Fehlende kommerzielle Kennzeichnung bei Instagram-Auftritt ist Schleichwerbung

Kammergericht Berlin

Beschluss v. 11.10.2017 - Az.: 5 W 221/17

Leitsatz

Fehlende kommerzielle Kennzeichnung bei Instagram-Auftritt ist Schleichwerbung

Tenor

I. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss der Kammer für Handelssachen 101 des Landgerichts Berlin vom 13. September 2017- 101 O 83/17 - geändert:

Der Antragsgegnerin wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der künftigen Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, untersagt, im geschäftlichen Verkehr im Internet für Waren unter deren Abbildung zu werben, ohne die Veröffentlichung als Werbung kenntlich zu machen, insbesondere für

- “Pinko”
- “Tom Ford”
- “Pantene”
- “The Kooples”
- “Puma”
- “Maxandco”
- “Bulgari”

jeweils wenn dies geschieht wie aus nachfolgend eingeblendeter Anlage A3 ersichtlich: (...)

II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens beider Instanzen zu tragen.

III. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 20.000 € festgesetzt.

Entscheidungsgründe

I.
Der Antragsteller (Verband Sozialer Wettbewerb e.V.) hat glaubhaft gemacht, dass die - in Österreich ansässige - Antragsgegnerin bei Instagram einen Blog betreibt, und zwar mit Beiträgen wie aus obigem Verbotsausspruch ersichtlich, was er für nicht hinreichend kenntlich gemachte Werbung hält. Das Landgericht hat den diesbezüglichen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die - form- und fristgerecht eingelegte - (sofortige) Beschwerde des Antragstellers.

II.
Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 567 ff. ZPO zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Die begehrte einstweilige Verfügung ist gemäß §§ 3, 5a, 8, 12 Abs. 2 UWG zu erlassen. Im Einzelnen gilt Folgendes:

1.
Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ist gemäß Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia-VO gegeben. Der als unerlaubte (Wettbewerbs-) Handlung angegriffene Internetauftritt ist teilweise deutschsprachig (s.o. Seite 5) und im Übrigen in einfach verständlichem Englisch gehalten und richtet sich sonach ohne weiteres (auch) an Publikum in Deutschland. Daher gelangt hier gemäß Art. 6 Abs. 1 Rom-II-VO als Sachrecht auch deutsches Lauterkeitsrecht zur Anwendung.

2.
Ein Vorliegen des gemäß §§ 935, 940 ZPO erforderlichen Verfügungsgrundes wird im Streitfall gemäß § 12 Abs. 2 UWG vermutet.

3.
Der Antragsteller ist gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG zur Geltendmachung des hier in Rede stehenden Unterlassungsanspruchs gegen die Antragsgegnerin sachbefugt.

4.
Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG kann bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer eine nach § 3 UWG unzulässige geschäftliche Handlung unternimmt. Nach § 3 Abs. 1 UWG unzulässig sind unlautere geschäftliche Handlungen. Nach § 5a Abs. 6 UWG handelt unlauter, wer den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung nicht kenntlich macht, sofern sich dieser nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt, und das Nichtkenntlichmachen geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.

Die genannten Voraussetzungen liegen im Streitfall mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vor (was für das Eilverfahren gemäß §§ 936, 920 Abs. 2 ZPO genügt; vgl. Hess in: Ullmann, jurisPK-UWG, 4. Aufl., § 12 Rn. 151 m.w.N.).

a) Der angegriffene Internetauftritt der Antragsgegnerin stellt mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine geschäftliche Handlung dar.

aa) Geschäftliche Handlung ist gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG unter anderem jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens vor einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes von Waren objektiv zusammenhängt.

bb) Darunter fällt auch der streitgegenständliche Auftritt, bei dem es sich um Werbung handelt, die den Absatz der dort präsentierten Modeartikel und Kosmetika fördern soll. Dass es sich hierbei um Äußerungen der auf Instagram als "…" auftretenden Antragsgegnerin handelt, steht der Annahme einer geschäftlichen Handlung nicht entgegen, weil diese nach der - dem Landgericht widerstreitenden – Einschätzung des Senats hierfür mit überwiegender Wahrscheinlichkeit Entgelte oder sonstige Vorteile, wie z.B. Rabatte oder Zugaben erhält (vgl. auch OLG Celle WRP 2017, 1236; Köhler in: Köhler/Bornkamm, UWG, 35. Aufl., § 5a Rn. 7.71; Lehmann, WRP 2017, 772, 773), und sei es auch nur durch kostenlose Überlassung der präsentierten Produkte.

cc) Die Möglichkeit, dass die Antragsgegnerin, welche ein vorgerichtliches Abmahnschreiben laut Antragstellervorbringen unbeantwortet gelassen hat, ohne jegliches Entgelt im vorstehenden Sinne in 15 Beiträgen jeweils einen oder mehrere Markenartikel unterschiedlicher Herkunft präsentiert und hierbei stets “sprechende” Links unmittelbar auf Internetauftritte der entsprechenden Unternehmen setzt, dies also allein aus reiner Produktbegeisterung und Mitteilungsbedürfnis heraus so unternimmt, ist nach dem derzeitigen Dafürhalten des Senats zwar nicht gänzlich ausgeschlossen, wohl aber doch in einem Ausmaß unwahrscheinlich, dass hier eine Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen, dazu sogleich) geboten erscheint.

