Wettbewerbsverletzung durch Nachahmung von Barcode-Etiketten

Landgericht Hamburg

Urteil v. 09.03.2017 - Az.: 327 O 276/16

Leitsatz

Wettbewerbsverletzung durch Nachahmung von Barcode-Etiketten

Tenor

1. Die Beklagte wird unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, die Ordnungshaft zu vollziehen an ihrem jeweiligen Geschäftsführer (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000,00 €; Ordnungshaft insgesamt höchstens 2 Jahre), verurteilt, es zu unterlassen im geschäftlichen Verkehr Multilevel-Etiketten, gekennzeichnet durch folgende Merkmale

- zwei gleichfarbige rechtwinklige Dreiecke,
- deren Basen sich parallel gegenüber liegen und einen schräg verlaufenden Zwischenraum bilden,
- einen in diesem Zwischenraum mittig angeordneten Strichcode,

wie nachfolgend abgebildet, anzubieten oder in Verkehr zu bringen: (...)


2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen, geordneten Verzeichnisses darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die unter Ziffer 1 bezeichneten Handlungen begangen hat, und zwar unter Angabe

a) der Menge der hergestellten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer

b) der einzelnen Lieferungen und Bestellungen, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer wobei hierzu Auftragsbelege, Auftragsbestätigungen, Quittungen, Rechnungen sowie Liefer- und Zollpapiere vorzulegen sind.

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die vorstehend in Ziffer 1 bezeichneten Handlungen entstanden ist und künftig noch entstehen wird.

4. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1.121,90 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17.03.2016 zu zahlen.

5. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

6. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 25 % und die Beklagte 75 % zu tragen.

7. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin jedoch nur gegen Sicherheitsleistung, und zwar hinsichtlich der Ziffer 1. in Höhe von 30.000,00 €, hinsichtlich der Ziffer 2. in Höhe von 4.000,00 € und hinsichtlich der Ziffern 4. und 6. in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Sachverhalt

Die Klägerin macht gegen die Beklagte einen Unterlassungsanspruch nebst Annexansprüchen aus ergänzendem wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz geltend.

Die Klägerin ist Entwicklerin und Herstellerin von Barcode-Kennzeichnungen. Die Beklagte ist ein Unternehmen für Lagerorganisation und Logistik.

Die Klägerin stellt wie folgt gestaltete Multilevel-Etiketten für Hochregal-Lager her: (...)

Die Multilevel-Etiketten kennzeichnen Lagerplätze auf verschiedenen Ebenen eines Hochregallagers. Sie werden ebenerdig angebracht, so dass ein Mitarbeiter sie vom Boden aus scannen kann, ohne sich auf die Höhe des jeweiligen Lagerplatzes begeben zu müssen.

Die Klägerin bewirbt die Multilevel-Etiketten auf ihrer Internetseite gemäß Anlage K 1. In der Fachpresse wurde darüber berichtet, als die MAN Diesel & Turbo SE ihre Lagerorganisation auf die Produkte der Klägerin umstellte (Anlage K 3). Die Klägerin veröffentlichte anlässlich der Transport- und Logistikmesse „TransFair-Log“ in Hamburg im Jahr 2012 eine Pressemitteilung, in der sie ihre Multilevel-Etiketten gesondert hervorhob (Anlage K 4). Darüber hinaus ist die Klägerin unter anderem Mitglied der Logistik-Initiative Hamburg (www.hamburg-logistik.net), auf deren Internet-Portal die Multilevel-Etiketten hervorgehoben werden (Anlage K 5). In einer Pressemitteilung der HP Deutschland GmbH vom 30.09.2015 berichtete diese von der Entscheidung der Klägerin, für den Druck ihrer Multilevel-Etiketten zukünftig eine Digitaldruckmaschine von HP zu verwenden. In diesem Zusammenhang erwähnte die HP Deutschland GmbH ausdrücklich, dass die Klägerin ihre Digitaldruckmaschinen nutze (Anlage K 6).

Die Beklagte vertreibt ebenfalls Multilevel-Etiketten und bietet diese unter der Bezeichnung Man-Down-Etiketten an: (...)

Die Beklagte verbreitet ihren Produktkatalog bundesweit. Eine ihrer Abnehmerinnen ist die J. AG Hamburg (Anlage B 9).

Das Marktumfeld gestaltet sich wie auf Seite 8 der Klageschrift und in Anlage B 1 abgebildet.

