Wettbewerbsverband muss außergerichtlich nicht Mitgliedernamen offenlegen
Leitsatz
Wettbewerbsverband muss außergerichtlich nicht Mitgliedernamen offenlegen
Tenor
In dem Rechtsstreit (...) hat der 1. Zivilsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts durch (...) als originären Einzelrichter am 6. Juni 2017 beschlossen:
1. Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen die Kostenentscheidung in dem am 4.5.2017 durch Zustellung an seine Prozessbevollmächtigte verkündeten Anerkenntnisurteil des Landgerichts Saarbrücken – Az.: 7 O 47/16 – wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen dem Beklagten zur Last.
3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
4. Den Parteien wird Gelegenheit gegeben, binnen 1 Woche zum Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens vorzutragen.
Entscheidungsgründe
I.
Durch das im Beschlusstenor näher bezeichnete Anerkenntnisurteil hat das Landgericht den Beklagten auf sein Anerkenntnis hin ordnungsmittelbewehrt zur Unterlassung von Angeboten im Fernabsatz betreffend Kraftfahrzeugzubehör gegenüber Endverbrauchern verurteilt, die der Kläger wegen Verletzung gesetzlicher Belehrungs- und Informationspflichten als wettbewerbswidrig beanstandet hat.
Das Landgericht hat den Beklagten mit der Begründung zur Tragung der Kosten des Rechtsstreits verurteilt, dass die Voraussetzungen eines sofortigen Anerkenntnisses im Sinne von § 93 ZPO entgegen dessen Auffassung nicht vorliegen, weil er den Klageanspruch nach Erhalt der zunächst fehlenden nicht anonymisierten Mitgliederliste jedenfalls nicht „sofort“ anerkannt habe.
Gegen die Kostenentscheidung in dem ihm am 4.5.2017 zugestellten Urteil hat der Beklagte mit Telefaxschreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 15.5.2017, bei Gericht eingegangen am gleichen Tag, sofortige Beschwerde eingelegt und eine Abänderung der Kostenentscheidung dahin beantragt, dass die Kosten des Rechtsstreits in Anwendung des § 93 ZPO dem Kläger auferlegt werden. Bis zur Vorlage des nicht anonymisierten Mitgliederverzeichnisses des Klägers sei unklar gewesen, ob dieser nach § 8 Abs.3 Nr.2 UWG prozessführungsbefugt und aktivlegitimiert gewesen sei. Nach Erhalt der Mitgliederliste sei der Klageanspruch in dem nachfolgenden Prozessschriftsatz anerkannt worden. Dass zwischen dem Erhalt des Mitgliederverzeichnisses und dem Anerkenntnis ein Zeitraum von zwei Monaten liege, sei ebenso unschädlich wie die Tatsache, dass der Beklagte zuvor Klageabweisung beantragt habe und der Klage auch mit materiell-rechtlichen Einwendungen entgegengetreten sei.
Der Kläger verteidigt die angefochtene Kostentscheidung.
Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache mit Beschluss vom 22.5.2015 dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. In dem Beschwerdeverfahren wurde den Parteien Gelegenheit zu ergänzender Stellungnahme gegeben.
II. Die sofortige Beschwerde des Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet.
1. Die isolierte Anfechtung einer durch Urteil getroffenen Kostenentscheidung mit der sofortigen Beschwerde ist nach § 99 Abs.2 S.1 ZPO statthaft, wenn die Hauptsache, wie hier, durch eine auf Grund Anerkenntnisses ausgesprochene Verurteilung erledigt wird. Der Streitwert in der Hauptsache übersteigt den in § 511 ZPO genannten Betrag. Da die Form des § 569 ZPO und die Notfrist von 2 Wochen, die durch die am 4.5.2017 erfolgte Zustellung des Urteils in Gang gesetzt wurde, gewahrt sind, ist die sofortige Beschwerde zulässig.
2. In der Sache bleibt das Rechtsmittel jedoch erfolglos. Das Landgericht hat dem Beklagten zu Recht nach § 91 Abs.1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.
Voraussetzung für eine der beklagten Partei günstige Kostenentscheidung nach § 93 ZPO ist zum einen, dass diese durch ihr Verhalten keine Veranlassung zur Erhebung der Klage gegeben hat und dass sie darüber hinaus den Klageanspruch sofort anerkannt hat. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor.
a. Veranlassung zur Anrufung des Gerichts hat ein Beklagter gegeben, wenn sein Verhalten vor Prozessbeginn ohne Rücksicht auf ein mögliches Verschulden so war, dass der Kläger annehmen musste, er werde ohne Klage nicht zu seinem Recht kommen (einhellige Auffassung; BGH NJW-RR 2005, 1005 und Zöller-Herget, ZPO, 31. Aufl. Rn. 3 zu § 93 mwN).