b) Der kommerzielle Zweck der streitgegenständlichen Beiträge ist nicht bzw. nicht ausreichend kenntlich gemacht.

aa) Wie der kommerzielle Zweck einer geschäftlichen Handlung kenntlich zu machen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls und des verwendeten Kommunikationsmittels ab. Der Hinweis muss jedoch so deutlich erfolgen, dass aus der Sicht eines durchschnittlichen Mitglieds der jeweils angesprochenen oder betroffenen Verbraucherkreise kein Zweifel am Vorliegen eines kommerziellen Zwecks besteht (OLG Celle WRP 2017, 1236 f.; Köhler a.a.O. Rn. 7.27). Der kommerzielle Zweck muss auf den ersten Blick hervortreten (OLG Celle WRP 2017, 1236, 1237; Seichter in: Ullmann, a.a.O. § 5a Rn. 141). Das ist vorliegend nicht der Fall.

bb) Nur zwei der fünfzehn Beiträge enthalten – wenn der Senat hier nach sorgfältiger Überprüfung nichts übersehen hat – überhaupt einen Hinweis, der einen Versuch der Kenntlichmachung im vorstehenden Sinne darstellen könnte, nämlich für “Pantene” (oben Seite 5: “#sponsoredbypanteneprov”) und für “Maxandco” (oben Seite 16: “#ad”). Das genügt indes in beiden Fällen vorstehenden Maßstäben nicht (vgl. für “Sponsored by” BGH GRUR 2014, 879, Rn. 29 – GOOD NEWS II; für “#ad” in ähnlicher Ausgestaltung wie hier OLG Celle WRP 2017, 1236, 1237).

c) Eine Kennzeichnung des kommerziellen Zwecks der Beiträge ist auch nicht entbehrlich, weil sich der kommerzielle Zweck unmittelbar aus den Umständen ergibt, denn letzteres trifft nicht zu.

Entbehrlich ist eine Kennzeichnung des kommerziellen Zwecks nur dann, wenn dieser auf den ersten Blick und ohne jeden Zweifel erkennbar ist. Es genügt nicht, wenn der durchschnittliche Leser erst nach einer analysierenden Lektüre des Beitrags dessen werbliche Wirkung erkennt. Denn das schließt nicht aus, dass der Leser dem Beitrag in Verkennung des Umstands, dass es sich um Werbung handelt, eingehendere Beachtung schenkt (BGH GRUR 2013, 644, Rn. 21 – Preisrätselgewinnauslobung V - zu § 4 Nr. 3 UWG a.F.). Zwar betrifft diese Entscheidung des BGH Werbung innerhalb des redaktionellen Teils einer Zeitschrift. Gleichwohl ist sie auf den vorliegenden Sachverhalt mit der Maßgabe zu übertragen, dass der Leser der Beiträge zunächst davon ausgeht, Informationen der Antragsgegnerin zu ihrem derzeitigen Aufenthaltsort, ihrem derzeitigen Aussehen und ihrer derzeitigen Befindlichkeit zu erhalten, nicht aber Werbung. Vor diesem Hintergrund nimmt der Senat im Streitfall eine Entbehrlichkeit nicht an, weil er nicht dafür hält, dass hier der kommerzielle Zweck auf den ersten Blick und ohne jeden Zweifel erkennbar ist (vgl. auch OLG Celle WRP 2017, 1236, 1237, mit weiteren Erwägungen, die sich zum großen Teil auch auf den hiesigen Streitfall übertragen lassen). Sogar die Vorderrichterin - mit lauterkeitsrechtlich geschultem Blick - hat nicht geglaubt, dass es sich hier um bezahlte Werbung der Antragsgegnerin handelt, sondern der Annahme, hier könnten auch lediglich rein privat motivierte Äußerungen im Raume stehen, den Vorzug gegeben.

d) Die Eignung der streitgegenständlichen Beiträge, die Verbraucherin zu einer geschäftlichen Entscheidung, nämlich zum Aufsuchen der verlinkten Internetauftritte der Markenberechtigten und zum Erwerb der Markenprodukte, zu veranlassen, die sie anderenfalls – wenn sie sich also von vornherein bewusst gewesen wäre, dass es sich um bloße Werbung der hierfür entlohnten Antragsgegnerin handelt - nicht getroffen hätte, steht für den Senat außer Frage (vgl. auch OLG Celle WRP 2017, 1236, 1237).

e) Wiederholungsgefahr besteht wegen der Verletzungshandlung der Antragsgegnerin und der von ihr nicht abgegebenen vertragsstrafbewehrten Unterlassungserklärung.

5.
Bei der Verbotsformulierung hat der Senat in geringfügigem Ausmaß von § 938 ZPO Gebrauch gemacht.

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

IV.
Die Entscheidung zur Wertfestsetzung beruht auf §§ 3 ZPO, 51 GKG.