Multilevel-Etiketten, die so gestaltet sind wie die der Klägerin, werden auch von folgenden Unternehmen angeboten:

- b. GmbH in I. (Anlage B 2),
- MMS M. M. S. B.-GmbH in B./ M. (Anlage B 3),
- J. E., S. J. in E. (Anlage B 4),
- P. P. B.- S. GmbH in N. (Anlage B 5),
- S. AG Strichcode-Kennzeichnungen in der S. (Anlage B 6),
- I. in F. (Anlage B 7).

Die Klägerin ließ die Beklagte mit Anwaltsschreiben vom 01.03.2016 abmahnen und zur Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.531,90 € auffordern (Anlage K 10). Die Beklagte ließ der Klägerin mit Anwaltsschreiben vom 16.03.2016 mitteilen, dass sie keine Unterlassungsverpflichtungserklärung abgeben werde (Anlage K 11).

Die Klägerin behauptet, dass sie die Multilevel-Etiketten im Jahr 2005 entwickelt habe. Sie habe dabei eng mit Kunden und Anwendern zusammengearbeitet und verkaufe die Multilevel-Etiketten mit großem Erfolg in Deutschland und international. Die Klägerin erziele mit den Multilevel-Etiketten in Deutschland einen deutlich sechsstelligen Umsatz.

Die Multilevel-Etiketten seien in der Branche bekannt und würden mit der Klägerin in Verbindung gebracht.

Bei den Unternehmen b. GmbH, J. E., P. P. B.- S. GmbH und S. AG handle es sich um Kunden der Klägerin. Gegen die Angebote der MMS M. M. S. B.-GmbH und I. gehe die Klägerin vor (Anlage K 12 bzgl. der MMS M. M. S. B.-GmbH).

Die Klägerin bewerbe die Multilevel-Etiketten mithilfe von Produktbroschüren mit einer jährlichen Auflage von mehreren tausend Stück, die sie auf Messen verteile und an Kunden und Interessenten versende (Anlage K 2).

Die Multilevel-Etiketten fänden auch in der ausländischen Fachpresse Erwähnung, beispielsweise in der Tschechischen Republik, England und Frankreich (Anlage K 7).

In der Klageschrift hat die Klägerin den Klagantrag zu 1) wie folgt gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, wobei die Ordnungshaft an ihren jeweiligen gesetzlichen Vertretern zu vollziehen ist, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr Multilevel-Etiketten, gekennzeichnet durch folgende Merkmale

- zwei gleichfarbige rechtwinklige Dreiecke,
- deren Basen sich parallel gegenüber liegen und einen schräg verlaufenden Zwischenraum bilden,
- einen in diesem Zwischenraum mittig angeordneten Strichcode,

insbesondere wie nachfolgend abgebildet, anzubieten oder in Verkehr zu bringen: (...)

Nachdem die Parteien im Termin zur mündlichen Verhandlung am 12.01.2017 ihre Zustimmung zur Entscheidung im schriftlichen Verfahren erteilt haben, beantragt die Klägerin zuletzt:

1. Die Beklagte wird verurteilt es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, wobei die Ordnungshaft an ihren jeweiligen gesetzlichen Vertretern zu vollziehen ist, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr Multilevel-Etiketten, gekennzeichnet durch folgende Merkmale

- zwei gleichfarbige rechtwinklige Dreiecke,
- deren Basen sich parallel gegenüber liegen und einen schräg verlaufenden Zwischenraum bilden,
- einen in diesem Zwischenraum mittig angeordneten Strichcode,

wie nachfolgend abgebildet, anzubieten oder in Verkehr zu bringen: (...)

2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen, geordneten Verzeichnisses darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die unter Ziffern 1 bezeichneten Handlungen begangen hat, und zwar unter Angabe

a) der Menge der hergestellten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer
b) der einzelnen Lieferungen und Bestellungen, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer

wobei hierzu Auftragsbelege, Auftragsbestätigungen, Quittungen, Rechnungen sowie Liefer- und Zollpapiere vorzulegen sind.

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die vorstehend in Ziffer 1 bezeichneten Handlungen entstanden ist und künftig noch entstehen wird.

4. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von Euro 1.531,90 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17. März 2016 zu zahlen.

Die Beklagte hat der in der Änderung des Klagantrags zu 1) enthaltenen teilweisen Klagerücknahme widersprochen und beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte rügt die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Hamburg. Es komme insoweit darauf an, an welchem Ort die Beklagte ihre Produkte anbiete. Da die Beklagte ihren Sitz in K. habe, sei dies der Ort eines jeden Angebots der von ihr vertriebenen Ware.

