100% Verletzerzuschlag für geklaute Online-Fotos

Amtsgericht München

Urteil v. 22.08.2014 - Az.: 142 C 12802/14

Leitsatz

Wird der Urheber eines Fotos nicht benannt, kann ein 100% Verletzerzuschlag verlangt werden.

Tenor

In dem Rechtsstreit (...) erlässt das Amtsgericht München (...)  am 22.08.2014 auf Grund des Sachstands vom 21.08.2014 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO folgendes
Endurteil:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 511,80 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 27.05.2014 zu bezahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
 

Sachverhalt

(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)

Entscheidungsgründe

Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb die¬ses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.

Die zulässige Klage ist vollumfänglich begründet.

I.    Die Klage ist zulässig. Das Amtsgericht München ist gem. § 32 ZPO örtlich zuständig, da die Klägerin (auch) Schadensersatzansprüche aus § 97 UrhG geltend macht und sich der Internetauftritt der Beklagten mit dem streitgegenständlichen Foto auch an Interessenten in München richtete und dort bestimmungsgemäß im Internet abgerufen werden konnte. Zu dem Schaden, der nach § 97 UrhG geltend gemacht werden kann, zählen auch die im Zusammenhang mit der Abmahnung angefallenen Rechtsanwaltskosten, so dass auch diesbezüglich der Gerichtsstand gem. § 32 ZPO eröffnet ist; am Gerichtsstand der unerlaubten Handlung ist nämlich der geltend gemachte Anspruch unter allen rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen.

II.    Die Beklagte hat eine Urheberrechtsverletzung iSv § 97 UrhG zum Nachteil der Klägerin begangen; die Klägerin hatte deshalb einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 410,00 EUR.

1. Das Gericht hat keinen Zweifel an der Aktivlegitimation der Klägerin; sie wird von der Beklagten auch nicht rechtswirksam bestritten; ein solches stellt nämlich die pauschale Aussage des Beklagtenvertreters, den Inhalt der Klageschrift zu bestreiten, nicht dar.

2. Die Unabtretbarkeit von urheberpersönlichkeitsrechtlichen Ansprüchen steht der Geltendmachung der Ansprüche in gewillkürter Prozessstandschaft nicht entgegen, da es vorliegend nur um die Geltendmachung eines nach dem Vortrag der Klägerin bereits entstandenen Schadensersatzanspruches geht. Im Hinblick auf das zwischen der Klägerin und dem Fotografen dargelegte Vertragsverhältnis und der vorgetragenen Inhaberschaft der ausschließlichen (materiellen) Verwertungsrechte an den Fotografien seitens der Klägerin ist auch das schutzwürdige Interesse der Klägerin an der streitgegenständlichen Rechtsverfolgung zu bejahen.

3. Es kann dahinstehen, ob es sich bei dem streitgegenständlichen Foto um ein Lichtbildwerk iSv § 2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG oder ein Lichtbild iSv § 72 UrhG handelt, da beide denselben urheberrechtlichen Schutz vor Vervielfältigung und Vorführung genießen.

4. Durch die nicht bestrittene Einbindung des streitgegenständlichen Fotos (...) auf ihrer Internetseite hat der Beklagte sowohl das Vervielfältigungsrecht (§ 16 UrhG) wie auch der öffentlichen Zugänglichmachung (§19 a UrhG) der Klägerin verletzt. Ob und in welchem Umfang ein Abruf des Bildes von der Internetseite des Beklagten tatsächlich erfolgt ist, ist dabei irrelevant (Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 10. Aufl., § 19 a, Rn, 7).

5. Diese Rechtsverletzung geschah auch schuldhaft.

a. Die Abgabe einer uneingeschränkten Unterlassungserklärung stellt kein Eingeständnis der Schuld dar (BGH, GRUR 2013, 1252 - Medizinische Fußpflege).

b. Die Beklagte handelte zumindest fahrlässig, da sie die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht ließ. Wer ein fremdes urheberrechtlich geschütztes Werk nutzen will, muss sich über den Bestand des Schutzes wie auch über den Umfang der Nutzungsberechtigung Gewissheit verschaffen. Insoweit bestand eine Prüf- und Erkundigungspflicht der Beklagten (vgl. Dreier/Schulze, UrhG, § 97, Rn. 57). Es gelten strenge Anforderungen (BGH, GRUR 1009, 569 - Beatles - Doppel-CD).

Der Verwerter ist grundsätzlich verpflichtet, die Kette der einzelnen Rechtsübertragungen vollständig zu überprüfen (BGH, GRUR 1988, 375 - Schallplattenimport III). Dass die Beklagte irgendeine Prüfung unternommen habe, hat sie nicht vorgetragen.

III. Steht die Rechtsverletzung fest, so schuldet der Verletzer Schadensersatz nach § 97 UrhG. § 97 Abs. 2 Satz 3 UrhG ermöglicht dem Verletzten wegen der besonderen Beweisschwierigkeiten, die der Verletzte hat, neben dem Ersatz des konkreten Schadens weitere Wege der Schadensermittlung. Danach kann der Schaden auch in Höhe einer angemessenen Lizenzgebühr berechnet werden.

