Fehlende Sofortbonus-Ausschüttung ist Wettbewerbsverletzung

Landgericht Köln

Urteil v. 23.10.2019 - Az.: 84 O 96/19

Leitsatz

Fehlende Sofortbonus-Ausschüttung ist Wettbewerbsverletzung

Tenor

In dem Rechtsstreit (...) hat die 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 18.09.2019 durch (...) für Recht erkannt:

I. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, und für den Fall, dass dies nicht beigetrieben werden kann, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder von Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, zu Gunsten eines Dritten einen Stromlieferungsvertrag mit einem Verbraucher zu schließen und dabei die Auszahlung eines „Sofortbonus“ anzukündigen, der „90 Tage ab Belieferungsbeginn“ ausgezahlt werden soll, wie geschehen im Vertragsverhältnis der Firma (...) mit der Verbraucherin (...) nach Anlage K 3 i.V.m. Anlage K 4 (wiedergegeben im Tatbestand), wenn der beworbene „Sofortbonus“ innerhalb der genannten Frist dann noch nicht einmal teilweise unaufgefordert ausgezahlt wird.

II.    Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, und für den Fall, dass dies nicht beigetrieben werden kann, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder von Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, Verbrauchern im Fernabsatz Stromiieferungsverträge zu vermitteln und anstelle der Übersendung des Widerrufsformulars auf einem dauerhaften Datenträger den Verbraucher in der Widerrufsbelehrung lediglich auf einen Link im Internet zum Zwecke des Downloads des Widerrufsformulars zu verweisen (Anlage K 3, Seite 2, wiedergegeben im Tatbestand).

III. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, und für den Fall, dass dies nicht beigetrieben werden kann, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder von Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, gegenüber Verbrauchern im Zusammenhang mit dem Abschluss von Stromlieferungsverträgen im Fernabsatzverkehr eine Widerrufsbelehrung zu verwenden, in der hinsichtlich des Widerrufsformulars mittels eines Links auf eine Internetseite verwiesen wird, unter der das Widerrufsformular angeblich heruntergeladen werden kann, wenn das Widerrufsformular dann tatsächlich unter der angegebenen Internetseite nicht hinterlegt ist. 

IV.    Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 25(1000,00 €, und für den Fall, dass dies nicht beigetrieben werden kann, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder von Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, in Bezug auf einen geschlossenen Stromlieferungsvertrag, der eine Kündigungsfrist von sechs Wochen zum Vertragsende vorsieht, gegenüber einem Verbraucher, der vor Ablauf von sechs Wochen zum Vertragsende den Stromlieferungsvertrag schriftlich gekündigt hat,, zu behaupten, eine wirksame Kündigung setze voraus, dass diese form- und fristgerecht sowie zum richtigen Zeitpunkt ausgesprochen werde, was bei der vom Verbraucher ausgesprochenen Kündigung nicht der Fall gewesen sei (Anlage K 8, wiedergegeben im Tatbestand).

V.    Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

VI.    Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Diese beträgt hinsichtlich der Unterlassung zu I. bis IV. jeweils 1.000,00 € und im Übrigen 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Sachverhalt

Die Klägerin ist als qualifizierte Einrichtung klagebefugt gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG. Dies ist zwischen den Parteien unstreitig.

Die Beklagte vermittelt unter der Webseite www.immerqrün-enerqie.de für die Firma (...)3 den Abschluss von Energielieferungsverträgen.
 
Im April 2018 buchte Frau (...) auf der vorgenannten Internetseite einen Stromlieferungsvertrag, namentlich den Tarif „Spar Klassik Premium 12“. Im Anschluss an eine von der Beklagten im Auftrag der Firma (...) versandten Auftragsbestätigung vom 03.04.2018 erhielt Frau (...) am 09.04.2018 von der Beklagten die Vertragsannahme über den ausgewählten Stromlieferungsvertrag samt AGB, wie nachstehend wiedergegeben:
(...)


Auf Seite 1 der Vertragsannahme nach Anlage K 3 wird wie folgt geworben: „Sofortbonus: 180,00 € Auszahlungszeitpunkt 90 Tage ab Belieferungsbeginn ..."

In der Widerrufsbelehrung nach Anlage K 3 verwies die Beklagte hinsichtlich des Widerrufsformulars lediglich auf die Abrufbarkeit im Internet als PDF-Formular. Auf der Seite, auf die der Link in der Widerrufsbelehrung verweist, war jedoch kein Widerrufsformular hinterlegt.

Mit Einschreiben vom 01.02.2019 kündigte Frau (...) den Vertrag wie folgt: (...)

Die Beklagte antwortete mit E-Mail vom 11.02.2019, wie nachstehend wiedergegeben: (...)

Die Klägerin hat die Beklagte mit Schreiben vom 03.04.2019 (Anlage K 9) erfolglos angemahnt.

Die Klägerin beantragt, wie erkannt.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte stellt ihre Passivlegitimation in Abrede und meint, in keiner Hinsicht gegen das UWG verstoßen zu haben. Auf Einzelheiten wird - soweit erforderlich - in den Entscheidungsgründen eingegangen werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat Erfolg.

Im Einzelnen:

I.    Passivlegitimation der Beklagten

Die Beklagte ist passivlegitimiert. In der Auftragsbestätigung heißt es: „Als Servicegesellschaft der (...) begleiten wir Sie durch den gesamten Vertragsverlauf.“ Vorliegend sind Geschäftspraktiken der Beklagten und nicht der Firma (...) streitig. In Anbetracht dessen erschießt sich das Bestreiten der Passivlegitimation durch die Beklagte nicht.

