Kreditvermittler muss Zusatz-Entgelte (hier: für Bonitätszertifikate) mit in den Effektivzins einrechnen

Kammergericht Berlin

Urteil v. 27.09.2019 - Az.: 5 U 128/18

Leitsatz

Kreditvermittler muss Zusatz-Entgelte (hier: für Bonitätszertifikate) mit in den Effektivzins einrechnen

Tenor

In dem Rechtsstreit (...)

hat der 5. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin-Schöneberg, Elßholzstraße 30-33,10781 Berlin, auf die mündliche Verhandlung vom 23.08.2019 durch (...) für Recht erkannt:

1. Auf die Berufung des Klägers wird das am 30, August 2018 verkündete Urteil der Zivilkammer 52 des Landgerichts Berlin - 52 O 105/18 - geändert: Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der künftigen Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an ihrem Vorstand Ali Özen, zu unterlassen, im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern für die Vermittlung von Krediten mit einem Effektivzinssatz zu werben bzw. werben zu lassen, in dem die Kosten für die Erstellung eines Bonitätszertifikats zur Vorlage gegenüber der kreditgebenden Bank zu Zwecken der Bonitätsverbesserung nicht mit berücksichtigt sind, wenn dies wie folgt geschieht: (...)

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 214,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18. Mai 2018 zu zahlen.

3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe

I.

Gemäß § 540 Abs. 2, § 313a Abs. 1 Satz 1, § 544 ZPO in Verbindung mit § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO wird von der Darstellung des Tatbestandes abgesehen.

II.

1.
Die Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist auch begründet.

a) Der Kläger hat gegen die Beklagte den geltend gemachten Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 3, § 3, § 3a UWG in Verbindung mit § 6a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4, § 6 Abs. 3 Satz 1 PAngV.

Nach § 6a Abs. 2 Nr. 4 PAngV hat derjenige, der gegenüber Verbrauchern für den Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags mit Zinssätzen wirbt, in klarer, eindeutiger und auffallender Art und Weise den effektiven Jahreszins anzugeben. Nach § 6a Abs. 1 PAngV hat jegliche Kommunikation für Werbezwecke, die Verbraucherdarlehen betrifft, den Kriterien der Redlichkeit und Eindeutigkeit zu genügen und darf nicht irreführend sein. Insbesondere sind Formulierungen unzulässig, die beim Verbraucher falsche Erwartungen in Bezug auf die Kosten eines Verbraücherdarlehens wecken. Nach § 6 Abs. 3 PAngV sind in die Berechnung des effektiven Jahreszinses als Gesamtkosten die vom Verbraucher zu entrichtenden Zinsen und alle sonstigen Kosten einschließlich etwaiger Vermittlungskosten einzubeziehen, die der Verbraucher im Zusammenhang mit dem Verbraucherdarlehensvertrag zu entrichten hat und die dem Darlehensgeber bekannt sind.

Gegen diese Vorschriften verstößt die Beklagte, da sie in dem beanstandeten Internetauftritt mit einem effektiven Jahreszins wirbt, in dessen Berechnung die Kosten eines von ihr vergebenen Bonitätszertifikats nicht einbezogen sind.

aa) Die Kosten des angebotenen Bonitätszertifikats sind sonstige Kosten, die der Verbraucher im Zusammenhang mit dem Verbraucherdarlehensvertrag zu entrichten hat.

(1)    Die Kosten stehen im Zusammenhang mit dem Verbraucherdarlehensvertrag. Dies setzt eine im weiten Sinne bestehende kausale Verknüpfung mit dem Darlehensvertrag voraus; die Kosten müssen ihre Ursache letztlich in diesem Vertrag haben (Köhler in: ders./Bornkamm/Feddersen, UWG, 37. Auflage 2019, PAngV § 6 Rn. 9). Dies ist hier der Fall Die Kosten fallen ausschließlich bei Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags an. Denn die Beklagte verlangt die Gebühr für das Bonitätszertifikat nur bei erfolgreicher Kreditauszahlung. Wenn die Kunden ein Bonitätszertifikat der Beklagten erwerben und es im Anschluss nicht zum Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags kommt, verlangt die Beklagte die Gebühr hingegen nicht.

(2)    Der Verbraucher hat die Kosten auch zu entrichten. Denn sie sind bei wirtschaftlich-lebensnaher Betrachtung regelmäßig für die Darlehensvergabe obligatorisch.

