Werbung mit einem durchgestrichenen Preis

Bundesgerichtshof

Urteil v. 05.11.2015 - Az.: I ZR 182/14

Leitsatz

Werbung mit einem durchgestrichenen Preis misst der Verbraucher nicht eine je nach Vertriebsform unterschiedliche Bedeutung bei. Auch im Internethandel und auf einer Handelsplattform wie Amazon.de erkennt der Verkehr in einer durchgestrichenen Preisangabe regelmäßig den früher von dem werbenden Unternehmer verlangten Preis.

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 17. Juli 2014 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Sachverhalt

Die Parteien vertreiben über das Internet Waren. Zu ihrem Produktprogramm gehören Fahrradanhänger, die sie über die Handelsplattform Amazon absetzen.

Am 5. November 2012 bewarb die Beklagte - wie nachstehend im Klageantrag wiedergegeben - auf der Internetseite Amazon.de Fahrradanhänger mit einem höheren durchgestrichenen Preis und einem darunter gesetzten niedrigeren Preis.

Die Klägerin hält diese Werbung für irreführend. Soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, hat sie nach erfolgloser Abmahnung beantragt,

der Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr auf der Handelsplattform Amazon.de Waren anzubieten und dabei mit einem durchgestrichenen Preis zu werben, ohne klarzustellen, um was für einen Preis es sich bei dem durchgestrichenen Preis handelt, wenn dies geschieht wie nachstehend wiedergegeben:

Außerdem begehrt die Klägerin Erstattung von Abmahnkosten, Auskunft und Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihre Anträge weiter.

 

Entscheidungsgründe

I. Das Berufungsgericht hat die beanstandete Werbung nicht als irreführend angesehen. Dazu hat es ausgeführt:

Die durchgestrichene Preisangabe sei nicht mehrdeutig. Der Verkehr erkenne darin klar und eindeutig den früher von der Beklagten verlangten Preis. Das gelte auch im Internethandel. Soweit die Klägerin andeute, die Beklagte habe den durchgestrichenen Preis nie verlangt, sei dies vom Klageantrag nicht umfasst.

II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Klägerin hat keinen Erfolg. Der Klägerin stehen die begehrten Ansprüche nach § 8 Abs. 1 Satz 1, § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 2, §§ 9, 12 Abs. 1 Satz 2 UWG, § 242 BGB gegen die Beklagte nicht zu. Auch im Internethandel ist die Werbung mit einem durchgestrichenen Preis, dem ein niedrigerer Preis gegenübergestellt wird, auf einer Handelsplattform wie Amazon.de nicht schon allein irreführend im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 UWG und deshalb wettbewerbswidrig, weil der Werbende nicht durch einen gesonderten Hinweis klarstellt, um welchen Preis es sich bei dem durchgestrichenen Preis handelt.

1. Werden Preise für ein Angebot durchgestrichenen Preisen gegenübergestellt, so muss sich aus der Werbung klar und deutlich ergeben, worum es sich bei dem durchgestrichenen Preis handelt (BGH, Urteil vom 17. März 2011 - I ZR 81/09, GRUR 2011, 1151 Rn. 22 = WRP 2011, 1587 - Original Kanchipur). Davon ist das Berufungsgericht ausgegangen und hat zu Recht angenommen, der durchgestrichene Preis in der beanstandeten Werbung bezeichne aus der Sicht der maßgeblichen Verbraucher eindeutig einen früher von dem Werbenden geforderten Preis. Der von der Klägerin verlangten Klarstellung, um welchen Preis es sich bei dem durchgestrichenen Preis handelt, bedarf es in einem solchen Fall nicht.

a) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass sich die Beurteilung, ob eine Werbung irreführend ist, maßgeblich danach richtet, wie der angesprochene Verkehr diese Werbung aufgrund ihres Gesamteindrucks versteht (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 18. September 2013 - I ZR 65/12, GRUR 2014, 494 Rn. 14 = WRP 2014, 559 - Diplomierte Trainerin, mwN). In diesem Zusammenhang kommt es auf die Sichtweise eines durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers an, der einer Werbung die der Situation angemessene Aufmerksamkeit entgegenbringt (vgl. BGH, Urteil vom 20. Oktober 1999 - I ZR 167/97, GRUR 2000, 619, 621 = WRP 2000, 517 - Orient-Teppichmuster; Urteil vom 30. Juni 2011 - I ZR 157/10, GRUR 2012, 184 Rn. 19 = WRP 2012, 194 - Branchenbuch Berg). Irreführend ist eine Werbung, wenn sie geeignet ist, bei einem erheblichen Teil der umworbenen Verkehrskreise irrige Vorstellungen über die Eigenschaften oder die Befähigung des Unternehmers oder die von ihm angebotene Leistung hervorzurufen und die zu treffende Marktentschließung in wettbewerblich relevanter Weise zu beeinflussen (vgl. BGH, Urteil vom 26. Februar 2009 - I ZR 219/06, GRUR 2009, 888 Rn. 18 = WRP 2009, 1080 - Thermoroll; Urteil vom 8. März 2012 - I ZR 202/10, GRUR 2012, 1053 Rn. 19 = WRP 2012, 1216 - Marktführer Sport).

