LG Karlsruhe: Erschleichen einer einstweiligen Verfügung ist missbräuchlich iSv. § 8c Abs.1 UWG

Verschweigt der Antragsteller einer einstweiligen Verfügung eine Antwort des Abgemahnten, handelt er rechtsmissbräuchlich iSv.  § 8c Abs.1 UWG, sodass kein Anspruch besteht (LG Karlsruhe, Beschl. v. 23.05.2023 - Az.: 15 O 29/23 KfH).

Die Parteien stritten im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens um wettbewerbsrechtliche Ansprüche.

Der Gläubiger beantragte den Erlass einer einstweiligen Verfügung, verschwieg jedoch, dass die Antragsgegnerin auf die außergerichtliche Abmahnung reagiert hatte.

Dieses Verschweigen bewertete das LG Karlsruhe als rechtsmissbräuchlichen Versuch, sich eine einstweilige Verfügung zu erschleichen:

"Insofern kann zu berücksichtigen sein, dass der Antragsteller im auf den Erlass einer einstweiligen Verfügung gerichteten Verfahren die Antwort des Antragsgegners auf eine vorgerichtliche Abmahnung nicht offenlegt und auf diese Weise dessen Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 I GG) im Eilverfahren vereitelt.

Mit Blick auf die einschneidende Rechtsfolge des erfolgreichen Rechtsmissbrauchseinwands (...) ist zwar eine schematische Annahme des Rechtsmissbrauchs unangemessen und vielmehr eine gewisse Zurückhaltung angebracht. Es ist insoweit zu berücksichtigen, dass der in der Regel vorliegende Verstoß gegen die prozessuale Wahrheitspflicht gem. § 138 Abs. 1 ZPO durchaus unterschiedliche Intensität haben kann: Es wird im Einzelfall schwerer wiegen, wenn ausdrücklich darüber gelogen wird, dass eine Antwort auf die Abmahnung erfolgt ist, als wenn vorgetragen wird, der Gegner habe sich auf die Abmahnung nicht unterworfen, ohne zu erwähnen, dass in der Antwort auf die Abmahnung umfangreich erwidert wurde oder (lediglich) ein telefonischer Kontakt mit der Gegenseite verschwiegen wird."

Und weiter:

"Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der Einwand des Rechtsmissbrauchs (...) begründet.

Die Antragstellerin hat mit Beantragung der einstweiligen Verfügung lediglich das Abmahnschreiben vom 05.05.2023 (...) eingereicht, jedoch verschwiegen, dass die Antragsgegnerin vor Einreichung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung am 15.05.2023 bereits am 12.05.2023 inhaltlich auf die Abmahnung Stellung genommen hatte, nachdem der Prozessbevollmächtigte der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 08.05.2023 gegenüber der Antragstellerin, auch insoweit verschwiegen, die Vertretung der Antragstellerin angezeigt hatte.

Vielmehr hat die Antragstellerin den Tatsachen zuwider behauptet, die Antragsgegnerin habe sich inhaltlich nicht zur Abmahnung geäußert, was ersichtlich zum Zeitpunkt der Einreichung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht zutraf.

Die von der Antragstellerin gesetzte verlängerte Frist (...)  hat die Antragsgegnerin zwar um vier Stunden und 15 Minuten überschritten (...). Das geringfügige Überschreiten der von der Antragstellerin gesetzten Frist ist bei Würdigung der Umstände, ob der Antragstellerin ein Rechtsmissbrauch nach den Grundsätzen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vorgeworfen werden kann, jedoch nicht von entscheidungserheblicher Bedeutung, denn bei Einreichung des Antrags auf Erlass der einstweiligen Verfügung lag diese Erwiderung der Antragstellerin jedenfalls vor.

Gleichwohl hat sie deren Existenz verschwiegen, vielmehr behauptet, bis 12.05.2023 sei keine inhaltliche Erwiderung eingegangen, was nicht den Tatsachen entsprach.

Diese Umstände rechtfertigen die Annahme des Rechtsmissbrauchs gemäß § 8 c Abs. 1 UWG, so dass der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung bereits als unzulässig zu verwerfen war (...)."