Kein ergänzender wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz für Collagen-Lift Drink

Oberlandesgericht Frankfurt_aM

Urteil v. 21.03.2019 - Az.: 6 U 41/18

Leitsatz

Kein ergänzender wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz für Collagen-Lift Drink

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 7.2.2018 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Entscheidungsgründe

I.

Die Parteien streiten über die angebliche Nachahmung eines Nahrungsergänzungsmittels.

Die Klägerin vertreibt ein Nahrungsergänzungsmittel unter der Bezeichnung "Collagen-Lift Drink" als so genanntes beauty-Produkt. Der Vertrieb erfolgt über einen TV Shoppingsender. Das Produkt beinhaltet hydrolisiertes Kollagen in einer hohen Konzentration. Es soll Auswirkungen auf das Hautbild haben. Das Etikett sah wie folgt aus (Anlage K2): (...)

Die Beklagte vertreibt ebenfalls ein kollagenhaltiges Nahrungsergänzungsmittel unter der Bezeichnung "Collagen-Lift Drink Pulver Johannisbeere" (Anlage K3). Hinsichtlich der Aufmachung wird auf die nachfolgende Abbildung sowie auf die Anlage K3 verwiesen: (...)

Die Klägerin behauptet, ihr "Collagen-Lift Drink" sei eine Innovation. Probanden hätten bei dem Einsatz von Kollagenhydrolisat gegen Arthrose berichtet, dass sich während der Dauer der Anwendung ihre Haut verfestigt und gestrafft habe. Diese Erkenntnis habe sich die Klägerin zu Eigen gemacht. Sie ist der Auffassung, bei dem Produkt der Beklagten handele es sich um eine unlautere Nachahmung. Hierbei bezieht sie sich sowohl auf die Rezeptur als auch auf die Bezeichnung des Produkts, bei der es sich um einen originellen Slogan handele.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 540 I Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der von den Parteien verwendeten Bezeichnung komme keine wettbewerbliche Eigenart zu. Gegen diese Beurteilung wendet sich die Klägerin mit der Berufung. Im Berufungsrechtszug wiederholen und vertiefen die Parteien ihr Vorbringen.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Wiesbaden vom 7.2.2010, Az. 12 O 95/17,

1) die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr auf dem deutschen Markt ein Nahrungsergänzungsmittel als Getränkepulver unter der Produktbezeichnung "Collagen-Lift Drink" zu bewerben, anzubieten, zu vertreiben oder in sonstiger Weise in den Verkehr zu bringen, soweit dieses geschieht wie in dem Anlagenkonvolut K3 geschehen;

2) die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin die ihr entstandenen vorprozessualen Rechtsverfolgungskosten i.H.v. 1.531,90 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen;

3) festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den aus der unter dem Klagepunkt 1) aufgeführten Handlung weiter entstandenen oder entstehenden Schaden zu erstatten;

4) die Beklagte zu verpflichten, über den Umfang der unter dem Klagepunkt 1 aufgeführten Handlung Auskunft zu erteilen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung kostenpflichtig abzuweisen.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch aus §§ 8 I, 3, 4 Nr. 3 a) UWG auf Unterlassung hinsichtlich der angegriffenen Produkte im Hinblick auf die verwendete Rezeptur zu (Anlage K3).

Es fehlt an der wettbewerblichen Eigenart der beanspruchten Rezeptur.

a) Ein Erzeugnis besitzt wettbewerbliche Eigenart, wenn seine konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale geeignet sind, die interessierten Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen. Für die Bestimmung der wettbewerblichen Eigenart ist der Gesamteindruck des nachgeahmten Erzeugnisses maßgebend. Dieser kann durch Gestaltungsmerkmale bestimmt oder mitbestimmt werden, die zwar nicht für sich genommen, aber in ihrem Zusammenwirken geeignet sind, im Verkehr auf die Herkunft des nachgeahmten Produkts aus einem bestimmten Unternehmen hinzuweisen. Technisch notwendige Gestaltungsmerkmale - also Merkmale, die bei gleichartigen Erzeugnissen aus technischen Gründen zwingend verwendet werden müssen - können aus Rechtsgründen keine wettbewerbliche Eigenart begründen (BGH GRUR 2017, 734 - Bodendübel). 