Die Werbung zielt in erster Linie auf Kunden mit schlechter Bonität ab. Dies folgt bereits aus den Konditionen der Darlehensgewährung. Der Höchstbetrag des Darlehens beträgt 3.000 EUR (LGU S. 2), bei Erstkunden sogar nur 500 EUR. Die maximale Laufzeit beträgt 30 Tage und der effektive Jahreszins 13,9 %. Kunden, die bei diesen Konditionen, einen Kredit in Anspruch nehmen, haben nach allgemeiner Lebenserfahrung entweder bei ihrer Hausbank keinen Dispositionskreditrahmen oder diesen bereits ausgeschöpft. Andernfalls würden sie diesen in Anspruch nehmen, weil dies weniger Aufwand bedeuten würde und vergleichbare Zinsen geschuldet wären, die Rückzahlung jedoch flexibler und zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen könnte. In der Regel handelt es sich bei diesen Kunden damit um Kunden mit schlechter Bonität. Die Fälle, in denen Kunden mit mittlerer bis guter Bonität keinen Dispositionskredit eingeräumt bekommen (wollen), bleiben bei der Betrachtung als vereinzelte Ausnahmefälle außer Betracht.

Sollte in Einzelfällen ein Kredit auch ohne Bonitätszertifikat gewährt werden, stünde dies der Annahme von obligatorischen Kosten nicht entgegen, weil die maßgeblichen Vorschriften der PAngV dem Verbraucherschutz dienen und aufgrund des hohen Wertes des Verbraucherschutzes insoweit eine typisierende Betrachtung geboten ist (vgl. zur Unvermeidbarkeit von Entgelten im Sinne von Art. 23 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung (EG) 1008/2008 BGH, Urteil vom 29. September 2016 - I ZR 160/15 Rn. 31, juris - Servicepauschale wonach eine Unvermeidbarkeit bereits dann anzunehmen ist, wenn nicht jeder Kunde die Entgelte vermeiden kann).

Auch die von der Beklagten mitgeteilten Zahlen führen zu keinem anderen Ergebnis. Die Beklagte trägt vor, dass etwa 60 % der Kunden, deren Daten später an die (...) (nachfolgend: Darlehensgeberin) als Partnerbank weitergegeben würden, ein Bonitätszertifikat erwerben. Etwa 80 % dieser Kunden erhielten dann letztlich einen Kredit der Partnerbank. Diese Zahlen besagen nur, dass Kunden offenbar selbst mit Bonitätszertifikat später nicht zwangsläufig einen Kredit erhalten. Sie sind aber für die hier entscheidende Frage unerheblich, ob der Erwerb eines Bonitätszertifikats faktisch obligatorisch ist. Hierfür wäre maßgeblich, wie viele der Kunden, die letztlich einen Kredit erhalten, zuvor ein Bonitätszertifikat der Beklagten erworben haben. Diese Quote hat die Beklagte weder erstinstanzlich noch auf ausdrückliche Frage des Berichterstatters in der Berufungsverhandlung noch im nachgelassenen Schriftsatz mitgeteilt.

Es ist hier auch unerheblich, dass der Erwerb eines Bonitätszertifikats im Darlehensantragsvorgang als fakultative Auswahloption gewählt werden kann und als „Extra“ bezeichnet wird. Denn dies besagt nur, dass nicht alle Kunden, die einen Darlehensantrag über die Beklagte stellen, ein Bonitätszertifikat erwerben. Es belegt hingegen nicht, dass ein nennenswerter Anteil der Kunden anschließend auch ohne ein Bonitätszertifikat der Beklagten ein Darlehen erhält.

(3)    Die Kosten des Bonitätszertifikats sind nicht nach § 6 Abs. 4 Nr. 2 PAngV nicht in die Berechnung der Gesamtkosten einzubeziehen. Denn wie dargelegt handelt es sich um Kosten für eine Zusatzleistung, die Voraussetzung für die Verbraucherdarlehensvergabe ist.

(4)    Dahinstehen kann, ob es sich um Vermittlungskosten handeln würde, wenn der Kunde eine bonitätsverbessernde Maßnahme bei einem Dritten in Anspruch nimmt und anschließend eine Kreditanfrage bei der Beklagten stellt. Denn solche Kosten stehen hier nicht in Streit. Im Übrigen unterscheidet sich der von der Beklagten gebildete, hier nicht streitgegenständliche Fall vom hier vorliegenden dadurch erheblich, dass jene Kosten nicht bei der Beklagten anfallen und dieser nicht unbedingt bekannt sind.

bb) Die Kosten sind dem Darlehensgeber auch bekannt. Dabei kann dahinstehen, ob im Rahmen von § 6a PAngV auf die Kenntnis des Darlehensgebers oder die des Werbenden abzustellen ist. Denn der Senat geht nach dem Vorbringen der Parteien davon aus, dass hier nicht nur die Beklagte, sondern auch die Darlehensgeberin Kenntnis von dem Umstand hat, dass die Beklagte für das von ihr vergebene Bonitätszertifikat Kosten erhebt.

