LAG Hamburg: Gerichtliche Videokonferenz auch für Personen aus dem Ausland möglich

Die Teilnahme an der Videokonferenz eines deutschen Gerichts aus dem Ausland ist zulässig, ohne die staatliche Souveränität des ausländischen Landes zu verletzen,

Die Teilnahme an einer gerichtlichen Videokonferenz kann durch Personen aus dem Ausland (hier: Schweiz) erfolgen. Damit wir nicht die staatliche Souveränität des ausländischen Staates verletzt (LAG Hamburg, Beschl. v. 14.06.2023 - Az.: 7 TaBV 1/23).

Inhaltlich ging es um eine arbeitsrechtliche Auseinandersetzung zwischen einem Unternehmen und seinem Betriebsrat.

Der Verfahrensbevollmächtigte der Arbeitgeberin hatte seinen Sitz in der Schweiz und nahm an der Gerichtsverhandlung per Video-Konferenz teil.

Dem Gericht stellte sich nun die Frage, ob damit möglicherweise die staatliche Souveränität der Schweiz verletzt würde. Denn grundsätzlich dürfe ein Staat nur auf seinem eigenen Hoheitsgebiet tätig werden.

Im Ergebnis hat das LAG die Teilnahme für zulässig erachtet, da es sich um keinen staatlichen Akt handelt:

"Die Teilnahme des Verfahrensbevollmächtigten der Arbeitgeberin im Wege der Videokonferenz war nach § 128a ZPO zulässig.

a) Zwar wird – wohl überwiegend – die Auffassung vertreten, dass zur Wahrung territorialer Souveränität Videokonferenzen mit dem Ausland in Ausübung von Staatsgewalt (hier der Judikative) grundsätzlich nur im Wege der Rechtshilfe oder aufgrund supranationalen Rechts möglich seien (…).

Indem dem Verfahrensbevollmächtigten der Arbeitgeberin auf seinen Antrag gestattet wird, an der in der Bundesrepublik Deutschland stattfindenden mündlichen Verhandlung im Wege der Bild- und Tonübertragung teilzunehmen, übt das Gericht aber keine Hoheitsgewalt in der Schweiz aus. Durch die Teilnahme des Verfahrensbevollmächtigten der Arbeitgeberin im Wege der Bild- und Tonübertragung ändert sich am Ort der Gerichtsverhandlung nichts. 

Es wird lediglich die persönliche Anwesenheit im Gerichtssaal durch die Bild- und Tonübertragung in den Gerichtssaal ersetzt. Es kann auch nicht davon gesprochen werden, dass von der Bild- und Tonübertragung (mittelbar) hoheitliche Wirkungen in der Schweiz ausgingen. Davon ist jedenfalls deshalb auszugehen, weil dem Verfahrensbevollmächtigten lediglich ermöglicht wird, (freiwillig) Äußerungen in der mündlichen Verhandlung abzugeben, ohne dass eine Beweisaufnahme stattfindet (…)."

Und weiter:

"Zwar ist grundsätzlich aus Gründen der territorialen Souveränität jedwede richterliche Tätigkeit auf das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland beschränkt, es sei denn, die Tätigkeit im Ausland ist durch besondere Normen ausdrücklich erlaubt. Hoheitliche Gewalt unter Verletzung der territorialen Souveränität wird indessen dann nicht ausgeübt, wenn den Parteien nur ihre Teilnahme aus dem Ausland gestattet wird, ohne dass eine Beweisaufnahme durchgeführt wird (…).

Gemäß § 128a Abs. 1 ZPO kann das Prozessgericht den Parteien und ihren Prozessbevollmächtigten auch gestatten, aus dem Ausland an einer Verhandlung eines deutschen Gerichts im Wege der Bild- und Tonübertragung teilzunehmen. Soweit nicht die Parteien oder Beteiligten persönlich angehört werden sollen, ist damit keine unzulässige Beeinträchtigung der territorialen Integrität des Aufenthaltsstaats verbunden (…).

b) Überdies spricht gegen die Ausübung von Hoheitsgewalt in einem anderen Land durch schlichte Gestattung einer Zuschaltung des Verfahrensbevollmächtigten auch, dass das Gericht nicht angeordnet hat, dass der Verfahrensbevollmächtigte von einem Ort aus dem Ausland heraus teilzunehmen hätte.

Wenn das Gericht aber keinen „anderen Ort“ iSd. § 128a ZPO festlegt – und auch nicht befugt ist, den anderen Ort positiv festzulegen (…) – steht es letztlich im Belieben des Bevollmächtigten, von welchem Ort aus er – freiwillig – an einer Verhandlung teilnimmt."