Handelt es sich dagegen nicht um technisch notwendige Merkmale, sondern nur um solche, die zwar technisch bedingt, aber frei austauschbar sind, ohne dass damit Qualitätseinbußen verbunden sind, können sie eine wettbewerbliche Eigenart (mit)begründen, sofern der Verkehr wegen dieser Merkmale auf die Herkunft der Erzeugnisse aus einem bestimmten Unternehmen Wert legt oder mit ihnen gewisse Qualitätserwartungen verbindet (BGH GRUR 2015, 909 Rn. 18und 24 - Exzenterzähne).

b) Die Klägerin behauptet, es sei ihre innovative Produktidee gewesen, dem Körper über ein Nahrungsergänzungsmittel derart viel hydrolysiertes Kollagen zuzuführen, dass dieses im Bindegewebe eingelagert werde und das optische Hautbild verbessere. Zur Erreichung der erforderlichen Menge sei man auf die Idee des Trinkpulvers gekommen. Bei dem geschilderten Wirkprinzip handelt es sich um ein technisch notwendiges Merkmal des Produkts. Es ist nicht ersichtlich, dass das Merkmal des hohen Kollagengehalts und die Darreichungsform (Trinkpulver) frei austauschbar wären, um die beabsichtigte Wirkung (ein strafferes Hautbild) zu erreichen. Vielmehr muss nach dem Vortrag der Klägerin angenommen werden, dass dieser Bestandteil und seine Darreichungsform bei gleichartigen Erzeugnissen aus technischen Gründen zwingend verwendet werden müssen. Die Übernahme solcher nicht unter Sonderrechtsschutz (z.B. Patent oder Gebrauchsmuster) stehender technischer Gestaltungsmerkmale ist mit Rücksicht auf den Grundsatz des freien Stands der Technik wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden.

c) Auch die Produktidee selbst, den Stoff Kollagen für die Hautstraffung einzusetzen, begründet keine wettbewerbliche Eigenart. Grundlage der Produktidee sollen die Beobachtungen von Kunden gewesen sein, die Kollagenhydrolisat gegen Arthrose einnahmen. Die abstrakte Idee eines Produkts kann keinen lauterkeitsrechtlichen Nachahmungsschutz begründen. Der Schutz bezieht sich immer nur auf die konkrete Gestaltung eines Erzeugnisses (BGH WRP 2017, 51 Rn. 71 - Segmentstruktur).

d) Gegenstand des Nachahmungsschutzes kann damit allenfalls die konkrete Zusammensetzung des Produkts der Klägerin sein, die auf S. 4 der Klageschrift dargestellt ist. Neben Collagen enthält das Pulver zahlreiche weitere Zutaten wie Aromen, Säuerungsmitteln und Vitaminen. Nach der Behauptung der Klägerin stimmt die Rezeptur der Beklagten hiermit zu 99,9% überein. Es ist jedoch nicht ersichtlich, inwiefern die konkrete Zusammensetzung geeignet sein soll, den Verkehr auf die betriebliche Herkunft oder die Besonderheiten des Produkts hinzuweisen. Es erscheint schon zweifelhaft, ob Verbraucher die konkrete Zusammensetzung der verschiedenen Inhaltsstoffe überhaupt wahrnehmen. Jedenfalls kann sich darauf keine betriebliche Herkunftsvorstellung stützen. Den Verbrauchern, zu denen auch die Mitglieder des Senats gehören, ist geläufig, dass Nahrungsergänzungsmittel in gleicher oder ähnlicher Zusammensetzung von verschiedenen Herstellern vertrieben werden.