Der Klagantrag zu 1) sei unzutreffend formuliert, da sich nicht die „Basen“, sondern Hypotenusen der Dreiecke gegenüberlägen.

Die Gestaltung der Etiketten der Parteien sei unterschiedlich, weil der Barcode auf den Multilevel-Etiketten der Klägerin nicht mittig angeordnet sei. Die Klägerin verwende auf ihren Multilevel-Etiketten zudem unterschiedliche Winkel (Anlage B 8). Die Klägerin könne die Wettbewerber nicht darauf verweisen, den Barcode nur genau waagerecht oder senkrecht anzuordnen.

Auf Grund der Vielzahl von Unternehmen, die gleich gestaltete Multilevel-Etiketten anböten, sei in der Gestaltung kein Herkunftshinweis auf die Klägerin zu sehen. Selbst wenn die Unternehmen zum Teil Kunden der Klägerin seien, werde der Herkunftshinweis durch die Gestaltung der Multilevel-Etiketten jedenfalls dadurch verwässert, dass die Kunden sie jeweils unter ihrem eigenen Namen anböten.

Es liege keine Herkunftstäuschung vor, da die Klägerin z.B. Mitarbeitern der J. AG und der F. S. GmbH nicht bekannt sei, obwohl diese Unternehmen namhafte Anbieter im Bereich Regale und Lagertechnik seien.

Es sei nicht anzunehmen, dass der Beklagten im Zeitpunkt der Herstellung ihrer Man-Down-Etiketten die Multilevel-Etiketten der Klägerin bekannt gewesen seien. Die Beklagte habe die Man-Down-Etiketten erstmals auf Grund eines konkreten Kundenwunsches der J. AG im Jahr 2013 angeboten (Anlage K 11). Die Kundin der J. AG, die H. Spedition GmbH & Co. KG, habe gewünscht, dass der Barcode um 45° gedreht sein solle und die Etiketten mehrfarbig sein sollten. Die Vorlagen gemäß den Anlagen B 14 und B 18 seien von der J. AG seinerzeit nicht an die Beklagte weitergeleitet worden. Die betriebliche Herkunft der Etiketten in dieser Vorlage lasse sich nicht mehr aufklären. Da diese Etiketten jedoch anders als die der Klägerin keine schwarze Trennlinie zwischen dem farbigen Hintergrund und dem Barcodebereich aufwiesen, sei davon auszugehen, dass es sich hierbei nicht um Multilevel-Etiketten der Klägerin gehandelt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 12.01.2017 verwiesen.

Die Kammer hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen M.. Wegen des Ergebnisses wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 12.01.2017 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist im tenorierten Umfang begründet.

I.
Die Kammer hat über die Klaganträge in der Fassung der Klageschrift zu entscheiden, da die nachfolgende teilweise Klagerücknahme nach § 269 Abs. 1 ZPO unwirksam war.

Gemäß § 269 Abs. 1 ZPO kann die Klage ohne Einwilligung des Beklagten nur bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung des Beklagten zur Hauptsache zurückgenommen werden. Im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO entspricht die Zustimmungserklärung des Beklagten dem Beginn der mündlichen Verhandlung im Sinne des § 269 Abs. 1 ZPO (Zöller/Greger, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 269 Rn. 13).

Die Zustimmung der Parteien zu einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erfolgte am 12.01.2017. Den Klagantrag zu 1) hat die Klägerin anschließend mit Schriftsatz vom 09.02.2017 neu gefasst. In dieser Neufassung war eine teilweise Klagerücknahme enthalten, da die Klägerin der Beklagten nicht mehr nur das Angebot und Inverkehrbringen von Multilevel-Etiketten verbieten lassen wollte, die „insbesondere“ so gestaltet sind „wie nachfolgend abgebildet“, sondern nur noch „wie nachfolgend abgebildet“. Damit wollte die Klägerin den ursprünglich abstrahierten Unterlassungsantrag entsprechend dem Hinweis der Kammer aus dem Termin vom 12.01.2017 auf die konkrete Verletzungsform zurückführen. Dieser teilweisen Klagerücknahme hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 23.02.2017 widersprochen.

