Amazon darf Zugriff auf gekaufte digitale Inhalte nicht verwehren
Leitsatz
Amazon darf Kunden den Zugriff auf gekaufte digitale Inhalte nicht verwehren.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen das am 20. 5. 2015 verkündete Urteil der 26. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 26 O 324/14 – teilweise dahingehend abgeändert, dass die Verurteilung zur Ziff. 2 des Tenors (Abmahnkosten) entfällt und die Klage insoweit abgewiesen wird.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Dieses Urteil und das genannte Urteil des Landgerichts in der Form, die es durch vorstehende Abänderung erhalten hat, sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. Die Höhe der Sicherheit beträgt
- hinsichtlich des Unterlassungsgebots 10.000 EUR,
- hinsichtlich der Kosten für den Kläger 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages, für die Beklagte 110 % des aufgrund der Urteile zu vollstreckenden Betrages.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Entscheidungsgründe
(anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen gemäß § 540 Abs. 1 ZPO)
I.
Der als qualifizierte Einrichtung im Sinn von § 4 UKlaG anerkannte Kläger verlangt von der in Luxemburg ansässigen Beklagten, die unter der Internetadresse www.B.de einen Telemediendienst betreibt, die Unterlassung der Verwendung nachfolgender Klausel ihrer Nutzungsbedingungen:
„Wir behalten uns das Recht vor, Ihnen Services auf der Webseite vorzuenthalten, Mitgliedskonten zu schließen oder Inhalte zu entfernen oder zu verändern, wenn Sie gegen anwendbare Gesetze, diese Nutzungsbedingungen oder andere anwendbare Vertragsbedingungen oder Richtlinien verstoßen.“
Über diesen Internetauftritt bietet die Beklagte Verbrauchern durch das Zurverfügungstellen von Kundenkonten die Möglichkeit, Waren und Dienstleistungen der B-Gruppe oder von Dritten zu beziehen. Die Beklagte betreibt die Internetseite seit dem 1. 7. 2014; zuvor war die B EU S. à r. l. Betreiberin.
Bei der Anmeldung für das Nutzerkonto auf der Internetseite der Beklagten, das für die Bestellung von Waren erforderlich ist, muss sich der Verbraucher mit den Allgemeinen Geschäftsbedingungen von B.de, die in Nutzungsbedingungen und Verkaufsbedingungen unterteilt sind (Anlage B1), einverstanden erklären.
Unter Nr. 14 der Nutzungsbedingungen heißt es:
„Es gilt luxemburgisches Recht unter Ausschluss des UN-Kaufrechts (CISG). Es wird die nicht-ausschließliche Gerichtsbarkeit der Gerichte des Bezirks Luxemburg Stadt vereinbart. Die bedeutet, dass Sie Ansprüche im Zusammenhang mit diesen Nutzungsbedingungen, die sich aus verbraucherschützenden Normen ergeben, wahlweise sowohl in Luxemburg als auch in dem EU-Mitgliedsstaat, in dem Sie leben, einreichen können.“
Unter Ziffer 6 der Nutzungsbedingen („Lizenz und Zugang“) heißt es:
„Sie dürfen die B Services nicht missbräuchlich verwenden.“
Ziffer 7 der Nutzungsbedingungen („Ihr Konto“) lautet in den Absätzen 2 und 3:
„Sie dürfen einen B Service nicht verwenden: (i) in einer Weise, die dazu geeignet ist, den B Service oder den Zugang dazu zu unterbrechen, zu beschädigen oder in sonstiger Art zu beeinträchtigen, oder (ii) für betrügerische Zwecke oder in Verbindung mit einer Straftat oder rechtswidrigen Aktivität oder (iii) um Belästigung, Unannehmlichkeiten oder Angst zu verursachen.
Wir behalten uns das Recht vor, Ihnen Services auf der Webseite vorzuenthalten, Mitgliedskonten zu schließen oder Inhalte zu entfernen oder zu verändern, wenn Sie gegen anwendbare Gesetze, diese Nutzungsbedingungen oder andere anwendbare Vertragsbedingungen oder Richtlinien verstoßen.“
Unternehmen der B-Gruppe vertreiben auch den eBook-Reader „L“ und E-Books. Vom Kunden erworbene E-Books oder über den „Lshop“ erworbene digitale Inhalte können in einer von der Beklagten angebotenen Cloud verwaltet werden.
Die B EU S. à r. l., die bis Juni 2014 die Internetseite betrieben hatte, teilte einem Kunden per E-Mail mit, dass aufgrund einer „Überschreitung der haushaltsüblichen Anzahl an Retouren in dem Kundenkonto“ zukünftig leider keine weiteren Bestellungen entgegengenommen würden und das B-Konto mit sofortiger Wirkung geschlossen werde. Sollte in dem Kundenkonto ein L registriert sein, könnten über diesen oder über www.B.de/manageyourL die L-Inhalte abgerufen werden; auf gekaufte MP3 könne weiterhin über den Cloud-Player (http://www.B.de/cloudplayer) zugegriffen werden (Anlage K6).
Der Kläger forderte die B EU S. à r. l. mit Schreiben vom 29. August 2013 (Anlage K7) zur Abgabe einer Unterlassungserklärung bezüglich der hier streitgegenständlichen Klausel auf, da diese den Kunden entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteilige (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB).
Der Kläger hat behauptet, nach Schließung des Kundenkontos seien zwar noch die Cloud-Dienste, in denen der Verbraucher beispielsweise seine erworbenen Hörbücher deponiert habe, zugänglich; das Erwerben neuer Bücher und deren Einstellen in die Cloud sei jedoch nicht mehr möglich. Er hat die Ansicht vertreten, die Klausel verstoße gegen den – in teilweiser Umsetzung von Art. 3 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. 4. 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen – erlassenen Art. L. 211-2 des luxemburgischen Code de la Consommation:
„Art. L. 211-2
(1) Dans les contrats conclus entre un professionnel et un consommateur, toute clause ou toute combinaison de clauses qui entraîne dans le contrat un déséquilibre des droits et obligations au préjudice du consommateur est abusive et, comme telle, réputée nulle et non écrite.
Le caractère abusif d’une clause peut s’apprécier également au regard de celles contenues dans un autre contrat lorsque la conclusion ou l’exécution de ces deux contrats dépendent juridiquement l’un de l’autre.
(2) En cas de doute sur le sens d’une clause, l’interprétation la plus favorable pour le consommateur prévaut. Cette règle d’interprétation n’est pas d’application dans le cadre de l’action en cessation prévue à l’article L. 320-3.”