2. Der Klägerin steht gegen die Beklagte auch kein Anspruch aus §§ 8 I, 3, 4 Nr. 3 a) UWG auf Unterlassung hinsichtlich der angegriffenen Produkte im Hinblick auf die Kennzeichnung zu (Anlage K3). Auch insoweit fehlt es an der wettbewerblichen Eigenart.

a) Der Begriff der Waren und Dienstleistungen im Sinne von § 4 Nr. 3 UWG ist weit auszulegen. Gegenstand des lauterkeitsrechtlichen Nachahmungsschutzes können Leistungs- und Arbeitsergebnisse aller Art sein. Dazu zählen auch Werbemittel (BGH GRUR 2015, 1214 Rn. 73 - Goldbären). Grundsätzlich kommen auch Werbeslogans und Kennzeichnungen als Leistungsergebnis in Frage.

b) Der Bezeichnung "Collagen Lift Drink" kann gleichwohl keine wettbewerbliche Eigenart zugemessen werden. Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin auf die Rechtsprechung zu Werbeslogans. Die Frage, ob einem Werbespruch ein wettbewerbsrechtlicher Schutz vor Nachahmung zukommt, beantwortet sich nach denselben Grundsätzen, die für die Nachahmung anderer Leistungsergebnisse gelten. Wettbewerbliche Eigenart ist danach gegeben, wenn die Ausgestaltung eines (Werbe-)slogans geeignet ist, als Hinweis auf die betriebliche Herkunft zu dienen oder besondere Gütevorstellungen zu wecken. Da schon die Eignung ausreicht, muss ein wettbewerblicher Besitzstand im Sinne einer bereits erreichten Verkehrsbekanntheit nicht notwendig vorliegen (Senat, GRUR-RR 2012, 75 Rn. 12 - Schönheit von innen; BGH GRUR 1997, 308 - Tz. 18 - Wärme fürs Leben). 

Einem originellen, gleichzeitig einprägsamen und aussagekräftigen Werbeslogan kann auch bei einer banal erscheinenden Aussage wettbewerbliche Eigenart zukommen. Derartige Umstände sind im Streitfall jedoch nicht ersichtlich. Es ist schon zweifelhaft, ob die Bezeichnung als "Slogan" anzusehen ist. Im Grunde handelt es sich um eine Produktbezeichnung mit stark beschreibenden Anklängen. Jedenfalls entbehrt die Bezeichnung jeglicher Originalität. Der Bestandteil "Drink" ist glatt beschreibend. Der Bestandteil "Collagen" weist auf den zentralen Inhaltsstoff hin und ist damit ebenfalls beschreibend. Die Bezeichnung "Lift" ist nach dem eigenen Vortrag der Klägerin eine Anlehnung an das Wort "Lifting" im Sinne einer Hautstraffung. Sie deutet damit auf den Verwendungszweck des Produkts hin. Der Umstand, dass die Klägerin zur Vermeidung einer lebensmittelrechtlich angreifbaren Wirkungsaussage ("Lifting Effekt") die mehrdeutige Bezeichnung "Lift" gewählt hat, macht die Gesamtbezeichnung nicht zu einem originellen Slogan, der über das Alltägliche und Übliche hinausragt.

c) Auch als Produktkennzeichen kann der Bezeichnung kein wettbewerbsrechtlicher Schutz zugemessen werden. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass kein Wertungswiderspruch zu den markenrechtlichen Schutzvoraussetzungen entstehen darf. Geht man nicht schon von einem grundsätzlichen Vorrang des Markenrechts aus (so Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 37. Aufl., § 4, Rn. 3.22b; Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Aufl., § 2 Rn. 55), sind an den lauterkeitsrechtlichen Nachahmungsschutz von Kennzeichnungen jedenfalls hohe Anforderungen zu stellen (vgl. Büscher GRUR 2009, 230, 233). Insbesondere dürfen keine nach dem Markenrecht gemeinfreien Kennzeichen über das Lauterkeitsrecht monopolisiert werden. Im Streitfall hat das DPMA der Bezeichnung mangels jeglicher Unterscheidungskraft den am 30.1.2009 beantragten Markenschutz versagt (Anlage B1). Die Klägerin kann nun nicht über den "Umweg" des § 4 Nr. 3 UWG Schutz für die Bezeichnung beanspruchen.

