Unternehmen müssen kritische Äußerungen hinnehmen
Leitsatz
Ein Unternehmen, an dem teilweise öffentliches Eigentum besteht und dessen Aufsichtsrat zum Teil aus Politikern besteht, muss wegen des besonderen Interesses der Öffentlichkeit eine polemische oder überspitzte Kritik hinnehmen.
Sachverhalt
Die Klägerin, die Fraport AG, war Betreiberin des Frankfurter Flughafens und erwarb eine Beteiligung an einem Unternehmen, das ein neues Passagier-Terminal auf dem internationalen Flughafen von Manila bauen ließ. Die Beklagte war eine Wirtschaftsberatungsgesellschaft, welche auf ihrer Homepage ein Dokument veröffentlichte, das den Titel "Der Fraport-Manila-Skandal und seine öffentliche Wahrnehmung in Deutschland". In dem Bericht hieß es u.a.:
"Der schier unglaubliche Fraport-Skandal scheint zur Freude der für den riesigen Schaden Verantwortlichen in Vorstand und Aufsichtsrat in den deutschen Medien schon in Vergessenheit geraten zu sein. Es wäre aber im öffentlichen Interesse zu wünschen, dass dieser Sumpf an Lügen, Täuschung, Vertuschung, Vetternwirtschaft, Polit-Kumpanei und Korruption endlich aufgemischt wird. Leider schafft die Zeit für die Fraport-Übeltäter." |
2005 versandte die Beklagte anlässlich einer geplanten Handelsblatt-Konferenz: "Unternehmensrisiko Korruption" an das Vorstandsmitglied der Klägerin eine E-Mail mit u.a. folgendem Inhalt:
"Was sagt man dazu? Nach den massiven Korruptionsvorwürfen im Manila-Projekt der Fraport AG ist die Beteiligung ihres Fraport-Vertreters G. als ‚Oberlehrer' in Sachen Korruptionsprävention der Witz des Jahres!!! Eine Steigerung dieser Unverfrorenheit wäre nur dadurch möglich, wenn der Fraport-Vorstand W.B. auch noch als Referent auftreten würde." |
Angehängt war eine E-Mail, in der u.a. ausgeführt wird:
"Mit Überraschung haben wir in der Einladung zur Handelsblatt-Anti-Korruptionskonferenz festgestellt, dass Sie, sehr geehrter Herr G., als leitender Fraport-Vertreter von Ihrem Vorstand dazu abgestellt sind, um über das Thema ‚Korruptionsprävention am Beispiel der Fraport AG' öffentlich zu referieren. Es ist sehr lobenswert, wenn sich der Fraport-Vorstand und der Fraport-Aufsichtsrat endlich dazu entschlossen hat, sich mit den weltweiten Korruptionsvorwürfen an die Adresse der Fraport AG offensiv und öffentlich auseinandersetzen zu wollen: Selbsterkenntnis ist eben doch der beste Weg zur Besserung! Es wäre erfreulich, wenn Sie in Ihrem Vortrag ganz intensiv betonen würden, dass nach den neuen Regeln des Corporate-Governance-Kodex und nach den modernen Methoden der Korruptionsprävention die Vertuschung der Wahrheit und die Täuschung der Aktionäre und der Öffentlichkeit als Todsünden anzusehen sind. Das war einmal: früher galten Vetternwirtschaft, Polit-Kumpanei, Kadavergehorsam, Lügen, Heuchelei und Scheinheiligkeit als die perfekte Korruptionsprävention! Langsam aber sicher verändern sich aber auch hierzulande die Verhältnisse, offensichtlich auch in der Fraport AG." |
Daraufhin nahm die Klägerin die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft auf Unterlassung der Äußerungen in Anspruch.
Entscheidungsgründe
Die Richter entschieden nicht im Sinne der Klägerin. Die Aussagen seien nicht geeignet das Allgemeine Unternehmenspersönlichkeitsrecht zu verletzen.
Bei sämtlichen beanstandeten Aussagen handle es sich um zulässige Meinungsäußerungen, die nicht die Grenze der Schmähkritik überschritten.
Der im Internet veröffentlichte Artikel beschäftigte sich mit dem Fraport-Manila-Skandal und seiner öffentlichen Wahrnehmung in Deutschland. Mit teilweise ironischen Formulierungen werde das Thema Korruption und Politkumpanei besprochen. Zudem werde auf die Vernichtung von 500 Millionen US-Dollar hingewiesen und darüber nachgedacht, wer für den Schaden der Steuerzahler verantwortlich sei. Im gesamten Artikel gehe es also um eine Auseinandersetzung mit einem wirtschaftlichen Vorgang in einem Unternehmen, das teilweise im Staatseigentum stehe und erhebliche Verluste mit dem Manila-Airport-Projekt verloren haben soll. Es stehe daher eindeutig die Auseinandersetzung mit einer Sachfrage und nicht die Diffamierung der Klägerin im Vordergrund.
Unter diesen Umständen handle es sich insgesamt um Äußerungen, die durch die Elemente der Stellungnahme geprägt seien und deshalb in vollem Umfang am Schutz der Meinungsfreiheit teilnähmen. Dies gelte auch für die per E-Mail verbreiteten Ausführungen.
Vor allem Unternehmen wie der Frankfurter Flughafen, an denen öffentliches Eigentum bestehe und der Aufsichtsrat teilweise mit Politikern besetzt sei, bestehe ein besonderes Interesse der Öffentlichkeit, so dass es überspitzte und polemische Kritik hinnehmen müsse.