II.
Die Klage ist zulässig.

1. Das Landgericht Hamburg ist örtlich zuständig. Gemäß § 14 Abs. 2 S. 1 UWG ist für Klagen auf Grund des UWG das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen worden ist. Die Beklagte bietet die streitgegenständlichen Man-Down-Etiketten bundesweit an, da sie den Produktkatalog unstreitig bundesweit verbreitet. Im Übrigen räumt die Beklagte sogar ein, die Man-Down-Etiketten an die J. AG nach Hamburg geliefert zu haben. Damit liegt ein Erfolgsort der Handlung der Beklagten in Hamburg.

2. Der Klagantrag zu 1) ist hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Zwar wird als „Basis“ üblicherweise die dritte, nicht gleich lange Seite eines gleichschenkligen Dreiecks bezeichnet. Aus der im Klagantrag zu 1) eingeblendeten Abbildung wird jedoch ohne weiteres deutlich, dass im vorliegenden Fall damit die Hypotenusen der rechtwinkligen Dreiecke gemeint sind, zumal die beiden abgebildeten Dreiecke auch nahezu gleichschenklig sind.

III.
Die Klage ist bezogen auf die konkrete Verletzungsform begründet.

1. Der Klägerin steht ein Unterlassungsanspruch gemäß § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 3 lit. a) UWG zu.

Wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz besteht, wenn ein Unternehmer das Leistungsergebnis eines Mitbewerbers nachahmt und auf dem Markt anbietet, das über wettbewerbliche Eigenart verfügt, sofern besondere Umstände hinzutreten, die die Nachahmung unlauter erscheinen lassen. So verhält es sich, wenn die Nachahmung geeignet ist, eine Herkunftstäuschung hervorzurufen, und der Nachahmer geeignete und zumutbare Maßnahmen zur Vermeidung der Herkunftstäuschung unterlässt (§ 4 Nr. 3 lit. a) UWG). Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen dem Grad der wettbewerblichen Eigenart, der Art und Weise und der Intensität der Übernahme sowie den besonderen wettbewerblichen Umständen. Je größer die wettbewerbliche Eigenart und je höher der Grad der Übernahme sind, desto geringere Anforderungen sind an die die Unlauterkeit begründende Herkunftstäuschung und ihre Vermeidbarkeit zu stellen und umgekehrt (BGH GRUR 2016, 730 Rn. 31 - Herrnhuter Stern).

a) Die Kammer ist auf Grund der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass die Klägerin die Herstellerin des Originals der Multilevel-Etiketten im Jahr 2005 war. Der Zeuge M., der technischer Vertriebsleiter der Klägerin und seit dem Jahr 2001 bei ihr beschäftigt ist, hat glaubhaft bekundet, dass die Klägerin die streitgegenständlichen Multilevel-Etiketten infolge von Gesprächen mit Kunden entwickelt und im Jahr 2005 das erste Mal eingesetzt habe.

b) Die Multilevel-Etiketten der Klägerin besitzen eine durchschnittliche wettbewerbliche Eigenart.

Ein Erzeugnis besitzt wettbewerbliche Eigenart, wenn die konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale des Erzeugnisses geeignet sind, die interessierten Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen (BGH GRUR 2015, 909 Rn. 10 – Exzenterzähne) und die Art der Gestaltung nicht technisch notwendig ist (BGH GRUR 2015, 909 Rn. 18 – Exzenterzähne).

Ausweislich der Darstellungen auf S. 8 der Klageschrift und Anlage B 1 sind im Markt ansonsten waagerechte Barcodes üblich. Die Gestaltung der Multilevel-Etiketten der Klägerin mit einer Kombination von schrägem Barcode und farbigen Dreiecken in den Ecken hebt sich vom Marktumfeld ab. Darauf deutet bereits die Formulierung des Mitarbeiters J. K. der F. S. GmbH in der E-Mail vom 29.09.2016 hin, die die Beklagte als Anlage B 16 vorgelegt hat:

„Wir haben bei einem schönen Projekt bei uns in W... auch die Etikettierung mitverkauft und jetzt kommt der Kunde mit etwas eigenwilligen Wünschen… schräge Barcodes

Siehe dazu bitte das beiliegende Foto... - wurde bei einer Besichtigungstour in Deutschland gemacht.