In der vom Kläger vorgelegten deutschen Übersetzung:
„(1) In zwischen einem Fachmann [richtig „Gewerbetreibender“] und einem Verbraucher geschlossenen Verträgen ist jede Bestimmung oder Kombination von Bestimmungen, die in dem Vertrag ein Ungleichgewicht der Rechte und Pflichten zum Schaden des Verbrauchers schafft, missbräuchlich und gilt als solche als null und nichtig.
Der missbräuchliche Charakter einer Bestimmung kann auch im Hinblick auf in einem anderen Vertrag enthaltene Bestimmungen festgestellt werden, wenn die beiden Verträge, was Abschluss oder Durchführung betrifft, rechtlich wechselseitig voneinander abhängig sind.
(2) Wenn am Sinn einer Bestimmung Zweifel bestehen, gilt die für den Verbraucher günstigere Auslegung. Diese Auslegung findet im Rahmen der in Artikel L. 320-3 behandelten Unterlassungsklage keine Anwendung.“
Die beanstandete Klausel umfasse nach ihrem Wortlaut auch solche Verstöße des Kunden, die sich als Bagatellen darstellen. Eine vorzunehmende umfassende Interessenabwägung entspreche einer grundlegenden Wertung der Rechtsordnung und habe ihren Niederschlag etwa in § 626 BGB gefunden. Eine ausgesprochene Kündigung könne für den Kunden mit erheblichen Nachteilen verbunden sein: Die Teilnahme an einem Handelsplatz mit erheblicher Marktmacht werde eingeschränkt; getätigte Investitionen (Erwerb eines eBook-Readers) ließen sich nicht amortisieren, wenn der Neuerwerb von digitalen Inhalten ausgeschlossen sei; die Kündigung greife auch in die Geschäftsbeziehungen, die der Kunde über den Marktplatz mit Dritten eingegangen sei (Ausschluss des Updates oder Upgrades von digitalen Inhalten), ein. Die Regelung lasse unter Verstoß gegen das Transparenzgebot auch nicht erkennen, unter welchen konkreten Voraussetzungen auf das Recht zur Kündigung zurückgegriffen werden könne. Ferner verstoße die Klausel gegen den Grundsatz, dass einschneidende Maßnahmen wie eine Kündigung regelmäßig zunächst angedroht werden müssten.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen,
1. es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, nachfolgende oder mit diesen inhaltsgleiche Bestimmungen in Verträge über die Nutzung von Services, die über die Internetplattform www.B.de angeboten werden, mit Verbrauchern, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben, einzubeziehen, sowie sich auf die Bestimmungen bei der Abwicklung derartiger Verträge, geschlossen nach dem 1. April 1977, zu berufen:
[7] Wir behalten uns das Recht vor, Ihnen Services auf der Webseite vorzuenthalten, Mitgliedskonten zu schließen oder Inhalte zu entfernen oder zu verändern, wenn Sie gegen anwendbare Gesetze, diese Nutzungsbedingungen oder andere anwendbare Vertragsbedingungen oder Richtlinien verstoßen.
2. an den Kläger 260,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18. 9. 2014 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen;
hilfsweise,
den Rechtsstreit bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs über das Vorabentscheidungsverlangen des Österreichischen Obersten Gerichtshofs vom 9. April 2015, Geschäftszeichen 2 Ob 2014/14k, auszusetzen.
Die Beklagte hat behauptet, die Schließung eines Kundenkontos nehme sie nur in äußerst seltenen Fällen vor, in denen das Verhalten des jeweiligen Kunden in schwerwiegender Weise gegen ihre Nutzungsbedingungen, anwendbare Bestimmungen oder gesetzliche Regelungen verstoße, etwa durch volksverhetzende Diskussionsbeiträge oder Betrugshandlungen. Im Jahr 2013 sei es zu einigen Kontoschließungen bei Kunden gekommen, die ein ganz außergewöhnliches Retourenverhalten an den Tag gelegt hätten und die bestellten Waren nur kostenlos hätten nutzen wollen. Jedenfalls warne sie betroffene Kunden im Regelfall mindestens zweimal und gebe ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme. Relevante Nachteile entstünden den Kunden nicht, da sie nach Schließung des Kontos weiter Zugriff auf erworbene E-Books hätten und über das L-Lesegerät auch neue L-E-Books erwerben könnten. Auch könnten E-Books anderer Anbieter nach Konvertierung des Dateiformates auf das L-Gerät geladen werden.
Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, es finde luxemburgisches Recht Anwendung, so dass dem Kläger der Unterlassungsanspruch nicht zustehe. Aber auch nach deutschem Recht sei die Klausel wirksam, da es sich bei dem Kundenkonto um ein – von ihr jederzeit kündbares – Auftragsverhältnis handele, ohne dass es einer Abmahnung oder einer Klarstellung bedürfe, in welchen Fällen vor Schließung des Kundenkontos eine Abmahnung erfolge oder nicht. Nach dem Grundsatz der Vertragsabschlussfreiheit könne sie entscheiden, ob sie einem Nutzer ein Kundenkonto einrichte oder nicht, so dass sie ein solches Konto auch jederzeit wieder schließen könne. Ein Recht des Kontoinhabers auf Nutzung der einzelnen Leistungen werde durch den Account-Vertrag nicht begründet, ein Entgelt für die Bereitstellung des Kontos erhalte sie nicht, so dass es sich bei dem Account-Vertrag um einen als Auftragsverhältnis anzusehenden Rahmenvertrag ohne Hauptleistungspflichten handele, der jederzeit gekündigt werden könne. Auch aus dem Hausrecht heraus sei sie – wie der Inhaber eines Einkaufszentrums – zur jederzeitigen Sperrung von Kundenkonten (als „virtuelles Hausverbot“) berechtigt.