In Wettbewerbsstreitigkeiten hat eine beklagte Partei regelmäßig Anlass zur Klageerhebung gegeben, wenn sie auf eine berechtigte Abmahnung des Klägers hin keine vertragsstrafebewehrte Unterlassungserklärung abgibt. Auf die schriftliche Abmahnung des Klägers vom 1.9.2016 hat der Beklagte weder in der zunächst gesetzten, noch in der mit Anwaltsschreiben vom 9.9.2016 bis 23.9.2016 verlängerten Frist die vom Kläger geforderte vertragsstrafebewehrte Unterlassungserklärung abgegeben und auf der vorherigen Überlassung einer aktuellen, nicht anonymisierten Mitgliederliste bestanden.
Da der Beklagte vorgerichtlich keinen Anspruch auf Überlassung einer anonymisierten Mitgliederliste hatte, hat er Veranlassung zur Klageerhebung gegeben. Der Bundesgerichtshof hat in einem Urteil vom 18.10.1995 – Az. I ZR 126/93 – die Notwendigkeit zur Vorlage einer anonymisierten Mitgliederliste zum Nachweis der Prozessführungsbefugnis und Aktivlegitimation für das Klageverfahren bejaht. Daraus folgt aber nicht, dass ein klagender Verband, dessen wettbewerbsrechtliche Anspruchsberechtigung, wie die des Klägers, nicht weithin geläufig ist, bei vom Anspruchsgegner geäußerten Zweifeln bereits vorgerichtlich über die im Abmahnschreiben vom 1.9.2016 auf den Seiten 1 und 2 gemachten Angaben zu den in § 8 Abs.3 Nr.2 UWG bezeichneten Anforderungen hinaus auf dessen Verlangen eine nicht anonymisierte Mitgliederliste vorlegen muss. Im Rahmen der vorgerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen ist der Anspruchsteller nicht verpflichtet, dem Anspruchsgegner sämtliche Anspruchsvoraussetzungen in einer Weise zu belegen, wie das in einem späteren Klageverfahren gegebenenfalls erforderlich wird.
Veranlassung zur Klageerhebung hat der Anspruchsgegner vielmehr schon dann gegeben, wenn ihm die zur Prüfung des Anspruchs erforderlichen Tatsachen schlüssig dargelegt werden. Stellt sich in einem späteren Rechtsstreit heraus, dass von ihm bezweifelte Anspruchsvoraussetzungen objektiv vorliegen, fällt das in seine Risikosphäre. Die Klägerin musste dem Beklagten daher nicht schon vorgerichtlich eine anonymisierte Mitgliederliste zur Verfügung stellen (wie hier auch OLG Hamm, Beschl. vom 23.2.2017 – Az. I-4 W 1902/16 – ).
b. Selbst wenn man das anders sähe, hätte der Beklagte den Klageanspruch auch nicht „sofort“ anerkannt. Zwar steht eine im schriftlichen Verfahren erklärte Verteidigungsanzeige einem sofortigen Anerkenntnis nicht entgegen (BGH NJW 2007, 233). Ob dies auch dann gilt, wenn mit der Verteidigungsanzeige – wie hier – ein Sachantrag auf Klageabweisung gestellt wird, ob ein noch innerhalb der Klageerwiderungsfrist erklärtes Anerkenntnis ein sofortiges ist und ob § 93 ZPO auch anwendbar ist, wenn in der Klageerwiderung nicht nur das Fehlen der Aktivlegitimation, sondern, wie hier auf den Seiten 5 bis 7 geschehen, auch materiellrechtliche Einwendungen gegen den Klageanspruch geltend gemacht werden, kann dahinstehen.
Denn solange es an einer schlüssigen Klage fehlt, kann die beklagte Partei nach Behebung dieses Mangels noch „sofort“ anerkennen (BGH NJW-RR 2004, 999 mwN). Nach Erhalt der mit Schriftsatz vom 6.1.2017 überreichten aktuellen nicht anonymisierten Mitgliederliste des Klägers war der letzte Grund entfallen, der einem Anerkenntnis des Klageanspruchs durch den Beklagten im Klageverfahren entgegenstand. Obwohl das Landgericht auf den 23.3.2017 Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt hatte, haben der Beklagte und seine Prozessbevollmächtigte nach Erhalt der Mitgliederliste noch ca. 2 Monate zugewartet, bevor sie den Klageanspruch mit Telefaxschreiben vom 7.3.2013 unter Verwahrung gegen die Kostenlast anerkannt haben.