II.    Antrag/Tenor zu I.

Der Unterlassungsanspruch der Klägerin folgt aus §§ 3, 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 UWG.

Unstreitig hat die Beklagte den „Sofortbonus“ innerhalb des 90-tägigen Zeitraums nicht ausgezahlt. Die Beklagte kann sich nicht damit verteidigen, ihr sei die Bankverbindung der Zeugin (...) nicht bekannt gewesen. Zum einen ist seitens der Beklagten nicht vorgetragen, dass sie sich innerhalb des 90-tägigen Zeitraums überhaupt bemüht hätte, bei Frau (...) die Bankverbindung zu erfragen. Die Anlage BK 1 datiert vom 24.07.2019! Zum anderen hätte die Beklagte Frau (...) auch einen Verrechnungsscheck übersenden können. 

Entgegen der Ansicht der Beklagten, geäußert insbesondere im Termin zur mündlichen Verhandlung, ist der „Sofortbonus“ auch nicht erst auf Verlangen des Kunden auszuzahlen. Ihre vertraglichen Verpflichtungen hat die Beklagte von sich aus zu erfüllen und nicht erst nach einer Nachfrage oder gar Mahnung des Kunden. Die Beklagte ihrerseits erwartet ja auch, dass der Kunde z.B. die monatlich geschuldeten Abschlagszahlungen fristgerecht von sich aus leistet und nicht erst auf entsprechendes Verlangen der Beklagten.

III.    Antrag/Tenor zu II.

Indem die Beklagte dem Verbraucher kein Widerrufsformular auf einem dauerhaften Datenträger zur Verfügung stellt, sondern den Verbraucher auf einen Download des Widerrufsformulars im Internet verweist, verstößt sie gegen §§ 3, 3a UWG i.V.m. § 321 f Abs. 2 S. 2 BGB i.V.m. Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, § 4 Abs. 3 EGBGB. Die bloße Bereitstellung eines Links reicht nicht (vgl. nur EuGH, Urteil vom 05.07.2012, Rs C- 49/11), vielmehr muss das Widerrufsformular als Ausdruck oder PDF-Dokument zur Verfügung gestellt werden.

Der Vortrag der Beklagten zu diesem Punkt ist der Kammer nicht verständlich. Frau (...) kann sich das Widerrufsformular nicht heruntergeladen haben, da der Link nicht hinterlegt war, vgl. unter IV. Im Übrigen wäre dieser Gesichtspunkt rechtlich unerheblich. Die Beklagte hat die gesetzlichen Informationspflichten auch dann zu erfüllen, wenn der Verbraucher - später - überobligationsmäßig tätig geworden ist und sich das Widerrufsformular selbst verschafft hat.

IV.    Antrag/Tenor zu III.

Die Platzierung einer Widerrufsbelehrung im Internet unter Hinweis auf ein downloadfähiges Widerrufsformular mittels eines Links verstößt gegen §§ 3, 3a UWG i.V.m. § 312d BGB i.V.m. Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, § 4 Nr. 1 EGBGB, wenn - wie vorliegend - der Link ins Leere führt und der Verbraucher daher nicht zu dem dort angeblich bereit gehaltenen Widerrufsformular gelangen kann.

Dass der Link nicht hinterlegt war, hat die Klägerin durch Vorlage der Anlagen K 6 und K 13 belegt.

Dieser Verstoß hat gegenüber dem Antrag/Tenor zu II. einen eigenen Unrechtsgehalt. Es hat eine andere Qualität, ob die Beklagte das Widerrufsformular über einen Link tatsächlich zum Download bereit hält (was nicht ausreichet, vgl. oben unter III.) oder der Link - wie vorliegend - auch noch ins Leere geht. Denn dann hat der Verbraucher nicht einmal die Möglichkeit, sich das Widerrufsformular von der Internetseite der Beklagten herunterzuladen.

V.    Antrag/Tenor zu IV.

Der Unterlassungsanspruch der Klägerin folgt insoweit aus §§ 3, 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 7 UWG.

Es kann dahinstehen, ob die Kündigung der Frau(...) wie die Beklagte meint - deshalb unwirksam ist, weil Frau (...) einen unzutreffenden Endzeitpunkt, nämlich den 24.4.2019 statt den 08.04.2019, in der Kündigungserklärung vom 01.02.2019 genannt hat.

Der Klageantrag ist jedenfalls deshalb begründet, weil die Kündigung schriftlich und damit formgerecht ausgesprochen worden ist. Die Beklagte hat Frau (...) in ihrer E-Mail vom 11.02.2019 hingegen vorgespiegelt, die Kündigung sei (auch) nicht formgerecht ausgesprochen worden. 

Darüber ist die Kündigung auch fristgerecht erklärt worden. Dies gilt selbst dann, wenn man - wie die Beklagte - davon ausgeht, dass der Vertrag am 09.04.2018 zustande gekommen ist und damit am 08.04.2019 endete. Die Kündigung ist mit Schreiben vom 01.02.2019 und damit mehr als 6 Wochen vor dem 08.04.2019 erklärt worden. Die Kündigung war daher fristgerecht, auch wenn Frau    einen falschen
Endzeitpunkt genannt haben mag.

Ob die Beklagte die Kündigung auch deshalb hätte zurückweisen dürfen, weil die Kündigung nach § 4 Abs. 3 der AGB an die (...) hätte gerichtet werden müssen, ist nicht Streitgegenstand, da die Beklagte sich in ihrer E-Mail vom 11.02.2019 auf diesen Umstand nicht berufen hat.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91,709 ZPO.