b) Die Revision macht geltend, das Berufungsgericht hätte das maßgebliche Verkehrsverständnis nicht selbst feststellen dürfen. Das trifft nicht zu. Das Berufungsgericht konnte das Verkehrsverständnis aufgrund eigener Sachkunde ermitteln. Es hat dargelegt, dass die Richter des Berufungssenats als Verbraucher das Internet nutzen und damit den von der beanstandeten Werbung angesprochenen Verkehrskreisen angehören. Das reicht aus. Dass die Mitglieder des Berufungsgerichts auch die hier in Rede stehende Internetplattform nutzen, brauchte das Berufungsgericht nicht gesondert anzuführen.

c) Auf dieser Grundlage hat das Berufungsgericht zu Recht angenommen, bei der beanstandeten Werbung erkenne der Verkehr in dem durchgestrichenen Preis den früher von der Beklagten verlangten Preis. Die Werbung sei nicht für einen erheblichen Teil des Verkehrs mehrdeutig.

Für die Richtigkeit der Beurteilung des Berufungsgerichts spricht, dass ein Unternehmer nur eigene Preise für ungültig erklären kann. Das ist für den Verbraucher erkennbar. Den durch die Werbung der Beklagten angesprochenen Verkehrskreisen sind aus Einkäufen im stationären Handel zudem Preisetiketten bekannt, auf denen durchgestrichene Preise niedrigeren Angebotspreisen gegenübergestellt werden. Sie können dabei ohne weiteres erkennen, dass es sich bei dem durchgestrichenen Preis um den früher für diese Ware von dem Händler verlangten Preis handelt (vgl. OLG Stuttgart, WRP 1996, 791, 794 f.; OLG Düsseldorf, Urteil vom 29. Juni 2010 - 20 U 28/10, juris Rn. 15). Soll der Preisvergleich dagegen mit einem anderen als dem vom Werbenden zuvor verlangten Preis erfolgen, etwa mit einer unverbindlichen Preisempfehlung des Herstellers oder dem Preis eines Wettbewerbers, so liegt es fern, dass dieser Vergleichspreis ohne weitere Erläuterungen nur durchgestrichen wird. Die Preisgünstigkeit des Angebots des Werbenden soll sich in diesem Fall aus dem Vergleich mit einem anderen, weiterhin gültigen Preis ergeben, der regelmäßig näher erklärt werden muss.

Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof bei einer Werbung mit einem "Einführungspreis", dem ein durchgestrichener Preis gegenübergestellt wird, angenommen, der Verbraucher werde vermuten, bei dem durchgestrichenen Preis handele es sich um den nach Ende des Einführungsangebots von dem Unternehmer verlangten Normalpreis, so dass Bezugspunkt der Werbung mit dem durchgestrichenen Preis ein eigener Preis des Werbenden sei (vgl. BGH, GRUR 2011, 1151 Rn. 22 - Original Kanchipur). Ebenso wird auch im neueren Schrifttum angenommen, durchgestrichene Preise würden jedenfalls heute allgemein als die früheren eigenen Preise des Werbenden verstanden (vgl. Bornkamm in Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl., § 5 Rn. 7.100; Großkomm.UWG/Lindacher, 2. Aufl., § 5 Rn. 660; MünchKomm.UWG/Busche, 2. Aufl., § 5 Rn. 453; Helm in Gloy/Loschelder/Erdmann, Handbuch des Wettbewerbsrechts, 4. Aufl., § 59 Rn. 376).

d) Die Ausführungen der Revision geben zu einer abweichenden Beurteilung keinen Anlass.

