Nennung eines Pharmaprodukts in einer Werbeanzeige im Rahmen einer gesundheitspolitischen Diskussion zulässig
Leitsatz
1. Die Nennung des Namens eines konkreten Pharmaprodukts in einer ganzseitigen Zeitungsanzeige kann trotz des werbenden Charakters zulässig sein, wenn die Nennung des Produkts im Rahmen einer öffentlich geführten, gesundheitspolitischen Diskussion zwischen Pharmaunternehmen und den Spitzenverbänden der Krankenkassen zum Zwecke der Meinungsbildung notwendig erscheint.
2. Auch bei einer zulässigen Arzneimittel-Werbung müssen jedoch die Vorschriften zu Hinweispflichten über Risiken und Nebenwirkungen beachtet werden.
Sachverhalt
Das beklagte Pharmaunternehmen vertreibt das Arzneimittel "Sortis", welches den LDL-Cholesterinspiegel senkt. Im Jahr 2004 bestimmten die Kassenärztliche Bundesvereinigung sowie die Spitzenverbände der Krankenkassen für sämtliche Arzneimittel mit einer Gruppe von Wirkstoffen zur Senkung des Cholesterinspiegels einen Festbetrag. Das Pharmaunternehmen war nicht einverstanden, dass auch das Mittel "Sortis" unter die Festbetrags-Regelung fallen sollte und kündigte an, es weiter zu selbst festgelegten Preisen zu verkaufen, was zu einer Zuzahlung durch Kassenpatienten führen würde.
Beide Seiten führten über Presseerklärungen eine öffentliche, gesundheitspolitische Diskussion über die Festlegung des Festbetrages. Die Kassen warfen dem Pharmaunternehmen Profitsucht vor. Das Pharmaunternehmen schaltete schließlich eine ganzseitige Zeitungsanzeige mit dem Titel
"Können Kassenpatienten wirklich auf Sortis verzichten?". |
Der Verband Sozialer Wettbewerb hielt die Anzeige für eine unzulässige Heilmittelwerbung und mahnte das Pharmaunternehmen ab. Dabei rügte es zum einen die namentliche Nennung des Arzneimittels, zum anderen die nicht hervorgehobene Aufklärung über Risiken und Nebenwirkungen.
Entscheidungsgründe
Der Bundesgerichtshof hielt die Werbung aufgrund der Bedeutung der Meinungsfreiheit für zulässig.
Zunächst stellte das Gericht fest, dass auch in der als Stellungnahme formulierten Anzeige eine Werbung liege. Dass neben dem werbenden Effekt das Ziel der öffentlichen Diskussion über die Festbetrags-Regelung im Vordergrund gestanden habe, ändere nichts an der Tatsache, dass gerade die Nennung des konkreten Produkts in der Anzeige sowie die Darstellung des Produkts als unverzichtbar geeignet sei, den Absatz des Pharmaunternehmens zu fördern. Damit unterliege die Werbung für das Arzneimittel den Beschränkungen des Heilmittelwerbegesetzes.
Jedoch sei die Werbung im vorliegenden Fall durch die Meinungsfreiheit gedeckt. Davon sei auch die Nennung des Produktnamens umfasst. Im Zuge der öffentlichen Diskussion sei das Mittel auch von Seiten der Krankenkassen-Verbände immer wieder namentlich genannt worden. Eine Stellungnahme des Pharmaunternehmens zu den Vorwürfen habe daher nur unter Nennung des Produkts erfolgen können, anderenfalls wäre es dem Unternehmen nur möglich gewesen, pauschale Äußerungen zu tätigen. Die vorliegende, gesundheitspolitische Diskussion stehe im öffentlichen Interesse, so dass die Meinungsfreiheit vorliegend die vom Heilmittelwerbegesetz geschützten Interessen überwiege.
Recht gab das Gericht dem klagenden Verband allerdings hinsichtlich der Hinweispflichten über Risiken und Nebenwirkungen. Die Aufklärung im Rahmen der Anzeige sei nicht auffällig genug gestaltet gewesen. Ein deutlicher Hinweis sei dem Pharmaunternehmen jedoch zumutbar gewesen, da er den Charakter der Stellungnahme nicht gestört hätte.