine Anzeige erschien, die die Markenrechte der Antragstellerin verletzte. Gegen die Firma A. erwirkte die Antragstellerin eine einstweilige Verfügung.

Die Antragstellerin wendet sich nun gegen die Antragsgegnerin. Diese habe mittelbar am wettbewerbswidrigen Verhalten der Firma A mitgewirkt, indem sie dieser die Möglichkeit verschaffe, durch Verwendung der Keywords gezielt Nutzer auf die Webseite der Firma A. umzuleiten. Sie begehrt von der Antragsgegnerin die Einstellung dieser Möglichkeit.

Die Antragsgegnerin weist darauf hin, dass sie zur Zeit etwa 150.000 Kunden betreue mit durchschnittlich 200 Keywords pro Anzeige. Eine vorherige Kontrolle wie die Antragstellerin sie begehre, sei daher praktisch und technisch nicht möglich. Nach Kenntnis der Rechtsverletzung seien die betreffenden Keywords sofort gesperrt worden.

Entscheidungsgründe

Ein Verfügungsanspruch besteht nicht, da die Antragsgegnerin nicht als (Mit-) Störerin der festzustellenden Verletzung haftet.

1. Die Verwendung des Begriffes (...) durch die Fa. A. (...) verletzt Firmenrechte der Antragstellerin (§§ 5, 15 MarkenG): die identische Benutzung des kennzeichnungskräftigen Firmenbestandteils der Antragstellerin (...) als Keyword im Rahmen einer Werbung stellt eine markenmäßige Benutzung dar. Der Begriff wird zur Bewerbung einer jedenfalls nahezu identischen Ware / Dienstleistung (Software aus dem Baubereich) verwendet.

Hinsichtlich dieser Verletzung haftet die Antragsgegnerin weder als unmittelbare noch als mittelbare Störerin. Als Störer kann nur in Anspruch genommen werden, wer willentlich und adäquat kausal an der Herbeiführung oder Beeinträchtigung mitgewirkt hat (grundlegend BGH GRUR 2001, 1038 - ambiente; vgl. Ingerl / Rohnke, Markengesetz, 2. Aufl. Rn. 29 ff vpr §§ 14 - 19 m.w.N.). Der Umfang der eine Mitstörerhaftung begründende Prüfungspflicht in diesem Zusammenhang ist unter Berücksichtigung der Funktion und der Aufgabenstellung der Antragsgegnerin sowie im Blick auf die Eigenverantwortung der unmittelbar handelnden Firma A. zu beurteilen, wobei maßgebliches Kriterium für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Prüfungspflichten ist, ob der Störungszustand für den in Anspruch genommenen ohne weiteres oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand erkennbar ist (vgl. BGH GRUR 2001, 1038 - ambiente./de).

Nach dem Sachvortrag ist unstreitig, dass die Antragsgegnerin selbst nicht den entsprechenden Suchbegriff verwendet hat, sie vielmehr einen Datenverarbeitungsvorgang zur Verfügung stellt, der es Nutzern ermöglicht, selbst gewählte Keywords mit einer auf der Plattform der Antragsgegnerin erscheinenden Werbeanzeige zu verknüpfen.

Die Antragsgegnerin. haftet aber auch nicht als Mitstörerin. Die Frage, ob ein bestimmter, als Keyword eingegebener Begriff Rechte Dritter verletzt ist weder offenkundig, (es handelt sich nicht um eine berühmte Marke), noch kann dies von der Antragsgegnerin mit einem zumutbaren Aufwand festgestellt werden. Der Betreiberin einer Suchmaschine kann es - schon wegen der sehr hohen Zahl zu überwachender Eingaben und der ständigen Änderbarkeit der durch den Werbenden gewählten Begriffe - nicht zugemutet werden, aus eigenen Mitteln heraus wettbewerbsmäßige oder markenrechtliche Unterlassungsansprüche im Verhältnis von Dritten untereinander zu prüfen (was eine umfassende Recherche der jeweiligen Rechtspositionen unter Berücksichtigung des jeweiligen konkreten Werbeinhalts bedürfte) und dann gegebenenfalls dafür zu sorgen, dass entsprechende Eintragungen nicht vorgenommen werden (LG München I CR 2001, 46, 47). Dies zumal sie zu einer umfassenden Prüfung zumeist gar nicht in der Lage ist, sind ihr doch etwaige (Lizenz)- Vereinbarungen zwischen den in Frage kommenden Kennzeichenverwendern nicht bekannt.

Es handelt sich eben nicht - in der Terminologie von MDStV und TDG - um eigene Inhalte der Antragsgegnerin, sondern um fremde. Anders als etwa bei der werbemäßigen Verwendung einer E-Card-Funktion (hierzu LG München I MMR 2003, 482) ist die von der Antragsgegnerin zur Verfügung gestellte Werbemöglichkeit auch nicht so angelegt, dass deren Missbrauch geradezu provoziert oder gezielt gefördert wird. Allein die Möglichkeit, dass ein bestimmtes Werbeinstrumentarium von Nutzern missbraucht werden kann, führt noch nicht zu deren grundsätzlicher Unzulässigkeit.

In entsprechender Anwendung des § 5 Abs.2 MDStV und §§ 8 bis 11 TDG haftet die Antragsgegnerin für derartige, fremde Verletzungen nur dann, wenn sie von der Rechtswidrigkeit der Verwendung bestimmter Keywords Kenntnis erlangt hat und es ihr technisch und möglich zumutbar ist, deren Verwendung zu unterbinden. Die Antragsgegnerin hält aber einen entsprechenden Mechanismus vor, den die Antragstellerin auch erfolgreich in Anspruch genommen hat. Wenn aber die Antragsgegnerin für den in Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruch - allenfalls - haftet ab Kenntnis von der Verletzung (wobei man der Antragsgegnerin einen eigenen Prüfungszeitraum wird einräumen müssen), so kann ein solcher Anspruch nicht entstehen, wenn die Antragsgegnerin im Rahmen des Möglichen der Prüfungspflicht nachgekommen ist und die Störung (nach dem Vortrag der Antragsgegnerin schon am 12.11.2003) beseitigt hat.

2. Die Antragstellerin kann den geltend gemachten Unterlassungsanspruch auch nicht auf § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt der Rufausbeutung stützen. Es erscheint bereits fraglich, ob die Antragsgegnerin einen etwaigen guten Ruf der Antragstellerin für sich ausbeutet, auch wenn sich ihre Werbemaßnahmen dadurch erhöhen, dass auch bei Eingabe des kennzeichenverletzenden Begriffs Nutzungsentgelt (bei einem bekannten Begriff also ein höheres Nutzungsentgelt) zu zahlen ist. Auch insoweit ist nämlich davon auszugehen, dass die Wahl des streitgegenständlichen Begriffs (...) nicht durch die Antragsgegnerin sondern ausschließlich durch die Firma A. erfolgte. Die Antragsgegnerin hat diesen Begriff weder vorgeschlagen noch im Rahmen eines Verkaufs von Suchwörtern ("keyword buy") oder auf sonstige Weise zur Verfügung gestellt noch dessen Verwendung in irgendeiner zurechenbaren Weise provoziert. Die zur Frage der markenrechtlichen Störerhaftung ausgeführten Gesichtspunkten haben auch insoweit zu gelten.

Abgesehen davon ist ein einer Ausbeutung zugänglicher guter Ruf der Antragstellerin zwar vorgetragen, aber weder gerichtsbekannt noch glaubhaft gemacht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Der Streitwert war zu bemessen nach dem vom Antragsteller mit ? 250.000,- bezifferten Interesse an der geltend gemachten Unterlassung.