Musikindustrie unterliegt Heise Zeitschriften Verlag im Verfahren "AnyDVD"

Bundesverfassungsgericht

Beschluss v. 15.12.2011 - Az.: 1 BvR 1248/11

Leitsatz

Die Verlinkung auf die Software "AnyDVD" in einem Artikel von Heise online begründet keinen Unterlassungsanspruch. Die Meinungs- und Pressefreiheit überwiegt wegen des informationsverschaffenden Charakters der Linksetzung.

Sachverhalt

Die Klägerinnen waren Inhaberinnen von Bild- und Tonträgerrechten an Musik-CDs und -DVDs.

Der Beklagte war der Heise Zeitschriften Verlag.

Er hatte in einem Artikel über die Software "AnyDVD", die kopiergeschützte CDs vervielfältigen konnte, berichtet. In dem Artikel wurde erwähnt, dass die Umgehung von Kopierschutzsoftware verboten sei.

Über einen Link in diesem Artikel gelangte der Leser auf die Webseite des Unternehmens, das die Software "AnyDVD" anbot.

Die Klägerinnen nahmen den Beklagten auf Unterlassung in Anspruch, weil der Beklagte den Lesern mit der Linksetzung einen Weg zur Umgehung der Kopierschutzsoftware, welche sie bei ihren Musik-CDs und -DVDs einsetze, aufzeige.

Entscheidungsgründe

Das Bundesverfassungsgericht nahm die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an, da der Bundesgerichtshof in rechtlich nicht zu beanstandender Weise einen Unterlassungsanspruch der Klägerinnen abgelehnt habe.

Das Setzen eines Links in einem Online-Artikel sei wegen seiner Einbettung in eine pressetypische Stellungnahme neben der Pressefreiheit auch der Meinungsfreiheit zu unterstellen. Es sei Teil des meinungsbildenden Diskussionsprozesses, sich und andere auch über Stellungnahmen Dritter zu informieren. Die Pressefreiheit schütze auch die bloß technische Verbreitung von Äußerungen Dritter selbst, soweit damit keine eigene Meinungsäußerung des Verbreiters verbunden sei.

Die Meinungs- und Pressefreiheit des Beklagten überwiege insbesondere deswegen, weil die Linksetzung nicht auf eine technische Dienstleistung zu reduzieren und dadurch isoliert zu betrachten sei, sondern wegen ihres informationsverschaffenden Charakters am grundrechtlichen Schutz teilhabe.

Grundsätzlich dürfe auch über Äußerungen, die in rechtswidriger Weise Persönlichkeitsrechte Dritter beeinträchtigten, berichtet werden, wenn ein überwiegendes Informationsinteresse bestehe. Ein solches könne auch gegeben sein, wenn die Berichterstattung unzweifelhaft rechtswidrige Äußerungen zum Gegenstand habe. Gerade die Schwere des in Frage stehenden Verstoßes könne ein besonderes Informationsinteresse begründen.

Demgegenüber sei nicht ersichtlich, dass der Eingriff in die urheberrechtlichen Befugnisse der Klägerinnen durch die Setzung des Links vertieft worden sei. Denn für den durchschnittlichen Internetnutzer sei es bereits aufgrund der Angabe des Namens des Herstellerunternehmens mit Hilfe von Suchmaschinen ohne weiteres möglich gewesen, dessen Internetauftritt aufzufinden.