Keine Verjährung von nachgeforderten Abmahnkosten aufgrund BFH-Urteil

Landgericht Bochum

Urteil v. 03.08.2017 - Az.: I-14 O 119/17

Leitsatz

Keine Verjährung von nachgeforderten Abmahnkosten aufgrund BFH-Urteil

Tenor

In dem Rechtsstreit (...) hat die 14. Zivilkammer - Kammer für Handelssachen - des Landgerichts Bochum auf die mündliche Verhandlung vom 03.08.2017 durch (...) für Recht erkannt:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 227,18 Euro nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.07.2017 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung der Gegenseite gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von 110 % des insgesamt zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Berufung gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Sachverhalt

Die Parteien boten beide im Internet Sportartikel, insbesondere aus dem Bereich des Radsports, an.

Am 11.10.2011 ließ die Klägerin den Beklagten wegen unzureichenden Hinweises auf das dem Verbraucher zustehende Widerrufsrecht abmahnen und verlangte die Abgabe einer Unterwerfungserklärung. Da der Beklagte zunächst keine Unterwerfungserklärung abgab, erging antragsgemäß am 25.11.2011 eine einstweilige Beschluss-Verfügung gegen den Beklagten - 14 O 207/11 -. 

Mit Abschlussschreiben vom 08.12.2011 forderte die Klägerin die Abgabe einer Abschlusserklärung sowie die Erstattung der Kosten für das Abschlussschreiben und der Abmahnung - soweit nicht angerechnet -, wobei die Kosten ohne Umsatzsteuer netto mit insgesamt 1.195,70 berechnet wurden. Durch Urteil des Landgerichts Bochum vom 14.06.2012 (14 0 66/12) wurde der Beklagte zur Zahlung dieses Betrages verurteilt, er wurde im Anschluss daran gezahlt.

Mit Telefax vom 18.05.2017 forderte die Klägerin den Beklagten zur Zahlung des auf die Abmahnkosten gefallenen Umsatzsteueranteils von 227,18 Euro auf, der Beklagte reagierte darauf nicht. Mit vorliegender Klage macht die Klägerin aufgrund des Urteils des Bundesfinanzhofs vom 21.12.2016 die Umsatzsteuer auf diesen Betrag nachträglich geltend.

Die Klägerin ist der Ansicht, dieser Betrag stünde ihr zu. Am 12.04.2017 sei die Entscheidung des Bundesfinanzhofs veröffentlicht worden, die eine Kehrtwende bei der umsatzsteuerlichen Behandlung der Erstattung von Abmahnkosten darstelle. Bis zu diesem Zeitpunkt sei es gängige Praxis gewesen, Kostenerstattungsansprüche gegen den abgemahnten Wettbewerber als nicht umsatzsteuerbaren Aufwendungsanspruch anzusehen.

Die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie 227,18 Euro nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung und ist der Ansicht, nicht jede Änderung der Rechtsprechung würde auf längst abgeschlossene Sachverhalte zurückwirken, dies würde sonst zu dem Ergebnis führen, dass Ansprüche, denen eine "unrichtige Rechtsprechung" entgegen gestanden hätte, praktisch unverjährbar wären. Die Klägerin hätte für die Hemmung der Verjährung gerichtlich gegen ihn vorgehen müssen. Er bestreitet, dass es bisher gängige Praxis gewesen sei, den Kostenerstattungsanspruch als    nicht umsatzsteuerbaren Aufwendungsersatzanspruch anzusehen. 

Die Unkenntnis einer Partei vom Anspruch oder einem Irrtum über dessen Bestehen stelle keine „höhere Gewalt" im Sinne der Verjährungsregeln des BGB dar.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Nach Abmahnung der Klägerin vom 11.10.2011 und der rechtskräftigen Verurteilung des Beklagten zur Zahlung der Kosten der Abmahnung gem. § 12 UWG und des Abschlussschreibens steht der Klägerin der hier geltend gemachte Zahlungsanspruch aus § 12 UWG zu. Denn die Klägerin hatte die geltend gemachten Kosten netto eingeklagt und zugesprochen bekommen, der der Höhe nach unstreitige Umsatzsteuer betrag steht noch offen und steht der Klägerin zu.

Entgegen der Auffassung des Beklagten ist der Anspruch nicht verjährt. Gem. § 11 UWG verjähren Ansprüche wie die vorliegenden in 6 Monaten. Allerdings kann die Rechtsunkenntnis im Einzelfall bei zweifelhafter Rechtslage den Verjährungsbeginn hinausschieben (vgl. BGH, III ZR 346/03, Rz. 39). Ein solcher Fall ist vorliegend gegeben.

Bis zur Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 21.12.2016 - XI R 27/14 - war eine Klageerhebung im Hinblick auf den Umsatzsteueranteil der Klägerin nicht zumutbar, denn ihr wäre kein Erfolg beschieden gewesen. Die hiesige Kammer sowie die weitere Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bochum haben in der Vergangenheit auf den Kostenerstattungsanspruch nach § 12 UWG bzw. der Kosten für das Abschlussschreiben keine Umsatzsteuer zuerkannt und derartige Zahlungsklagen stets abgewiesen. 

Auch in der Literatur wurde nicht vertreten, dass die Geltendmachung der Umsatzsteuer auf den Kostenerstattungsanspruch nach § 12 UWG einen Anspruch auf Umsatzsteuer enthält. Wie die Entscheidung des Bundesfinanzhofs zeigt sind auch die Finanzgerichte bis zu dieser Entscheidung von einer nicht steuerbaren Zahlung ausgegangen. Dementsprechend wäre eine Klage der Klägerin auf Zahlung auf der Umsatzsteuer nicht erfolgreich gewesen, so dass angesichts dieser Umstände eine Klage nicht zumutbar war.

Erstmals im Dezember 2016 hat der Bundesfinanzhof als erstes Obergericht entschieden, dass Zahlungen an Wettbewerber aufgrund von wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen umsatzsteuerrechtlich als Entgelt im Rahmen eines Leistungsaustauschs anzusehen und Umsatzsteuer zu entrichten ist. Dies führte zu einer grundlegenden Änderung der bisher geltenden Rechtsanwendung, so dass die Kammer bei dieser konkreten Fallgestaltungen ausnahmsweise einen die Verjährung hinausschiebenden Umstand annimmt. Von daher begann die Verjährung mit der Möglichkeit der Kenntnisnahme von dieser Entscheidung, also dem Zeitpunkt der Veröffentlichung am 12.04.2017, zu laufen, so dass bei Klageerhebung am 14.06.2017 der Anspruch noch nicht verjährt war.

Die Zinsentscheidung beruht auf §§ 286, 288 BGB. Da es sich nach der Entscheidung des Bundesfinanzhofs um ein Entgelt im Rahmen eines umsatzsteuerpflichtigen Leistungsaustauschs handelt, ist ein Zinssatz von 9 % zuzuerkennen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11,711 ZPO.

Die Kammer hat die Berufung gegen dieses Urteil wegen der allgemeinen Bedeutung zugelassen.