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unterliege der geltend gemachte Unterlassungsanspruch dem deutschen Sachrecht. Daraus folge allerdings nicht, dass sich auch die Wirksamkeit der angegriffenen Bestimmung nach dem deutschen Recht richte; insoweit sei vielmehr auf das luxemburgische Recht abzustellen. Der nach diesem Recht anwendbare Prüfungsmaßstab sei allerdings im Wesentlichen inhaltsgleich mit dem des § 307 Abs. 1 BGB, da nach beiden Bestimmungen eine Klausel unwirksam sei, die den Kunden entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteilige. Die Unwirksamkeit der Klausel ergebe sich daraus, dass für den Kunden nicht erkennbar sei, unter welchen Voraussetzungen die Beklagte sich das Recht vorbehalte, die Geschäftsbeziehungen mit ihm zu beenden. Ferner räume die Klausel der Beklagten nach dem Maßstab der „kundenfeindlichsten Auslegung“ die Möglichkeit ein, dem Kunden nach Kündigung des Kontos auch den Zugriff auf zuvor erworbene Inhalte zu verweigern. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Urteil des Landgerichts verwiesen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung verfolgt die Beklagte weiter das Ziel der Klageabweisung. Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihren erstinstanzlichen Vortrag. Insbesondere rügt sie unrichtige und unvollständige Tatsachenfeststellungen des Landgerichts; so habe das Landgericht ihren Vortrag zu den Voraussetzungen und Folgen einer Kontoschließung nicht berücksichtigt. In der Sache vertritt sie die Ansicht, es sei insgesamt luxemburgisches Sachrecht anwendbar, wie sich aus der Rechtswahl in den AGB von B.de ergäbe. Der Kläger habe aber nichts zu seiner Aktivlegitimation nach luxemburgischem Recht vorgetragen. In der Sache habe das Landgericht den Prüfungsmaßstab nach luxemburgischem Recht nicht ermittelt. In der Bestimmung liege aber auch keine unangemessene Benachteiligung des Kunden. Dabei sei insbesondere zu berücksichtigen, dass die Beklagte ohnehin jederzeit ohne Angabe von Gründen die Geschäftsbeziehungen mit einem Kunden beenden könne. Es liege insbesondere kein Dauerschuldverhältnis vor; der Umstand, dass der Kunde mit der Nutzung seiner Daten durch die Beklagte einverstanden sei, sei nicht geeignet, die Geschäftsbeziehungen mit ihm als ein entgeltliches Geschäft zu qualifizieren, da der Kunde diese Einwilligung jederzeit widerrufen können. Im Übrigen führe die Schließung eines Kundenkontos auch nicht dazu, dass der Kunde bereits erworbene Inhalte nicht mehr nutzen können.
Die Beklagte beantragt,
unter Aufhebung des landgerichtlichen Urteils die Klage abzuweisen,
sowie
den Rechtsstreit bis zur Entscheidung des europäischen Gerichtshofs über das Vorabentscheidungsersuchen des Österreichischen Obersten Gerichtshofs vom 9. April 2015, Geschäftszeichen 2 Ob 2014/14k, auszusetzen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags. Insbesondere trägt er vor, die von der Beklagten vorgenommene Differenzierung zwischen ihren Bedingungen und den anderer Konzerngesellschaften der B-Gruppe sei nicht angezeigt, da sowohl die Nutzungs- als auch die Verkaufsbedingungen auf der von der Beklagten betriebenen Internetseite einheitlich als „unsere AGB“ beziehungsweise „B.de Allgemeine Geschäftsbedingungen“ bezeichnet würden.
In der Sache sei es unerheblich, ob die Wirksamkeit der Bestimmung nach luxemburgischem oder deutschem Recht geprüft werde, da die jeweiligen Bestimmungen der Umsetzung der Richtlinie 93/13/EWG dienen würden. Der Maßstab sei daher identisch. Die Richtlinie erfordere insbesondere, dass die Mitgliedsstaaten angemessene und wirksame Mittel vorsehen müssten, um der Verwendung missbräuchlicher Klauseln ein Ende zu setzen. Aus dieser Bestimmung folge, dass der Grundsatz der kundenfeindlichsten Auslegung auch im Verbandsprozess nach luxemburgischem Recht anzuwenden sei.
Ferner sei es nicht zutreffend, dass die Schließung eines Kontos keine Auswirkungen auf vom Kunden erworbene Inhalte habe, wie aus dem eigenen Internetauftritt der Beklagten folge. Soweit die Beklagte dies erstinstanzlich damit verteidigt habe, die entsprechenden Informationen würden sich nur auf die Kündigung durch den Kunden beziehen, so sei dies nicht nachvollziehbar. Insbesondere sei unklar, wie die Beklagte zwischen Kontoschließungen aus unterschiedlichen Gründen differenzieren könne. Ferner weist der Kläger darauf hin, dass die Beklagte Kunden die Möglichkeit biete, Reklamationen innerhalb von 30 Tagen über ein „Online-Center“ auf ihrer Internetseite abzuwickeln. Da die Nutzung dieses „Online-Centers“ ein Kundenkonto voraussetze, entfalle diese Möglichkeit nach Schließung des Kontos. Entgegen der Ansicht der Beklagten stelle die Nutzung der personenbezogenen Daten des Kunden auch ein Entgelt für die von der Beklagten erbrachten Leistungen dar. Das Landgericht sei auch zutreffend davon ausgegangen, dass die Klausel gegen das Transparenzverbot verstoße. Wenn die Beklagte sich das Recht vorbehalte, ein Konto unter bestimmten Voraussetzungen zu kündigen, so müsse sie diese Voraussetzungen auch transparent regeln.
II.
1. Die – auch im Berufungsverfahren noch zu prüfende, da § 513 Abs. 2 ZPO insoweit nicht gilt (vgl. BGH, NJW 2003, 426 f.) – internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte folgt aus Art. 5 Abs. 3 EuGVVO a. F. (BGHZ 182, 24 = NJW 2009, 3371 Tz. 10). Die Neufassung der EuGVVO ist nicht einschlägig, da das vorliegende Verfahren vor Inkrafttreten der Neufassung eingeleitet worden ist (Art. 66 EuGVVO n. F.). Die Zuständigkeit ergibt sich bereits daraus, dass der Kläger behauptet, die Beklagte verwende im Inland eine von der Rechtsordnung missbilligte AGB (BGH, NJW 2010, 1958 Tz. 10).
