Der Verantwortliche ist gegenüber der zuständigen Datenschutzbehörde grundsätzlich auskunftsverpflichtet. Es besteht jedoch ein Auskunftsverweigerungsrecht, sobald die Gefahr eines Ordnungswidrigkeitsverfahrens besteht (VG Bremen, Urt. v. 27.11.2023 - Az.: 4 K 1160/22).
Die Klägerin betrieb ein Buchhaltungsbüro und hatte in ihren Räumlichkeiten Videokameras installiert.
Als die zuständige Datenschutzbehörde davon erfuhr, schrieb sie die Klägerin an und verlangte umfangreich Auskunft. Die Fragen waren u.a.
"1. Trifft der oben dargestellte Sachverhalt zu?
2. Zu welchen Zwecken ist die Überwachung ihrer Ansicht nach erforderlich und auf welcher Rechtsgrundlage erfolgt sie?
3. Beschreiben Sie, wie Sie die Überwachung konkret durchführen. Seit wann und in welcher Form findet die Videoüberwachung statt? Erläutern Sie insbesondere, ob Aufzeichnungen erstellt werden oder eine auch aus räumlicher Entfernung abrufbare Liveübertragung erfolgt, wie lange und wo eventuelle Aufnahmen gespeichert werden und ob dies jeweils auch Audioaufnahmen umfasst.
4. Teilen Sie uns zum Standort der Videokamera/ zu den Standorten der Videokameras folgendes mit:
a. wie viele Überwachungskameras setzen Sie insgesamt ein?
b. an welchen Stellen haben Sie diese installiert? Bitte legen Sie uns eine Skizze mit den eingezeichneten Standorten der Kameras vor (bei mehreren Kameras bitte durchnummerieren) und zeichnen Sie in diese Skizze die jeweilige Ausrichtung der Kameras ein.5. Werden Videobilder über mobile Endgeräte (Smartphone, etc.) abgerufen oder drahtlos per Funk (WLAN) übertragen? Falls ja, bitten wir Sie
a. uns mitzuteilen, wer zu welchen Zwecken hierauf zugreift und
b. um ausführliche Darstellung der nach Art. 32 DSGVO [Datenschutz-Grundverordnung] getroffenen Sicherungsmaßnahmen, insbesondere gegen unbefugten Zugriff.6. Zur Technik bitten wir für jede einzelne Kamera um folgende Angaben:
a. Ist die jeweilige Kamera starr ausgerichtet, schwenkbar oder handelt es sich um eine Dome-Kamera?
b. Handelt es sich um sogenannte PTZ-Kameras (= schwenken, zoomen, neigen)?
c. Welche weiteren Funktionen haben die Kameras (z. B. steuerbare Zoomobjekte, Funkkamera, Audiofunktion)?
d. Welche Modelle setzen Sie hinsichtlich Kamera und Speichermedium ein? Bitte übersenden Sie uns jeweils die entsprechenden Datenblätter.7. Weisen Sie auf die Videoüberwachung durch entsprechende Schilder hin? Sofern Sie Hinweisschilder angebracht haben, legen Sie uns beispielhaft eine gut lesbare Kopie bzw. Fotografie der Schilder vor und tragen Sie den Befestigungsort in die Standortskizze ein.
8. Wie erfolgt die Information der Beschäftigten über die Videoüberwachung?
9. Wie ist sichergestellt, dass die Daten nicht für Verhaltens- und Leistungskontrollen der Beschäftigten genutzt werden? Gibt es eine entsprechende Betriebsvereinbarung?
10. Sofern Sie eine Datenschutzfolgeabschätzung durchgeführt haben, fügen Sie ihrer Antwort bitte eine Kopie des Berichts bei.
11. Wurde eine Datenschutzbeauftragte oder ein Datenschutzbeauftragter bestellt?“
Als die Klägerin inhaltlich nicht weiter reagierte, drohten die Datenschützer für jede nicht beantwortete Einzelfrage ein Ordnungsgeld iHv. 50,- EUR an.