Der Verletzte hat daher das Wahlrecht, wie er seinen Schadensersatzanspruch berechnen will. Vorliegend hat die Klägerin die Berechnung im Wege der Lizenzanalogie gewählt. Bei der Berechnung der angemessenen Lizenzgebühr ist rein objektiv auf den Betrages abzustellen, den der Verletzter als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Nutzung des verletzten Rechts eingeholt hätte. Es kommt dabei auf die Üblichkeit an (Fromm/Nordemann, 10. Aufl, § 97 Nr. 91), nicht darauf, was der Verletzter angeblich bereit gewesen wäre, für die Verwendung des streitgegenständlichen Bildes zu zahlen.

Damit wird ausgeschlossen, dass der Verletzter im Ergebnis besser darsteht, als ein rechtstreuer Verwendung des streitgegenständlichen Bildes.

IV. Nach diesen Grundsätzen ist die Berechnung der angemessenen Vergütung nach den üblichen Tarifen, berechnet nach dem Preisrechner der Klägerin, wie als Anlage zu K6 vorgelegt, im Hinblick auf Nutzungsdauer und Nutzungsweck nicht zu beanstanden (§ 287 ZPO). Hiergegen hat sich die Beklagte auch nicht gewandt.

Wegen unterlassener Nennung des Urhebers ist ein 100% Zuschlag vorzunehmen (AG München, 13.12.2013, Az 142 C 25100/13; AG München, 11.4.2014, Az. 142 C 2483/14; LG München I, MMR 2009, 137). Nach § 13 UrhG, der auch für Fotografen zur Anwendung kommt (§ 72 Abs. 1 UrhG), hat der Urheber/Lichtbildner das Recht auf Anerkennung seiner Urhebereigenschaft am Werk. Er kann bestimmen, ob das Werk mit einer Urheberbezeichnung zu versehen ist und welche Bezeichnung zu verwenden ist. Da auch der rechtmäßige Nutzer eines Werkes das Namensnennungsrecht des Urhebers ohne abweichende Vereinbarung zu beachten hat, wird durch die Schadensberechnung nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie die zusätzliche Rechtsverletzung durch die unterlassene Namensnennung, die auch Auswirkungen auf die materiellen Interessen des Urhebers (entgangener Werbewert) hat, nicht erfasst. Diese entgangene Werbewirkung ist nach den Grundsätzen der Berechnung eines materiellen Schadens zu bestimmen.

Die Verwendung der Fotografie auf den Homepages des Beklagten ohne die Benennung des Fotografen als Urheber verletzen dessen Rechte aus § 13 Satz 2 UrhG. Dem Fotografen steht daher ein Schadensersatz gemäß § 97 Abs. 2 Satz 1,2 UrhG zu, der in Übereinstimmung mit der wohl überwiegend vertretenen Auffassung in der Rechtsprechung sowie in ständiger Rechtsprechung des hiesigen Gerichts mit einem Zuschlag in Höhe von 100 % des üblichen Nutzungshonorars zu bemessen ist (§ 287 ZPO).

V. Daneben kann die Klägerin von der Beklagten die Freistellung von der Gebührenforderung ihrer Rechtsanwälte in Höhe von noch (...) gem. § 97 a Abs. 1 Satz 2 UrhG verlangen.

1. Eine Urheberrechtsverletzung der Beklagten hinsichtlich des Leistungsschutzrechts der Klägerin liegt, wie oben dargestellt vor. Die Beklagte wurde daraufhin mit Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom (...) zu Recht abgemahnt und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung und Erteilung von Auskunft aufgefordert. Damit kann die Klägerin von den der Beklagten die Kosten der Abmahnung gem. § 97 a Abs. 1 Satz 2 UrhG verlangen, da diese die erforderlichen Aufwendungen für die berechtigte Abmahnung darstellen.

2.    Der Streitwert des Unterlassungsanspruchs richtet sich nach dem Interesse des geschädigten Rechtsinhabers an der künftigen Unterlassung gleichartiger Verletzungshandlungen. Hierbei ist also nicht allein auf die von der Klägerin im Regelfall erhobene Lizenzgebühr für die Verwendung des streitgegenständlichen Bildes abzustellen. Vorliegend erscheint im Hinblick auf die hohe Qualität des Bildes sowie die Tatsache, dass auch Schadensersatz und Erstattung der Rechtsanwaltskosten geltend gemacht wurde, ein Streitwert von insgesamt 10.000 EUR angemessen (§ 287 ZPO).

Gegen die geltend gemachte 1,3 Geschäftsgebühr bestehen im Hinblick darauf, dass Unterlassung und Auskunftserteilung sowie Schadensersatz gefordert wurden, keine Bedenken (AG München, Az. 142 C 22984/13).

3.    Der Erstattungsanspruch ist durch Zahlung von 550,00 EUR teilweise erloschen, so dass noch 101,80 EUR geschuldet werden.

Die Entscheidung zu der Nebenforderung ergibt sich aus §§ 280 Abs 2, 286, 288 BGB.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.