2. a) Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass sich der Unterlassungsanspruch des Klägers nach deutschem Sachrecht, insbesondere §§ 1, 2, 4a UKlaG richtet. Dies folgt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs jedenfalls aus Art. 4 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 864/2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom II-VO), nach dem auf außervertragliche Schuldverhältnisse aus unerlaubter Handlung das Recht des Staates anzuwenden sei, in dem der Schaden eingetreten ist (BGHZ 182, 24 = NJW 2009, 3371 Tz. 16 ff.). Danach hat die Klage eines Verbraucherschutzvereins auf Unterlassung der Verwendung missbräuchlicher Klauseln in AGB durch einen Gewerbetreibenden in Verträgen mit Privatpersonen keine vertraglichen Ansprüche, sondern eine unerlaubte Handlung zum Gegenstand. Der Ort des Schadenseintritts ist dabei der Ort, an dem die von der Rechtsordnung missbilligten AGB verwendet worden sind oder wahrscheinlich verwendet werden, an dem also die von der Rechtsordnung geschützten kollektiven Interessen der Verbraucher beeinträchtigt werden. Der Bundesgerichtshof hat es daher offen gelassen, ob die Anwendbarkeit des deutschen Sachrechts auch aus Art. 6 Abs. 1 Rom II-VO folgt, nach dem auf außervertragliche Schuldverhältnisse aus unlauterem Wettbewerbsverhalten das Recht des Staates anzuwenden ist, in dessen Gebiet die kollektiven Interessen der Verbraucher beeinträchtigt worden sind oder wahrscheinlich beeinträchtigt werden, da in dieser Konstellation beide Vorschriften gleichermaßen zur Anwendung deutschen Rechts führen (BGH, a. a. O.).
b) Im Übrigen führt auch die Anwendung luxemburgischen Sachrechts auf den Unterlassungsanspruch nicht zu einem abweichenden Ergebnis. Die Beklagte beruft sich in diesem Zusammenhang allein darauf, der Kläger habe nicht dargelegt, dass er nach luxemburgischem Recht aktivlegitimiert sei. Nach deutschem Recht folgt die Aktivlegitimation des Klägers für den vorliegend geltend gemachten Unterlassungsanspruch aus § 4a UKlaG. Nach dieser Vorschrift kann, wer innergemeinschaftlich gegen Gesetze zum Schutz der Verbraucherinteressen im Sinne des Artikels 3 der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 über die Zusammenarbeit zwischen den für die Durchsetzung der Verbraucherschutzgesetze zuständigen nationalen Behörden verstößt, von den in § 3 Abs. 1 S. 1 UKlaG genannten Stellen in Anspruch genommen werden. Die hier in Rede stehenden Bestimmungen über missbräuchliche AGB beruhen auf der Richtlinie 93/13/EWG über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, die in dem Anhang der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 als ein Gesetz zum Schutz der Verbraucherinteressen im Sinne des Art. 3 dieser Verordnung aufgeführt ist. Der Kläger ist nicht nur in die Liste nach § 4 UKlaG, sondern auch in das Verzeichnis der Kommission der Europäischen Gemeinschaften nach Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 2009/22/EG über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen eingetragen (Mitteilung der Kommission vom 8. November 2013, ABl. C 323/4, celex 52013XC1108(02), dort unter Deutschland, Nr. 75).
Die entsprechenden Bestimmungen des luxemburgischen Rechts (Code de Consommation) lauten auszugsweise:
« Art. L. 313-1.
(1) Le droit d’intenter des actions en cessation en matière de protection des intérêts collectifs des consommateurs est reconnu à toute association:
1. qui a comme objet la protection des intérêts collectifs des consommateurs;
2. qui justifie, à la date de la demande d’agrément, d’une année d’existence à compter de la date de la constitution;
3. qui justifie d’une activité effective et publique en vue de la défense des intérêts collectifs des consommateurs;
4. qui réunit, à la date de la demande d’agrément, un nombre de membres suffisant eu égard au cadre de son activité;
5. qui est valablement constituée conformément à la loi modifiée du 21 avril 1928 sur les associations et les fondations sans but lucratif et qui répond aux exigences de cette loi.
(2) L’agrément des organisations est accordé par décision du Ministre ayant dans ses attributions la protection des consommateurs, qui informe la Commission de l’Union européenne de sa décision si l’organisation agréée en fait la demande.
(3) L’agrément ouvre droit à inscription sur la liste publiée au Journal officiel de l’Union européenne en application de l’article 4, point 3 de la directive 2009/22/CE du Parlement européen et du Conseil relative aux actions en cessation en matière de protection des intérêts des consommateurs.
(…)
Art. L. 313-2.
Les organisations agréées au titre de l’article L. 313-1 et les organisations justifiant d’une inscription sur la liste publiée au Journal officiel de l’Union européenne en application de l’article 4, point 3 de la directive 2009/22/CE du Parlement européen et du Conseil relative aux actions en cessation en matière de protection des intérêts des consommateurs peuvent agir devant la juridiction luxembourgeoise compétente pour faire cesser ou interdire tout agissement illicite au regard des lois qui leur confèrent ce droit. Cette action n’est valablement introduite que pour autant que les intérêts protégés par ces organisations sont lésés et que l’objet social de l’organisation justifie le fait qu’elle intente une action dans une affaire donnée. »
(Quelle: www.legilux.public.lu)
Entscheidend ist, dass nach Art. L. 313-2 Organisationen, die in das Verzeichnis der Kommission der Europäischen Gemeinschaften nach Art. 4 der Richtlinie 2009/22/EG eingetragen sind, auch nach luxemburgischen Recht entsprechend Art. L. 313-1 klagebefugt sind. Diese Voraussetzung trifft – wie dargelegt – auf den Kläger zu, so dass an seiner Klagebefugnis auch nach luxemburgischem Recht kein Zweifel besteht.
3. Nach der bereits mehrfach zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs führt der Umstand, dass der Unterlassungsanspruch deutschem Sachrecht unterliegt, aber nicht dazu, dass auch die Wirksamkeit der beanstandeten AGB nach deutschem Recht zu beurteilen ist. Das insoweit maßgebliche Recht sei vielmehr selbstständig nach dem Vertragsstatut zu bestimmen (BGHZ 182, 24 = NJW 2009, 3371 Tz. 29; krit. Staudinger/Czaplinski, NJW 2009, 3375, 3376).
a) Die Beklagte beruft sich darauf, dass nach ihren AGB die Anwendbarkeit luxemburgischen Rechts vereinbart ist. Dementsprechend haben auch der Kläger und das Landgericht die Klausel am Maßstab des luxemburgischen Rechts gemessen, dabei aber darauf abgestellt, dass das luxemburgische Recht wie auch das deutsche Recht auf der Richtlinie 93/13/EWG über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen beruhe und daher einheitlich mit dem deutschen Recht auszulegen sei. Insoweit rügt die Beklagte, das Landgericht habe das anwendbare Recht ermitteln müssen; insbesondere ist sie der Ansicht, dass der Grundsatz der „kundenfeindlichen Auslegung“ im Verbandsklageprozess nach luxemburgischem Recht nicht gelte.