Wir haben bei uns so etwas noch nicht gemacht und unser Stammlieferant kann das auf seinen Maschinen nicht produzieren.“

Hinsichtlich der b. GmbH, P. P. B.- S. GmbH und S. AG, die ebenfalls Multilevel-Etiketten wie die er Klägerin anbieten, hat der Zeuge M. den Vortrag der Klägerin bestätigt, dass es sich dabei um Kunden der Klägerin handle, so dass diese Multilevel-Etiketten auf die Klägerin zurückzuführen sind. Hinsichtlich J.- E. hat der Zeuge M. erklärt, dass es sich dabei aktuell noch nicht um einen Kunden der Klägerin handle, dies aber jemand sei, der sich von einem Partner der Klägerin selbständig gemacht habe. Hinsichtlich des Angebots der MMS M. M. S. B.-GmbH ist die Klägerin ausweislich der Anlage K 12 tätig geworden. Im Übrigen behauptet die Klägerin, auch I. angeschrieben zu haben, um die Herkunft von deren Multilevel-Etiketten zu klären.

Damit wird hinreichend deutlich, dass bezüglich der auf dem Markt befindlichen Multilevel-Etiketten entweder eine Verbindung zu der Klägerin besteht oder die Klägerin sich jedenfalls bemüht, gegen den Vertrieb der Produkte vorzugehen. Dies zeigt nicht zuletzt das vorliegende Verfahren.

Die konkrete Anordnung eines um ca. 45° geneigten Barcodes zwischen zwei farbigen rechtwinkligen Dreiecken hebt sich damit so stark vom Markumfeld ab, dass die Gestaltung geeignet ist, auf die betriebliche Herkunft hinzuweisen. Diese Gestaltung ist auch nicht technisch zwingend. Es ist insbesondere nicht ersichtlich, warum die farbigen Flächen eine Form haben müssen wie auf den Multilevel-Etiketten der Klägerin.

c) Die Man-Down-Etiketten der Beklagten ahmen die Multilevel-Etiketten der Klägerin nahezu identisch nach. Der Barcode auf den Man-Down-Etiketten ist lediglich ein wenig nach unten rechts verschoben, so dass die farbigen Dreiecke nahezu gleich groß sind und nicht wie bei der Klägerin das Dreieck links oben ein wenig kleiner ist als das Dreieck rechts unten.

Eine Nachahmung setzt zwar voraus, dass dem Hersteller im Zeitpunkt der Schaffung des beanstandeten Produkts das Vorbild bekannt war (BGH GRUR 2017, 79 Rn. 64 - Segmentstruktur). Ihm muss also das Original unmittelbar oder mittelbar (in Gestalt von Beschreibungen Abbildungen, Mustern usw.) vorgelegen haben. Ansonsten liegt keine Nachahmung, sondern eine selbstständige Schöpfung vor (Köhler/Bornkamm, UWG, 35. Auflage 2017, § 4 Rn. 3.68). Allerdings wird die Kenntnis vermutet, wenn der Anspruchsgegner zeitlich nach dem Anspruchsteller auf den Markt gekommen ist (Köhler/Bornkamm, UWG, 35. Auflage 2017, § 4 Rn. 3.78). Das ist hier der Fall. Die Kammer hat die Beklagte daher darauf hingewiesen, dass sie substantiiert darzulegen habe, welche Kenntnisse sie von den Etiketten der Klägerin gehabt habe und was ihr die J. AG darüber mitgeteilt habe, dass die H. Spedition GmbH & Co. KG offensichtlich über Vorlagen von Etiketten verfügte, die sie nachbauen lassen wollte. Da die Beklagte dem nicht nachgekommen ist, bleibt es bei der Vermutung zu Lasten der Beklagten.

d) Es liegt eine vermeidbare Herkunftstäuschung vor.

Die Gefahr einer Täuschung über die betriebliche Herkunft eines nachgeahmten Erzeugnisses setzt, sofern nicht Original und Nachahmung nebeneinander vertrieben werden und der Verkehr damit beide unmittelbar miteinander vergleichen kann, voraus, dass das nachgeahmte Erzeugnis eine gewisse Bekanntheit bei nicht unerheblichen Teilen der angesprochenen Verkehrskreise erlangt hat (BGH GRUR 2016, 730 Rn. 58 - Herrnhuter Stern). Eine Herkunftstäuschung liegt vor, wenn der angesprochene Verkehr aufgrund von Übereinstimmungen oder Annäherungen der die wettbewerbliche Eigenart begründenden Merkmale den Eindruck gewinnt, die Nachahmung stamme vom Hersteller des Originals oder einem mit ihm verbundenen Unternehmen. Dafür genügt die Vorstellung, das Originalprodukt sei von einem bestimmten Hersteller, wie auch immer dieser heißen möge, oder einem mit diesem verbundenen Unternehmen in den Verkehr gebracht worden (BGH GRUR 2016, 730 Rn. 64 - Herrnhuter Stern).