Dieses Anerkenntnis war kein „sofortiges“ mehr. Entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten reicht es für ein Anerkenntnis mit der Kostenfolge des § 93 ZPO nicht
schon aus, dass es in dem nächsten bei Gericht eingereichten Schriftsatz erklärt wird, unabhängig davon, wann dieser eingeht. Die beklagte Partei kann sich mit einem Anerkenntnis, wenn es die ihr günstige Kostenfolge des § 93 ZPO haben soll, nach dem Sinn der Vorschrift nicht beliebig lange Zeit lassen. Aus der zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 3.3.2004 – Az. IV ZB 21/03 -(veröffentlicht in NJW-RR 2004, 999) ergibt sich nicht, dass ein Anerkenntnis immer dann ein sofortiges ist, wenn es im nächsten Schriftsatz erklärt wird. Da in dem entschiedenen Fall zwischen dem Erhalt der zur Schlüssigkeit der Klage fehlenden Angabe zur Fälligkeit der Klageforderung und dem Anerkenntnis nur 12 Tage lagen, waren nähere Ausführungen dazu, ob das im nächsten Schriftsatz erkläre Anerkenntnis ein „sofortiges“ war, entbehrlich.
Ein sofortiges Anerkenntnis liegt - nach zunächst fehlender schlüssiger Darlegung der Klageforderung - nur vor, wenn es in einem Zeitraum erklärt wird, in dem unter Beachtung der Prozessförderungspflicht mit einer Reaktion auf die Behebung der Schlüssigkeitsdefizite zu rechnen war. Der angemessene Reaktionszeitraum lässt sich nicht schematisch festlegen. Hierbei spielen der bisherige Verfahrensgang, insbesondere auch Art und Umfang der zuvor bestehenden Schlüssigkeitsdefizite und hiermit zusammenhängend der Aufwand und die Schwierigkeit der von der beklagten Partei nach Erhalt der für die Schlüssigkeit der Klage fehlenden Angaben (noch) vorzunehmenden Prüfung eine Rolle.
Bei Anlegung dieses Maßstabes war der Zeitraum, in dem im Streitfall mit einer Reaktion auf den Erhalt der nicht anonymisierten Mitgliederliste zu rechnen war, mit 2 Monaten deutlich überschritten.
Denn der Vortrag des Klägers in der Klageschrift zu seiner Aktivlegitimation war mit 11 Seiten äußerst umfangreich. Der Klageschrift waren auch Unterlagen beigefügt, die die Angaben belegten. Zudem war eine anonymisierte Mitgliederliste beigefügt. Auch die materiellen Anspruchsvoraussetzungen waren tatsächlich wie rechtlich schlüssig dargelegt, so dass allein die auf einen gerichtlichen Hinweis umgehend nachgereichte nicht anonymisierte Mitgliederliste noch der Prüfung bedurfte. Hiernach durfte mit einer Reaktion des Beklagten in 2 bis 3 Wochen gerechnet werden. 2 Monate sind für die Annahme eines „sofortigen“ Anerkenntnisses zu lang.
Ohne Erfolg meint der Beklagte aus einer Beschlussentscheidung des OLG Koblenz vom 8.6.2005 – Az. 6 W 275/05 – herleiten zu können, dass die Voraussetzungen des § 93 ZPO gleichwohl vorliegen sollen.
In dem vom OLG Koblenz entschiedenen Fall wurde, nachdem die Klageforderung mit Schriftsatz vom 13.12.2014 überhaupt erst schlüssig dargelegt wurde, ein im nachfolgenden Schriftsatz vom 27.1.2005 erklärtes Anerkenntnis noch als „sofortig“ angesehen.
Selbst wenn man dem folgen würde, ist die Entscheidung mit dem vorliegend zu beurteilenden Fall nicht ohne weiteres vergleichbar. Denn dort folgte dem Eingang des Schriftsatzes vom 13.12.2004 bei Gericht und der Weiterleitung an den Gegner ein Zeitabschnitt mit besonders vielen gesetzlichen Feiertagen, in dem Prozessparteien sowie Rechtsanwälte und deren Mitarbeiter nicht selten schwer erreichbar sind, weshalb sich die Prüfung und Besprechung von Rechtsfragen von Mitte Dezember bis Anfang Januar erfahrungsgemäß verzögern und mit einer zeitnahen Reaktion auf schriftsätzlichen Vortrag der Gegenseite in diesem Zeitraum nicht ohne weiteres gerechnet werden kann. Außerdem wurde die beklagte Partei in dem vom OLG Koblenz entschiedenen Fall erstmals mit einer schlüssig dargelegten Klageforderung konfrontiert. Auch deshalb mag es gerechtfertigt gewesen sein, den zur Prüfung und Besprechung der Frage eines Anerkenntnisses mit der Mandantschaft angemessenen Zeitraum großzügiger zu bemessen.
Die sofortige Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 97 Abs.1 ZPO zurückzuweisen.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.