Allgemein gilt, dass der Inhalt des maßgeblichen ausländischen Rechts gemäß § 293 ZPO von Amts wegen zu ermitteln ist. In welcher Weise sich das Gericht die notwendigen Kenntnisse verschafft, liegt in seinem pflichtgemäßen Ermessen. An die Ermittlungspflicht sind dabei umso höhere Anforderungen zu stellen, je komplexer und je fremder im Vergleich zum deutschen das anzuwendende Recht ist. Bei Anwendung einer dem deutschen Recht verwandten Rechtsordnung und klaren Rechtsnormen sind die Anforderungen geringer. Handelt es sich bei den anwendbaren Vorschriften nicht nur um dem deutschen Recht verwandte und klare Rechtsnormen, sondern sind diese anhand europarechtlicher Vorgaben, wie sie auch bei der Anwendung des deutschen Recht zu beachten wären, auszulegen, kann die erforderliche richtlinienkonforme Auslegung auch ohne eine Einholung eines Sachverständigengutachtens zum ausländischen Recht durchgeführt werden (KG, WRP 2012, 102 = juris Tz. 73). Vor diesem Hintergrund erscheint es grundsätzlich unbedenklich, dass das Landgericht im vorliegenden Fall kein Gutachten zum luxemburgischen Recht eingeholt hat. Auch die Beklagte zeigt keine signifikanten Unterschiede auf. Sie beruft sich im Ergebnis lediglich darauf, dass nach Art. L 211-2 Abs. 2 des Code de Consommation der Grundsatz der kundenfreundlichen Auslegung im Verbandsklageprozess nicht anwendbar sei.
b) Darüber hinaus ist im vorliegenden Fall die Wirksamkeit der Bestimmungen auch am deutschen Recht zu messen. In der zitierten Entscheidung kam der Bundesgerichtshof zur Anwendung ausländischen (lettischen) Rechts, da für den dort zu beurteilenden Luftbeförderungsvertrag nach Art. 28 EGBGB das Recht der Hauptniederlassung der dortigen Beklagten maßgeblich sei (BGHZ 182, 24 = NJW 2009, 3371 Tz. 34 ff.). Art. 34 EGBGB sei nicht einschlägig, da die Vorschriften über die AGB-Kontrolle dem Schutz von Individualbelangen diene und Gemeinwohlinteressen allenfalls reflexartig geschützt seien, was für die Anwendung des Art. 34 EGBGG nicht genüge (a. a. O. Tz. 32).
Der Bundesgerichtshof hat allerdings bereits in dieser Entscheidung darauf hingewiesen, dass die Rechtslage nach der – seinerzeit noch nicht anwendbaren – Verordnung (EG) Nr. 593/2008 vom 17. 6. 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom I”) anders zu beurteilen sei (a. a. O. Tz. 38). Dementsprechend ist im vorliegenden Fall das für die Wirksamkeit der AGB-Bestimmungen maßgebliche Recht grundsätzlich nicht mehr nach Art. 28 EGBGB, sondern nach Art. 6 der Rom I-VO zu bestimmen. Nach Art. 6 Abs. 1 lit. b) dieser Verordnung unterliegt ein Verbrauchervertrag grundsätzlich dem Recht des Staates, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, sofern der Unternehmer seine Tätigkeit auf irgendeine Weise auf diesen Staat ausrichtet und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt. Maßgeblich ist dafür, dass die unternehmerische Tätigkeit willentlich auf (auch) das Aufenthaltsland des Verbrauchers in abstrakter Weise abzielt. Der Gewerbetreibende muss seinen Willen zum Ausdruck gebracht haben, Geschäftsbeziehungen zu Verbrauchern eines oder mehrerer Mitgliedstaaten, darunter des Wohnsitzmitgliedstaats des Verbrauchers, herzustellen (EuGH, NJW 2011, 505 Tz. 75 – Peter Pammer/Reederei Karl Schlüter GmbH & Co. KG und Hotel Alpenhof GesmbH/Oliver Heller). Bei dem Internetauftritt der B-Gruppe, die sich mit der Internetseite „B.de“ ausdrücklich an deutsche Verbraucher wendet, besteht kein Zweifel, dass diese Voraussetzung erfüllt ist (vgl. MünchKomm-BGB/Martiny, 6. Aufl. 2015, Art. 6 Rom-I VO Rn. 36 zur Verwendung der Top-Level-Domain des Wohnsitzstaates des Verbrauchers).
Mithin wäre auf die von der B-Gruppe mit deutschen Verbrauchern geschlossenen Verträge grundsätzlich deutsches Recht anwendbar. Allerdings sieht Art. 6 Abs. 2 S. 1 Rom I-VO ausdrücklich die Möglichkeit vor, dass die Parteien das anzuwendende Recht nach Art. 3 Rom I-VO wählen. Diese Rechtswahl darf jedoch nicht dazu führen, dass dem Verbraucher der Schutz entzogen wird, der ihm durch diejenigen Bestimmungen gewährt wird, von den nach dem Recht, das nach Art. 6 Abs. 1 Rom 1-VO mangels einer Rechtswahl anzuwenden wäre, nicht durch Vereinbarung abgewichen werden darf (Art. 6 Abs. 2 S. 2 Rom I-VO). Dies führt dazu, dass die jeweils für den Verbraucher günstigste konkrete Norm anwendbar ist; es darf kein für den Verbraucher ungünstigeres Ergebnis erzielt werden als nach seinem Aufenthaltsrecht (MünchKomm-BGB/Martiny, 6. Aufl. 2015, Art. 6 Rom I-VO Rn. 51; Palandt/Thorn, BGB, 75. Aufl. 2015, Art. 6 Rom I-VO Rn. 8: „Rosinentheorie“).
Unterstellt, eine Rechtswahl in AGB eines Verbrauchervertrags sei zulässig, so wäre grundsätzlich auch die Vereinbarung der Anwendbarkeit luxemburgischen Rechts, wie sie die AGB der B-Gruppe vorsieht, möglich. Sie darf allerdings nicht dazu führen, dass dem Verbraucher der durch die §§ 307 ff. BGB – naturgemäß zwingend – gewährte Schutz versagt wird. Daher sind auf Verbraucherverträge, die Verbraucher mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland mit einem in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Internetversandunternehmen geschlossen haben, sowohl nach dem früheren Recht als auch nach dem geltenden Recht die §§ 305 ff. BGB anzuwenden (BGH, GRUR 2013, 421 Tz. 33 – Pharmazeutische Beratung über Call-Center). Eine Bestimmung in den AGB der Beklagten, soweit sie gegen deutsche Vorschriften verstößt, ist daher auch bei grundsätzlicher Anwendbarkeit luxemburgischen Rechts unwirksam.