Auf Grund der Beweisaufnahme ist die Kammer davon überzeugt, dass die Multilevel-Etiketten der Klägerin zum Zeitpunkt des erstmaligen Angebots der Man-Down-Etiketten der Beklagten im Jahr 2013 über eine gewisse Verkehrsbekanntheit verfügten. Der Zeuge M. hat bekundet, dass die Klägerin die Multilevel-Etiketten seit dem Jahr 2005 vertreibe. Dass dies zum Teil über Wiederverkäufer erfolgt, ist dabei unschädlich. Das Produkt sei von Anfang an ein Erfolg gewesen. Es sei ein Türöffner für weitere Lösungen im Lager, z.B. für Böden, Tore, Einfahrten und Installationsservice. Der Umsatz mit all diesen Leistungen sei von 475.000,00 € im Jahr 2014 auf 550.000,00 € im Jahr 2016 gestiegen, wobei die Umsätze in den Anfangszeiten deutlich geringer gewesen seien. Auf der Grundlage einer kontinuierlichen Umsatzsteigerung geht die Kammer davon aus, dass die Umsätze im Lagerbereich auch im Jahr 2013 bereits deutlich im sechsstelligen Bereich gelegen haben. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass sich diese Umsatzzahlen nicht allein auf die streitgegenständlichen Multilevel-Etiketten beziehen. Auf Grund der vom Zeugen M. geschilderten positiven Reaktionen der Kunden aus dem Lagerbereich auf die Multilevel-Etiketten, ist die Kammer jedoch davon überzeugt, dass die Multilevel-Etiketten bereits wegen ihrer Türöffnerfunktion einen Anteil an dieser Umsatzsteigerung hatten.

Darüber hinaus hat der Zeuge M. bestätigt, dass der Flyer gemäß Anlage K 2 immer wieder neu gedruckt und zweimal im Jahr auf Messen verteilt werde. Dabei komme die Klägerin auf etwa 500 bis 1000 Stück pro Jahr. Darüber hinaus würden die Flyer auch an Kunden versandt.

Vor dem Hintergrund der durchschnittlichen wettbewerbliche Eigenart der Multilevel-Etiketten und des erheblichen Grades der Übernahme der wesentlichen Gestaltungsmerkmale durch die zum Verwechseln ähnlichen Man-Down-Etiketten ist daher eine betriebliche Herkunftstäuschung zu bejahen.

e) Der Unterlassungsanspruch der Klägerin besteht allerdings nur in Bezug auf die konkrete Verletzungsform, also die Man-Down-Etiketten gemäß Anlage K 8. Die Klägerin hat keinen Anspruch, der Beklagten verbieten zu lassen, „insbesondere“ so gestaltete Multilevel-Etiketten anzubieten oder in Verkehr zu bringen. Dass die Klägerin auch Multilevel-Etiketten herstellt, die einen anderen Winkel des Barcodes ausweisen (Anlage B 8), führt nicht zu einer Wiederholungs- oder Erstbegehungsgefahr auf Seiten der Beklagten, auch anders gestaltete Multilevel-Etiketten anzubieten. Inwieweit der Klägerin auch bezüglich dieser anders gestalteten Multilevel-Etiketten ein Unterlassungsanspruch zustünde, hat die Kammer daher nicht zu entscheiden.

2. Der Auskunftsanspruch folgt aus § 242 BGB und der Schadensersatzanspruch aus § 9 UWG.

3. Der Anspruch der Klägerin auf Ersatz von Abmahnkosten in Höhe von 1.121,90 € ergibt sich aus § 12 Abs. 1 S. 2 UWG. Die Klägerin kann den Ersatz einer 1,3 Geschäftsgebühr jedoch nur nach einem Gegenstandswert in Höhe von 30.000,00 € verlangen, da dies dem Wert des auf die konkrete Verletzungsform beschränkten Unterlassungsanspruches entspricht.

Die Zinsforderung folgt aus §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB, da die Beklagte (auch) die Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten mit dem Schreiben vom 16.03.2016 (Anlage K 11) endgültig verweigert hatte.

IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt bzgl. der Vollstreckung durch die Klägerin aus § 709 ZPO und durch die Beklagte aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.