aa) Ohne Erfolg beruft sich die Revision auf ein Urteil des Oberlandesgerichts Hamm (WRP 2013, 1073), das die Werbung einer sogenannten Postenbörse mit durchgestrichenen "Statt"-Preisen als mehrdeutig und irreführend angesehen hat, weil nicht klargestellt wurde, um welchen Vergleichspreis es sich bei dem durchgestrichenen Preis handelte, und nicht alle in Betracht kommenden Bedeutungen der Werbeaussage zutrafen. Auch das Oberlandesgericht Hamm geht davon aus, dass der Verbraucher in einem durchgestrichenen Preis im Regelfall den früher vom Werbenden selbst geforderten, nunmehr aber gegenstandslosen Preis sieht (OLG Hamm, WRP 2013, 1073, 1076). Lediglich aufgrund der den Verbrauchern bekannten Besonderheiten des Geschäftsmodells einer Postenbörse hat das Oberlandesgericht Hamm angenommen, ein erheblicher Teil der Verbraucher könne davon ausgehen, bei den durchgestrichenen Preisen handele es sich um die vom regulären Einzelhandel üblicherweise oder früher geforderten höheren Preise, die den Preisen in einer Filiale der Postenbörse gegenübergestellt würden. Das Oberlandesgericht Hamm hat sich dabei von der Erwägung leiten lassen, dass "Postenbörsen" nach landläufigem Verständnis Restposten, Zweite-Wahl-Ware, Ladenhüter und Auslaufmodelle sowie Überschussware zu gegenüber dem regulären Einzelhandel äußerst niedrigen Preisen anbieten. Auf diese besondere Preisgünstigkeit lege der potentielle Kunde einer solchen Postenbörse gesteigerten Wert. Der von jener Werbung angesprochene "Schnäppchenjäger" gehe bei Angebotspreisen der Postenbörse, die um mehr als 50% und sogar bis zu 93% unter den durchgestrichenen Preisen lägen, davon aus, hier werde ihm der enorme Preisvorteil gegenüber dem üblichen oder vorherigen Preis des Einzelhandels vor Augen geführt. Der Verbraucher erwarte nicht, die Postenbörse könne bei ihrem erwartungsgemäß ohnehin sehr niedrigen Preisniveau einen zunächst verlangten Preis nochmals derart eklatant senken.

Mit den vom Oberlandesgericht Hamm angenommenen Besonderheiten der Werbung einer Postenbörse ist der Streitfall nicht vergleichbar. Dabei kann dahinstehen, ob im Hinblick auf die von der Revision vorgetragenen Kostenvorteile des Internethandels eine allgemeine Erwartung der Verbraucher besteht, im Internet günstiger als im stationären Handel einkaufen zu können. Jedenfalls ist nicht ersichtlich, warum der Verbraucher sein Verständnis des Angebots einer Postenbörse ohne besondere Anhaltspunkte auf bei der Handelsplattform Amazon.de eingestellte Angebote regulärer neuer Waren sollte beziehen können. Ohne konkreten Anlass wird der Verbraucher von Anbietern auf Amazon.de nicht die Preisstruktur einer Postenbörse erwarten. Selbst wenn der Verbraucher sich bei einem Kauf über die Handelsplattform Amazon.de einen günstigeren Preis als im stationären Einzelhandel versprechen sollte, hat er keinen Anlass, deswegen der Werbung mit einem durchgestrichenen Preis je nach Vertriebsform - Internethandel oder stationärer Handel - eine unterschiedliche Bedeutung beizumessen. Soweit die Revision bei der Beurteilung der Verbrauchererwartung ein abweichendes Ergebnis für richtig hält, versucht sie lediglich, die tatrichterliche Würdigung durch ihre eigene Sichtweise zu ersetzen, ohne dabei einen Rechtsfehler des Berufungsgerichts aufzuzeigen.

bb) Der Umstand, dass dem verständigen Verbraucher Preissuchmaschinen im Internet bekannt sind, ist unerheblich. Rückschlüsse darauf, wie der Verbraucher die Werbung mit einem durchgestrichenen höheren Preis für ein konkretes Produkt eines bestimmten Unternehmens versteht, ergeben sich daraus nicht.

cc) Ein besonderes Verbraucherverständnis für die Werbung mit durchgestrichenen Preisen gerade auf der Handelsplattform Amazon.de ergibt sich ferner nicht aus der von der Revision angeführten Möglichkeit, dass sich Unternehmer dort an das Angebot eines Wettbewerbers "anhängen" können. Unabhängig davon, ob das Berufungsgericht zutreffend erfasst hat, worum es sich bei dieser Verfahrensweise handelt, ist jedenfalls seine Beurteilung rechtsfehlerfrei, diese Händlern eröffnete Option sei nur einem kleinen Teil der angesprochenen Verbraucher bekannt und könne daher keinen erheblichen Einfluss auf das maßgebliche Verkehrsverständnis haben. Entgegen der Ansicht der Revision konnten die als Verbraucher mit dem Internet vertrauten Richter des Berufungsgerichts diese Frage aus eigener Sachkunde beurteilen, ohne ausdrücklich darzulegen, dass sie auch die Handelsplattform Amazon.de nutzen.

2. Vergeblich versucht die Revision, eine Irreführung der beanstandeten Werbung unter Hinweis auf den Vortrag der Klägerin zu begründen, die Beklagte habe monatelang mit dem Preisvorteil geworben, so dass der günstigere Preis zum Normalpreis geworden sei. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass der Klageantrag eine solche Irreführung nicht umfasst.

Das Charakteristische der von der Klägerin beanstandeten Verletzungsform ist die Werbung mit einem durchgestrichenen Preis ohne klarzustellen, um welchen Preis es sich dabei handelt. Für den auf diese Verletzungsform beschränkten Antrag ist es unerheblich, ob und wie lange der durchgestrichene Preis vom Werbenden tatsächlich gefordert worden ist.

3. Ist der Unterlassungsantrag unbegründet, so stehen der Klägerin die Folgeansprüche ebenfalls nicht zu.

III. Die Kostentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.