4. a) In der Sache hat das Landgericht die Klausel unter zwei Gesichtspunkten für unwirksam gehalten: Erstens sei unklar, unter welchen Bedingungen der Beklagten ein Kündigungsrecht zustehen solle. Selbst wenn sie grundsätzlich berechtigt sei, die Geschäftsbeziehung zu dem Kunden jederzeit zu kündigen, so habe sie sich in den AGB jedoch dahingehend selber gebunden, dass sie dieses Kündigungsrecht nur unter bestimmten Bedingungen ausüben werde. Diese Bedingung habe sie jedoch nicht transparent geregelt. Zweitens ermögliche es die beanstandete Klausel ihrem Wortlaut nach, dem Kunden auch die Nutzung bereits erworbener Inhalte nach der Schließung des Kontos vorzuenthalten. Nach dem Grundsatz der kundenfeindlichsten Auslegung komme es nur darauf an, dass der Wortlaut der Bestimmung der Beklagten dieses Recht gewähren würde. Ob sie davon tatsächlich Gebrauch mache, sei unerheblich.
Hiergegen wendet sich die Beklagte im Kern mit der Begründung, wenn sie die Geschäftsbeziehung zum Kunden jederzeit beenden könne, sei es unerheblich, wenn sie die Voraussetzungen, unter denen sie dies tatsächlich zu tun gedenke, nur unvollständig regele, was im Übrigen auch nicht der Fall sei. Dabei wendet sich die Beklagte auch gegen die Annahme, in der Geschäftsbeziehung werde ein Dauerschuldverhältnis begründet. Vielmehr stelle sie dem Kunden das Kundenkonto unentgeltlich zur Verfügung, ohne dass daraus Rechtspflichten resultieren würden. Aber selbst wenn ein Dauerschuldverhältnis vorliegen würde, sei dieses nach allgemeinen Regeln jederzeit kündbar. Hinsichtlich der Beanstandung, die Klausel eröffne die Möglichkeit, Kunden durch Schließung des Kontos den Zugriff auf erworbene Inhalte zu versagen, trägt die Beklagte vor, dies sei tatsächlich nicht der Fall. Der Grundsatz der „kundenfeindlichsten Auslegung“, den das Landgericht insoweit angewendet habe, sei bei der abstrakten Prüfung der Klausel nach luxemburgischem Recht gerade nicht anwendbar.
b) Ob die streitgegenständliche Bestimmung allein wegen fehlender Transparenz unwirksam ist, ist zweifelhaft, bedarf aber keiner abschließenden Entscheidung.
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs kann das in der Richtlinie 93/13 aufgestellte Erfordernis der Transparenz von Vertragsklauseln nicht auf deren bloße Verständlichkeit in formeller und grammatikalischer Hinsicht beschränkt werden. Vielmehr muss das Transparenzerfordernis, da das durch die Richtlinie 93/13 eingeführte Schutzsystem auf dem Gedanken beruht, dass der Verbraucher gegenüber dem Gewerbetreibenden unter anderem einen geringeren Informationsstand besitzt, umfassend verstanden werden (EuGH, NJW 2015, 1811 Tz. 40 – Van Hove/CNP Assurances SA). Vor diesem Hintergrund kann auch eine inhaltlich nicht zu beanstandende Klausel wegen Intransparenz unwirksam sein (MünchKomm-BGB/Wurmnest, 7. Aufl. 2016, § 307 Rn. 56).
Fraglich ist aber, ob eine intransparente Bestimmung, durch die dem Verbraucher nur Vorteile eingeräumt werden, ebenfalls unzulässig ist. Nach Wurmnest bleiben vorformulierte Vertragsbestimmungen, die die rechtliche Stellung des Kunden gegenüber dem dispositiven Recht verbessern, jedoch unklar sind, wirksam (MünchKomm-BGB/Wurmnest, 7. Aufl. 2016, § 307 Rn. 56). Nach anderer Ansicht soll dies nur im Individual-, nicht aber im Verbandsklageprozess gelten (Pfeiffer, in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, 6. Aufl. 2013, § 307 Rn. 250). Der Bundesgerichtshof hat einmal eine Herstellergarantie, durch die dem Verbraucher gegenüber der gesetzlichen Gewährleistung zusätzliche Rechte eingeräumt wurden, wegen Unklarheiten für unwirksam gehalten (BGHZ 104, 82 = NJW 1988, 1726, 1727). Maßgeblich war dabei, dass der Verbraucher durch die unklaren Formulierungen davon abgehalten werden konnte, seine gesetzlichen Ansprüche gegen den Verkäufer geltend zu machen (BGH, a. a. O.). Ergänzend wird in Erwägung gezogen, dass solche intransparenten Bestimmungen auch dann unwirksam sind, wenn in der betreffenden Branche vergleichbare Regelungen üblich sind (Wolf, JZ 1988, 719), da dem Kunden dann ein Vergleich mit Konkurrenzangeboten erschwert wird. Abgesehen davon sollen vorformulierte Vertragsbestimmungen, die die rechtliche Stellung des Kunden gegenüber dem dispositiven Recht verbessern, jedoch unklar sind, nicht an § 307 BGB scheitern (Graf v. Westphalen, NJW 2002, 12, 17; MünchKomm-BGB/Wurmnest, 7. Aufl. 2016, § 307 Rn. 56).
Auf diesen Grundsatz könnte sich die Beklagte allerdings nur dann berufen, wenn ihre Ansicht zuträfe, dass sie auch nach dispositivem Recht die Geschäftsbeziehung (von ihr als „Account-Vertrag“ bezeichnet) zu dem Kunden jederzeit, auch ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist, beenden kann. Ob dies der Fall ist, bedarf für den vorliegenden Rechtsstreit keiner Entscheidung, da die Klausel bereits unter dem zweiten vom Landgericht herangezogenen Gesichtspunkt unwirksam ist.
c) Danach ist die Klausel unwirksam, weil sie der Beklagten die Möglichkeit einräumt, auch den Zugriff auf vom Kunden erworbene Inhalte zu sperren.
aa) Das Landgericht hat dabei den deutschen Grundsatz der „kundenfeindlichsten Auslegung“ herangezogen und ist damit (unausgesprochen) davon ausgegangen, dieser beruhe auf dem Gemeinschaftsrecht und sei daher auch bei der Auslegung des von ihm angewendeten luxemburgischen Rechts maßgeblich, wie es der Kläger ausdrücklich vertritt.