Dagegen wehrte sich die Klägerin nun vor Gericht.
U.a. verteidigte sie sich damit, dass die Kameras von ihrem verstorbenen Ehemann angebracht worden seien, der zuvor die Firma geführt habe. Sie verfüge daher über keine vertieften Kenntnisse.
Außergerichtlich hatte der Anwalt der Klägerin zuvor der Behörde mitgeteilt, dass die Klägerin sich nicht näher zum Sachverhalt einlassen wolle, weil ein Ordnungswidrigkeiten-Verfahren vermeintlich anhängig sei. Im Gerichtsprozess berief sich die Klägerin aber nicht mehr darauf.
Das Gericht wies die Klage ab und erklärte das Vorgehen der Datenschutzbehörde für rechtmäßig.
1. Grundsätzliche Auskunftspflicht des Verantwortlichen:
Der datenschutzrechtlich Verantwortliche sei grundsätzlich auskunftsverpflichtet, so das Gericht:
"Die (…) Anweisung zur Auskunftserteilung begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
(1.) Ziffer I des Bescheides vom 16.06.2022 beruht auf Art. 58 Abs. 1 lit. a DSGVO i.V.m. Art 31 DSGVO i.V.m. § 40 Abs. 4 BDSG. Nach Art. 58 Abs. 1 lit. a DSGVO verfügt jede Aufsichtsbehörde über Untersuchungsbefugnisse, die es ihr gestatten, den Verantwortlichen, den Auftragsverarbeiter und gegebenenfalls den Vertreter des Verantwortlichen oder des Auftragsverarbeiters anzuweisen, alle Informationen bereitzustellen, die für die Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich sind. Als Aufgabe kommt hier insbesondere die Überwachung und Durchsetzung der Anwendung der Datenschutzgrundverordnung nach Art. 57 Abs. 1 lit. a DSGVO in Betracht.
Diesem (…) Auskunftsanspruch muss der datenschutzrechtlich Verantwortliche nachkommen. Dies hat der Bundesgesetzgeber auch in § 40 Abs. 4 Satz 1 BDSG im nationalen Recht insbesondere dahingehend konkretisiert, dass Auskunftspflichtige die Beantwortung der Fragen des Beklagten mit Rücksicht auf ein Auskunftsverweigerungsrecht ablehnen können (§ 40 Abs. 4 Satz 2 BDSG).
Die Art und Weise, wie die Informationen bereitzustellen sind, ist nicht geregelt. Der Aufsichtsbehörde steht bezüglich der Wahl der konkreten Abhilfemaßnahme ein Ermessen zu (…), welches gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar ist, § 20 Abs. 2 BDSG i.V.m. § 114 VwGO.
Die Befugnis beschränkt sich aber jedenfalls nicht auf reine Auskünfte. Für die Erfüllung der Aufgaben der Aufsichtsbehörde erforderlich sein können auch Beschreibungen, Aufstellungen, Kopien, Screenshots oder Informationen in sonstigen Formaten. Aufgrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes kann es im Einzelfall geboten sein, zunächst nur eine schlichte Auskunft und in einem weiteren Schritt ggf. Kopien oder Ähnliches anzufordern. Die Auskunftspflicht führt dazu, dass der Verantwortliche dem Auskunftsverlangen der Aufsichtsbehörde vollständig, richtig und aktuell sowie nachvollziehbar zu entsprechen hat (….)."
Auch der verlangte Umfang der Auskunft sei angemessen:
"Vorliegend sind auch Ermessensfehler hinsichtlich der Auskunftsanordnung nicht ersichtlich. Die seitens der Beklagten an die Klägerin gerichteten Fragen sind nicht zu beanstanden. Insbesondere sind sie gerade nicht willkürlich gewählt, sondern dienen erkennbar dazu, die von der Klägerin durchgeführte Videoüberwachung umfassend datenschutzrechtlich zu bewerten. Dabei zielen die Fragen unter anderem auf den Umfang der Überwachung, ihren Zweck sowie der Beschaffung von Informationen über die Einhaltung besonderer Datenschutzvorschriften ab und enthalten weitere wesentliche Aspekte für die Zulässigkeit der Videoüberwachung.