(1)    Der Kläger hat diese Kenntnis behauptet und durch den Hinweis auf einen zwischen der Beklagten und der Darlehensgeberin bestehenden Partnerschaftsvertrag hinreichend dargelegt.
Denn bei lebensnaher Betrachtungsweise erscheint es ausgeschlossen, dass bei einer Kooperation zweier Aktiengesellschaften der eine Kooperationspartner keine Kenntnis von dem Geschäftsmodell des anderen Kooperationspartners hat. Im Übrigen versteht es sich von selbst, dass die auf Gewinnerzielung ausgerichtete Beklagte ihre Leistung der Erstellung eines Bonitätszertifikats nicht kostenlos erbringt, zumal sie für die Vermittlung des Darlehens selbst keine Provision erhält.

(2)    Diese Behauptung des Klägers hat die Beklagte nicht erheblich bestritten. Sie trifft insoweit eine sekundäre Darlegungslast. Denn steht ein darlegungspflichtiger Kläger außerhalb des für seinen Anspruch erheblichen Geschehensablaufs und kennt der Beklagte alle wesentlichen Tatsachen, so genügt nach den Grundsätzen über die sekundäre Darlegungslast sein einfaches Bestreiten nicht, sofern ihm nähere Angaben zuzumuten sind. In diesen Fällen kann vom Prozessgegner im Rahmen des Zumutbaren das substantiierte Bestreiten der behaupteten Tatsache unter Darlegung der für das Gegenteil sprechenden Tatsachen und Umstände verlangt werden (BGH, Urteil vom 17. Januar 2008 - III ZR 239/06 -, Rn. 16, juris; BGH, Beschluss vom 28. Februar 2019 - IV ZR 153/18 -, Rn. 10, juris). So liegt der Fall hier. 

Der Kläger steht außerhalb der Kooperation zwischen der Beklagten und der Darlehensgeberin und kennt den Inhalt der geführten Gespräche und Verhandlungen nicht. Die Beklagte hingegen kennt den Inhalt des von ihr abgeschlossenen Partnerschaftsvertrags mit der Darlehensgeberin und weiß auch, worüber sie ihren Kooperationspartner informiert hat. Für ein substantiiertes Bestreiten hätte die Beklagte deshalb darlegen müssen, warum und inwiefern die Darlehensgeberin trotz Partnerschaftsvertrags und Kooperation keine Kenntnis vom Bonitätszertifikat und dessen Kosten erlangt hat. Dies hat die Beklagte trotz entsprechenden Hinweises des Senats nicht getan.

(3)    Das entsprechende Vorbringen des Klägers ist auch nicht verspätet. Denn die Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO für die Zulassung dieses Vortrags als neues Angriffsmittel liegen vor. Hier ergibt sich ein Verfahrensfehler aus einem Verstoß des Landgerichts gegen seine Hinweispflicht aus § 139 ZPO. Bei der Kenntnis der Darlehensgeberin handelt es sich um eine auch nach Auffassung des Landgerichts erhebliche Tatsache, zu der die Parteien sich nach § 138 Abs. 1 ZPO erklären müssen. Vor einem klageabweisenden Urteil wegen insoweit unzureichenden Vortrags des Klägers hätte das Landgericht nach § 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO auf entsprechenden Vortrag hinwirken, jedenfalls aber nach § 139 Abs. 2 ZPO darauf hinweisen müssen, dass der Vortrag des Klägers insoweit unzureichend war. Dass ein solcher Hinweis erfolgt wäre, ist den Akten nicht zu entnehmen, § 139 Abs. 4 ZPO. 

b) Der Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten folgt aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG in der geltend gemachten Höhe, gegen die die Beklagte nichts einwendet und die auch sonst keinen Bedenken unterliegt.

2.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, § 713, § 544 ZPO in Verbindung mit § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO Die Revision ist nicht zuzulassen, § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO. Die Entscheidung folgt der höchstrichterlichen Rechtsprechung und sie beruht im Übrigen auf den besonderen Umständen des vorliegenden Falles.