Dass bei kundenfeindlichster Auslegung die Reglung „Wir behalten uns das Recht vor, Ihnen Services auf der Webseite vorzuenthalten, Mitgliedskonten zu schließen oder Inhalte zu entfernen oder zu verändern“ B das Recht einräumt, Inhalte von seinen Servern – eventuell sogar von Geräten des Kunden – zu löschen, bedarf keiner näheren Begründung und wird auch von der Beklagten nicht in Zweifel gezogen. Zu denken ist dabei nicht nur an elektronische Bücher („eBooks“) für das Lesegerät „L“, sondern auch an MP3-Dateien, die im „B Cloud Player“ gespeichert sind (vgl. die Ausführungen in der E-Mail Anlage K6). Dass die Beklagte dies in dem konkreten Fall, der Anlass zum Einschreiten des Klägers war, nicht getan hat, ist unerheblich, wenn ihr die Bestimmung nur diese Möglichkeit einräumt. Dass auch die Beklagte selber davon ausgeht, dass die Schließung eines Kundenkontos mit dem Verlust der Zugriffsmöglichkeit auf bei ihr gespeicherte Inhalte verbunden sein kann, zeigt ihre Praxis bei vom Kunden ausgesprochenen Kündigungen. Nach dem eigenen Internetauftritt der Beklagten hat der Kunde in diesem Fall (wobei streitig ist, ob dies tatsächlich nur bei vom Kunden ausgesprochenen Kündigungen der Fall ist) keinen Zugriff mehr unter anderem auf „digitale Inhalte im Zusammenhang mit der B Cloud und dem Cloud Player“ (Anlage K9). Bei Anwendung deutschen Rechts verstößt die Klausel daher gegen § 307 Abs. 1 S. 1 BGB.
bb) Der Einwand der Beklagten, der Grundsatz der „kundenfeindlichen Auslegung“ sei eine Besonderheit des deutschen Rechts, dürfte allerdings zutreffen. Art. L. 211-2 des Code de Consommation hat Art. 5 S. 2 und 3 der Richtlinie 93/13/EWG unverändert übernommen:
„…2Bei Zweifeln über die Bedeutung einer Klausel gilt die für den Verbraucher günstigste Auslegung. 3Diese Auslegungsregel gilt nicht im Rahmen der in Artikel 7 Absatz 2 vorgesehenen Verfahren.“
Aus dieser Formulierung ist zwar im Umkehrschluss entnommen worden, im Verbandsklageverfahren im Sinn des Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie gelte dann auch nach europäischem Recht der Grundsatz der kundenfeindlichsten Auslegung. Das dürfte aber nicht zutreffen, das deutsche Recht geht insoweit – zulässigerweise – über die Richtlinie hinaus (Pfeiffer, in: Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, 40. Aufl. 2009, Art. 5 RL 93/13/EWG Rn. 51 m. w. N.).
Tatsächlich fordert das Gemeinschaftsrecht bei Verbandsklagen gegen missbräuchliche Vertragsbestimmungen deren Auslegung nach einem objektiven Maßstab, wie der Europäische Gerichtshof entschieden hat:
„Die in Artikel 5 der Richtlinie hinsichtlich der anwendbaren Auslegungsregel getroffene Unterscheidung zwischen Klagen einzelner Verbraucher und Unterlassungsklagen von Personen oder Organisationen, die die Verbraucherinteressen vertreten, erklärt sich aus den unterschiedlichen Zielen dieser Klagen. Im ersten Fall obliegt es den Gerichten oder den zuständigen Einrichtungen, eine konkrete Würdigung des missbräuchlichen Charakters einer Klausel vorzunehmen, die in einem bereits geschlossenen Vertrag enthalten ist, während sie im zweiten Fall eine abstrakte Würdigung des missbräuchlichen Charakters einer Klausel vornehmen, die in noch nicht geschlossenen Verträgen Verwendung finden kann. Im ersten Fall kommt dem persönlich betroffenen Verbraucher eine ihm vorteilhafte Auslegung unmittelbar zugute. Im zweiten Fall darf die Klausel dagegen, um für die Gesamtheit der Verbraucher das günstigste Ergebnis zu erreichen, nicht im Zweifel als für sie vorteilhaft ausgelegt werden. Eine objektive Auslegung ermöglicht es nämlich in einer höheren Zahl von Fällen, die Verwendung einer unklaren oder zweideutigen Klausel zu verbieten, was einen weiter gehenden Verbraucherschutz zur Folge hat“
(EuGH, Urt. v. 9. 9. 2004 – C-70/03 – Slg. I 2004, 8012 = juris Tz. 16).
Der EuGH hat daher in dieser Entscheidung eine Bestimmung des spanischen Rechts, das eine solche Auslegung einer Vertragsbestimmung nach objektiven Maßstäben im Verbandsklageprozess nicht vorsah, für unvereinbar mit der Richtlinie 93/13/EWG erachtet. Dieser Maßstab ist somit auch für das luxemburgische Recht zugrundezulegen.
Die beanstandete Bestimmung erlaubt auch bei objektiver Auslegung der Beklagten, „Inhalte“ wie elektronische Bücher und MP3-Dateien zu entfernen, also zu löschen. Ernsthaft diskutabel ist lediglich, ob sich dies nur auf solche Inhalte bezieht, die auf der Internetseite von „B“ gespeichert sind, oder auch auf solche, die auf Geräten des Kunden abgelegt sind. Dies bedarf aber keiner Entscheidung; auch die Möglichkeit des Löschens von Inhalten, an denen der Kunde ein Nutzungsrecht erworben hat, von der Internetseite (oder die Beendigung des Zugangsrechts des Kunden zu diesen Inhalten) führt zur Unwirksamkeit der Bestimmung. Soweit die Beklagte ausführt, die Bestimmung eröffne ihr nur die Möglichkeit, Kunden künftig vom Erwerb bestimmter Inhalte auszuschließen, lässt sich eine solche Einschränkung der Formulierung „Services auf der Webseite vorzuenthalten, Mitgliedskonten zu schließen oder Inhalte zu entfernen oder zu verändern, wenn Sie gegen anwendbare Gesetze, diese Nutzungsbedingungen oder andere anwendbare Vertragsbedingungen oder Richtlinien verstoßen“ nicht entnehmen. Die Bestimmung ist sprachlich ohne Weiteres dahingehend zu verstehen, dass damit auch vom Kunden bereits erworbene Inhalte entfernt werden können.
