Hat der Arbeitgeber die private Nutzung dienstlicher Kommunikationsmittel (z.B. E-Mail oder WhatsApp) erlaubt, so gelten strenge Anforderungen an deren Auswertungen durch das Unternehmen (LAG Stuttgart, Urt. v. 27.01.2023 - Az.: 12 Sa 56/21).
Im Rahmen eines arbeitsrechtlichen Kündigungsprozesses ging es u.a. um die Frage, inwieweit die Inhalte dienstlicher Kommunikationsmittel durch den Arbeitgeber herangezogen werden durften.
Die betroffene Firma hatte die private Nutzung von E-Mail und WhatsApp erlaubt.
Nachdem die Beklagte ihrem Mitarbeiter die außerordentliche Kündigung ausgesprochen hatte, gab dieser sein iPhone zurück. Die Firma verfügte damit über sämtliche Kontakte, die der Kläger dort angelegt hatte, eine „Wallet“-App mit allen Flug- und Bahntickets, annähernd 100 Notizen des Klägers, die in einer Notizen-App abgelegt waren, unzählige SMS-Nachrichten, fast 9.000 Fotos und mehr als 100 Videos. Sie wertete zumindest einen Teil der gespeicherten WhatsApp-Nachrichten aus und trug eine Vielzahl dieser Nachrichten dann im laufenden Gerichtsverfahren zur Untermauerung ihrer Kündigung vor. Darunter befanden sich WhatsApp-Nachrichten des Klägers an seinen Bruder und an zahlreiche Freunde.
Dies bewertete das Gericht als klare Datenschutzverletzung, die ein Beweisverwertungsverbot begründeten.
Die amtlichen Leitsätze des Gerichts lauten.
"1. Hat der Arbeitgeber die Privatnutzung dienstlicher Kommunikationsmittel (E-Mail; WhatsApp) erlaubt, ist im Rahmen von § 26 Abs. 1 Satz 1 BDSG bei deren Auswertung eine verschärfte Verhältnismäßigkeitskontrolle durchzuführen (offengelassen, ob bei abgeschlossenem Versandvorgang das Fernmeldegeheimnis aus § 88 TKG a.F. bzw. § 3 TTDSG n.F. Anwendung findet).
2. Bei erlaubter Privatnutzung eines dienstlichen E-Mail-Accounts darf eine verdachtsunabhängige Überprüfung durch den Arbeitgeber in aller Regel nicht verdeckt erfolgen. Vielmehr muss dem Arbeitnehmer angekündigt werden, dass und aus welchem Grund eine Verarbeitung von E-Mails stattfinden soll. Es muss ihm die Gelegenheit gegeben werden, private Nachrichten in einem gesonderten Ordner zu speichern, auf den kein Zugriff erfolgt.
3. Es spricht viel dafür, dass bei unterbliebener ausdrücklicher Regelung durch den Arbeitgeber die Arbeitnehmer grundsätzlich von einer Erlaubnis auch zur privaten Kommunikation über einen dienstlichen E-Mail-Account ausgehen können (im Ergebnis hier offen gelassen). Die E-Mail ist nach der Art ihres üblichen Einsatzes in der betrieblichen Wirklichkeit ein gegenüber dem Geschäftsbrief eigenes Kommunikationsmittel mit regelmäßig höherem Gehalt an persönlichem Informationsaustausch. Sie nimmt verglichen mit dem (Telefon-)Gespräch und dem Geschäftsbrief eine Zwischenstellung ein.
4. Wird einem Arbeitnehmer ein Smartphone als umfassendes Kommunikations- und Organisationsgerät überlassen und erfolgt im Hinblick auf bestimmte Kommunikationsformen (WhatsApp; SMS; Telefon) ausdrücklich eine einvernehmliche Mischnutzung, darf der Arbeitnehmer annehmen, dass sich die Erlaubnis auch auf andere Kommunikationsformen (E-Mail) bezieht."
Zudem sprach das Gericht dem Arbeitnehmer einen Schadensersatz von 3.000,- EUR für die erlittene Datenschutzverletzung zu:
"Ein Verstoß gegen die Verordnung iSd. § 82 Abs. 1 DS-GVO ist gegeben. (...)
Wie oben dargelegt, hat die Beklagte durch die Auswertung der WhatsApp-Nachrichten des Klägers und ihrer Einführung im Kündigungsschutzprozess gegen § 26 BDSG verstoßen. Ein Verstoß iSd. Art. 82 Abs. 1 DS-GVO liegt mithin vor.
Unter Abwägung aller Umstände erscheint der Kammer ein Betrag in Höhe von 3.000,00 EUR als ausreichend. Dieser Betrag ist fühlbar und hat nicht nur symbolischen Charakter (dazu BAG 5. Mai 2022 – 2 AZR 363/21 – Rn. 24). Auch bei Bejahung eines eigenen Präventionszwecks von Art. 82 Abs. 1 DS-GVO ist eine Entschädigung in Höhe von 3.000,00 EUR im vorliegenden Fall ausreichend."