Der Fragenkatalog geht allein an vier Stellen über die reine Beantwortung von Fragen hinaus. Allein die Ziffern 3, 6, 9 und 11 des streitgegenständlichen Fragenkatalogs enthalten über eine reine Auskunft hinausgehende Aufforderungen zur Vorlage von Skizzen über die Kamerastandorte (…); von Kopien der angebrachten und auf die Kamerabenutzung hinweisenden Schilder (…) sowie – falls vorhanden – der Datenfolgenabschätzung (…) und einer Abschrift des Verzeichnisses der Verarbeitungstätigkeiten (…).
Die Beklagte hat damit überwiegend das mildeste Mittel der Informationsbeschaffung in der Ausformung der einfachen Auskunftserteilung gewählt. Die von ihr getroffene Abwägung hinsichtlich der betroffenen Rechtsgüter Dritter und denen der Klägerin ist nicht zu beanstanden."
Die Klägerin sei auch die datenschutzrechtlich Verantwortliche gewesen. Dies gelte auch dann, wenn die Videokameras von ihrem verstorbenen Ehemann installiert worden seien:
"Die Klägerin ist Verantwortliche im Sinne der Datenschutzgrundverordnung.
Nach Art. 4 Nr. 7 DSGVO ist „Verantwortlicher“ die natürliche oder juristische Person, Behörde, Einrichtung oder andere Stelle, die allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheidet.
Unstreitig ist die Klägerin seit Februar 2018 Inhaberin der Buchhaltung und hat jedenfalls zwei Kameras seitdem auch weiter benutzt. (…)
Dass die Klägerin die Kameras nicht selbst angebracht hat, sondern diese ursprünglich von ihrem im Jahr 2017 verstorbenen Ehemann installiert wurden, steht ihrer Eigenschaft als Verantwortliche seit Übernahme der Inhaberschaft nicht entgegen. Jedenfalls seit diesem Zeitpunkt entscheidet sie über die Zwecke und Mittel der Datenverarbeitung."
2. Ausnahme: Auskunftsverweigerungsrecht bei Selbstbelastung
Auf die Frage, ob der Klägerin möglicherweise ein Auskunftsverweigerungsrecht zustand, weil die Gefahr eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens bestand, musste das Gericht nicht näher eingehen:
"Einzig der sich aus dem verspätet eingereichten Schriftsatz (…) ergebende geltende gemachte Einwand der Klägerin, sie habe keine Auskünfte wegen eines möglicherweise eingeleiteten Ordnungswidrigkeitenverfahrens geben wollen, könnte gemäß § 40 Abs. 4 Satz 2 BDSG der Beantwortung des Fragenkatalogs entgegenstehen und stellt einen inhaltlichen Einwand dar.
Die Klägerin hat sich jedoch zum einen nicht vor Erlass der Verfügung auf den Einwand berufen. Dass die Beklagte vor Erlass des Bescheides tatsächlich Kenntnis von dem Einwand gehabt hat, hat die Klägerin nicht geltend gemacht. Sie hat nicht zu den Umständen der Übersendung des Schriftsatzes (…) sowie zu der verspäteten Übermittlung an die Beklagte vorgetragen und auch nicht dazu, warum sie auch auf die nach dem Schriftsatz (…) ergangenen Erinnerungen der Beklagten (…) nicht reagiert hat.
Im Übrigen hat die Klägerin den obigen Einwand auch nicht weiter substantiiert. Sie hat keine Nachweise dahingehend vorgelegt, dass ein behauptetes Ordnungswidrigkeitenverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist und sich im gerichtlichen Verfahren auch nicht mehr auf diesen Einwand berufen."