Die Möglichkeit, entgeltlich erworbene Nutzungsrechte jederzeit wieder entziehen zu können, stellt per se eine unangemessene Benachteiligung des Kunden dar. Der Umstand, dass nach den Vertragsbedingungen die Kontoschließung oder das Recht, Inhalte zu entfernen, nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich sein soll, führt nicht zur Wirksamkeit der Bestimmung. In diesem Zusammenhang kann auf die Ausführungen des Landgerichts zur Intransparenz der Klausel verwiesen werden, wobei das Gebot der Transparenz ebenfalls auf europarechtlicher Grundlage beruht (vgl. EuGH, NJW 2015, 1811 Tz. 40 – Van Hove/CNP Assurances SA) und daher bei der Anwendung luxemburgischen Rechts zu berücksichtigen ist. Für den Verbraucher ist letztlich unklar, unter welchen Voraussetzungen „B“ die Vertragsbeziehung mit ihm beenden oder einzelne Inhalte entfernen kann. Dies folgt, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, bereits daraus, dass als Voraussetzung für diese Maßnahmen ein Verstoß gegen „diese Nutzungsbedingungen oder andere anwendbaren Vertragsbedingungen oder Richtlinien“ genannt wird, wobei völlig unklar ist, welche Vertragsbedingungen und Richtlinien gemeint sind. Erschwerend tritt hinzu, dass sich unter Nr. 15 der Nutzungsbedingungen „B“ vorbehält, „Änderungen an B Services, Regelwerken, Bedingungen einschließlich dieser Nutzungsbedingungen und der Servicebedingungen jederzeit vorzunehmen“. Damit ist für den Kunden bei Vertragsschluss nicht absehbar, unter welchen Bedingungen „B“ sein Konto schließt und/oder einzelne, entgeltlich erworbene Inhalte entfernt. Daher ist die Klausel auch nach Art. L. 211-2 Abs. 2 des luxemburgischen Code de Consommation unwirksam.
cc) Unter welchen Voraussetzungen die Beklagte tatsächlich Kontenschließungen vornimmt, ist im Hinblick auf die gebotene kundenfeindlichste beziehungsweise objektive Auslegung unerheblich.
5. a) Die Beklagte ist auch passivlegitimiert. Unstreitig ist die streitgegenständliche Bestimmung Teil der vorformulierten Vertragsbedingungen, die sich auf der von der Beklagten betriebenen Internetseite „B.de“ befinden. Die Beklagte „verwendet“ daher die AGB. Verwender ist bereits, wer gegenüber Dritten erklärt, dass für bestimmte Verträge bestimmte AGB gelten sollen. Unerheblich ist, ob es bereits zu einem Vertragsschluss gekommen ist und ob die AGB wirksam einbezogen worden sind (Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl. 2015, § 1 UKlaG Rn. 8).
b) Schließlich besteht Wiederholungsgefahr. Der Kläger beruft sich zwar in der Klageschrift zur Begründung der Wiederholungsgefahr auf den Bl. 5 d. A. geschilderten Vorfall, bei dem „die Beklagte“ ein Kundenkonto geschlossen habe. Unstreitig stammte die betreffende E-Mail (Anlage K6) jedoch nicht von der Beklagten, sondern von der B EU S. à r. l., die seinerzeit für den Betrieb der Seite verantwortlich war. Für den Fall einer Rechtsnachfolge infolge einer Unternehmensverschmelzung hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, dass Wettbewerbsverstöße, die Mitarbeiter im Unternehmen unter der Verantwortung eines früheren Rechtsinhabers begangen haben, nicht ohne Weiteres dem neuen Inhaber zurechnen sind. Für den Unterlassungsanspruch genügt es nicht, dass es früher im Unternehmen von Mitarbeitern oder Beauftragten zu einem Wettbewerbsverstoß gekommen ist und in ihrer Person noch Wiederholungsgefahr besteht. Vielmehr muss, um eine Haftung des neuen Unternehmensinhabers zu begründen, in der Person der betreffenden Mitarbeiter oder Beauftragten Erstbegehungsgefahr bestehen. Die bloße Tatsache des Unternehmensübergangs und der Fortführung des Betriebs selbst mit identischem Personal reicht dafür nicht aus. Diese im Wettbewerbs- und Markenrecht entwickelten Grundsätze sind auf den Unterlassungsanspruch aus § 1 UKlaG entsprechend zu übertragen (BGHZ 196, 11 = NJW 2013, 593 Tz. 15 f.). Dementsprechend kann ein Verhalten der B EU S. à r. l. nicht ohne Weiteres eine Wiederholungsgefahr seitens der Beklagten begründen.
Andererseits ist eine die Wiederholungsgefahr begründende „Verwendung“ der Bestimmung durch die Beklagte, wie erwähnt, unproblematisch gegeben. Dies gilt auch für den Antrag, der Beklagten zu untersagen, sich bei der Abwicklung von Verträgen auf die Bestimmung „zu berufen“. Das „Verwenden“ von AGB begründet eine tatsächliche Vermutung der Wiederholungsgefahr (BGHZ 196, 11 = NJW 2013, 393 Tz. 11; Köhler, in Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl. 2015, § 1 UKlaG Rn. 10), und zwar auch hinsichtlich des Sich-Berufens.
6. Ein Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten durch die Beklagte besteht dagegen nicht. Abgemahnt worden ist die B EU S. à r. l., nicht die Beklagte. Eine Abmahnung gegenüber der Beklagten ist nicht ersichtlich.
7. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Für die Zulassung der Revision besteht kein Anlass. Der Senat weicht mit seiner Entscheidung weder von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs ab noch hat die Sache über die Rechtsanwendung über den Einzelfall hinaus grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 ZPO). Die maßgeblichen Rechtsfragen sind in der obergerichtlichen Rechtsprechung außer Streit. Im Übrigen beruht die Entscheidung auf einer Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalles.
Eine Aussetzung des Verfahrens im Hinblick auf das Vorlageverfahren des ÖstOGH (GRUR Int. 2015, 722) ist nicht erforderlich, da insbesondere die Frage, ob und in welchem Umfang luxemburgisches Recht anwendbar ist, nicht entscheidungserheblich ist. Auch wenn sich der Unterlassungsanspruch sowie die Wirksamkeit der Bestimmung nach luxemburgischem Recht, der einzigen neben der deutschen in Betracht kommenden Rechtsordnung, richten würden, hätte die Klage im zuerkannten Umfang Erfolg.