d) Ohne Erfolg behauptet die Klägerin, zwischenzeitlich habe die Bezeichnung durch Bekanntheit Unterscheidungskraft erlangt. Hierfür fehlt es an ausreichenden Anhaltspunkten. Der Umstand, dass seit 2008 über 1 Mio. Stück des Produkts über einen TV-shopping-Kanal verkauft worden sein sollen, reicht hierfür nicht aus. Allein aus hohen Verkaufszahlen kann nicht geschlossen werden, dass eine originär nicht unterscheidungskräftige Bezeichnung vom Verkehr nur noch einem bestimmten Unternehmen zugeordnet wird. Über die Marktverhältnisse (Marktanteil, Bezeichnungen der Wettbewerbsprodukte) und zu konkreten Werbeaufwendungen hat die Klägerin keine genaueren Angaben gemacht. Gegen eine Verkehrsdurchsetzung spricht im Übrigen der beschränkte Vertriebsweg. Nahrungsergänzungsmittel zur Verschönerung der Haut sprechen den allgemeinen Verkehr an. Es ist nicht ersichtlich, dass das Produkt über den Einzelhandel, im Online-Handel oder auf sonstigen üblichen Vertriebswegen angeboten wurde. Das alleinige Anbieten über einen TV-shopping-Kanal kann keinen ausreichend hohen Anteil des allgemeinen Verkehrs erreicht haben. Den für die angebliche Bekanntheit angebotenen Beweisen musste vor diesem Hintergrund nicht nachgegangen werden. Sie würden auf eine unzulässige Ausforschung hinauslaufen.

3. Die Klägerin kann sich für den wettbewerblichen Nachahmungsschutz auch nicht mit Erfolg die Kombination der Merkmale der Rezeptur und der Bezeichnung berufen.

a) Für die Bestimmung der wettbewerblichen Eigenart ist der Gesamteindruck des nachgeahmten Erzeugnisses maßgebend. Dieser kann durch Gestaltungsmerkmale bestimmt oder mitbestimmt werden, die zwar nicht für sich genommen, aber in ihrem Zusammenwirken geeignet sind, im Verkehr auf die Herkunft des nachgeahmten Produkts aus einem bestimmten Unternehmen hinzuweisen (vgl. GRUR 2012, 1155 Rn. 31 - Sandmalkasten).

b) Die Rezeptur des Mittels und die Bezeichnung mit ihren stark beschreibenden Anklängen erscheinen auch in der Zusammenschau nicht geeignet, auf die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen oder auf die Besonderheiten des Produkts hinzuweisen. Denn die Bezeichnung gibt lediglich den Hauptbestandteil, die Darreichungsform (Drink) sowie die beabsichtigte Wirkung (Lift) wieder. Geht man von dem Gesamteindruck der gegenüberstehenden Produkte aus, ist im Übrigen auch die äußere Gestaltung einzubeziehen. Der Bezeichnung "Collagen Lift Drink" kommt aus den genannten Gründen für die Gesamtgestaltung keine maßgebliche Bedeutung zu. Selbst wenn man also hinsichtlich der Gesamtgestaltung des Produkts von einer (geringen) wettbewerblichen Eigenart ausgehen wollte, würde es jedenfalls an einer unlauteren Nachahmung fehlen. Denn gerade in der äußeren Gestaltung unterscheiden sich die Produkte der Parteien sehr deutlich.

4. Der Klägerin stehen damit auch keine Ansprüche auch Erstattung von Rechtsverfolgungskosten, Auskunft und Schadensersatz zu.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 I ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

6. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) sind nicht erfüllt.